Generationen-Management

Die vier erwerbstätigen ­Generationen – eine Typologie

Der Begriff «Generation» umfasste früher eine Lebensspanne von 30 Jahren – die Zeitspanne, die es dauerte, bis die Lebensweisen der Älteren von den Jüngeren abgelöst wurden. Heute ist die Zeitspanne auf rund 15 Jahre geschrumpft.

Eine Generation ist eine Gruppe von Menschen, die sich aufgrund von Alterszugehörigkeit und ihrer sozialen Situation ähnlich sind. Besondere Ereignisse wie generelle Zeitumstände, zum Beispiel «Nachkriegszeit» oder «Fall der Mauer», und individuelle Erfahrungen, denen Menschen in der Kindheit, dem Jugendalter sowie dem Eintritt in das Berufs­leben ausgesetzt sind, bestimmen oft das spätere Erwachsenenleben wie die Entwicklung von Denkmustern und Werten, die verschiedene Altersgruppen deutlich voneinander abgrenzt.

Generationentypen – alle schreiben davon

Jede Generationstype ist immer eine allgemeine «Typo­logie» oder «Stereotype», die eine generative Tendenz beschreibt, aber natürlich immer durch die Individualität einer Person gebrochen werden kann. Die Heterogenität innerhalb einer Generation geht oft über die Grenzen der Generationentypen hinaus.

Nachfolgend finden Sie verschiedene Generationentypen, die in ihrer generativen Gestimmtheit, ihrem Credo, ihrer ­aktuellen Lebensphase und möglichen «blinden Flecken» in der Beratung kurz und knapp beschrieben werden. Vielleicht regt Sie die eine oder andere Beschreibung an, über Ihre persönliche generative Gestimmtheit und Ihre Reaktionen auf Ihre Klient/-innen im Beratungsalltag zu reflektieren. Übrigens: Die Generation Z  (ab Jahrgang 2000) habe ich von ­einer Beschreibung ausgenommen – lassen wir dieser Gene­ration die Zeit, mit welchen Generationentypen sie uns über­raschen wird!

Kriegskinder und Nachkriegsgeneration (1939–1949): «Pragmatische Visionäre», «Aktive Silvergeneration», «Generation Beatles»(1)

Für diese Generation haben traditionelle Werte wie Fleiss, Sparsamkeit, Pflichtbewusstsein, Disziplin und materielle Werte einen hohen Stellenwert. Diese Werte wurden ihnen häufig durch das traditionelle Familienmodell mit dem Vater als Familienvorstand/Ernährer und der Mutter zuständig für Haushalt und Erziehung (und bis 1971 ohne Stimmrecht) vermittelt. Ihre Kinder- und Jugendjahre verbrachten sie in der Familie an einem Ort. Sie gelten als verlässlich und glauben an den Wert von Vernunft, Recht und Ordnung. Die Kultur ihrer Arbeitswelt in der Hochphase der Industriegesellschaft war von Hierarchie und formalisierten Kommunikationswegen gekennzeichnet. Ihre Anpassungsfähigkeit und ausgeprägte Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber waren geeignete Voraussetzungen für eine berufliche Entwicklung und Karriere, die von Beständigkeit und einer Anstellung auf Lebenszeit geprägt sind. Finanziell ist diese Generation gut ausgestattet.

Ihr Credo: Das Schwierige wird sofort erledigt! Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!

Aktuelle Lebensphase: Sie sind zu Beginn oder mitten im aktiven Ruhestand mit Freizeitorientierung und/oder sozialem Engagement, haben Enkelkinder, die ersten körperlichen Beschwerden des Alterns oder auch schon schwerwiegende Erkrankung erfahren. Die Endlichkeit des Daseins dringt ins Bewusstsein sowie der Wunsch nach Teilhabe und Mitgestaltung bis ins hohe Alter.

Blinde Flecke in der Beratung: Gerade die ­Babyboomer sehen diese Generation als die der Angepassten, Bewahrer und Verhinderer von Veränderungen, die immer schon alles gewusst haben. Finanziell gut ausgestattet haben sie nur noch die Pensionierung im Kopf. Die Generation X teilt Werte wie die Familienorientierung und materielle Sicherheit.

  • (1) Diese Generationsbeschreibungen basieren auf den oben erwähnten Generationsdialogen ergänzt aus der aktuellen Literatur zu diesem Thema (Aichinger 2013, Bruch et al. 2010, Kosser 2014).

Babyboomer (1950–1964): «Workaholics», «Easy Riders», «­Generation Interrail» (2)

Sie wuchsen zumeist mit mehr als einem Geschwister auf und waren oft der Konkurrenz der eigenen Altersgruppe ausgesetzt. Dies schulte sie von klein auf, sich einerseits durchzusetzen und gleichzeitig zu kooperieren. Entsprechend ist Teamfähigkeit eine der Stärken dieser Generation. Sie brachen mit vorge­gebenen Regeln und suchten neue Werte wie Mitbestimmung, Fairness, Gleichberechtigung, auch in der Arbeitswelt. Als «Workaholics» wird ihnen eine ausgeprägte Arbeits-, Dienstleistungs- und Kundenorientierung attestiert. Nach Jahren wirtschaftlicher Stabilität erlebten sie auch Phasen des «Downsizing» und «Lean Management» – gerade in der letzten Dekade ihres Berufslebens. Dennoch haben sie ihren Optimismus bewahrt und sind nach wie vor von den unendlichen Möglichkeiten überzeugt, die ihnen die Welt bietet. Neben einer hohen Freizeitorientierung steht die Suche nach persönlicher Er­füllung und sinnvoller Tätigkeit oben auf der Werteskala.

Ihr Credo: We are the world – we are the children – wir waren immer (zu) viele!

Aktuelle Lebensphase: In der zweiten Lebenshälfte angekommen ist die zahlenmässig grösste Elterngeneration zum Teil auf dem Höhepunkt des Berufslebens, zum Teil im Übergang zum «aktiven Ruhestand». Sie wollen noch einiges in Bewegung setzen, wollen weiter gefragt sein und fühlen sich noch zu jung, um nichts mehr zu arbeiten. So planen sie weitere berufliche Aktivitäten, machen sich selbständig oder engagieren sich in Ehrenämtern.

Blinde Flecke in der Beratung: Von der Kriegskindergeneration werden sie als überheblich, masslos und risikosuchend beschrieben und als solche, die wenig Respekt vor ihrer Lebensleistung haben. Die Generation X ist aufgrund ihrer schieren Menge erschlagen von der Omnipräsenz und fühlt sich bis heute in der eigenen Karriere blockiert.

  • (2) Die Phase der Babyboomer setzte in der Schweiz etwas ­früher ein als in Deutschland.

Generation X (1965–1980): «Floppy disc(o)», «Generation Erasmus», «Die Sorglosen»

Sie sind trotz steigender Scheidungsraten und Berufstätigkeit beider Eltern noch recht behütet und in wirtschaftlicher Stabilität aufgewachsen. Mit einem sehr guten Abschluss und einigen Auslandaufenthalten in der Tasche erlebten die Älteren dieser Generation nach einem steilen Karriereeinstieg dann drohende Arbeitslosigkeit ausgelöst durch die Krise der «New Economy». Ihre Arbeitswelt ist geprägt von Liberalisierun­gen und Globalisierung der Märkte verbunden mit einem rasanten technologischen Wandel, Dezentralisierung der Strukturen und Ab­fla­chung der Hierarchien. Sie entwickelten einen selbstverständlichen Umgang mit neuen Medien und flexiblen Umgang mit informellen Strukturen. Wohlstand und finanzielle Sicherheit sind für diese Generation wichtige Werte. Bis zur späten Familiengründung zeigen sie grossen Ehrgeiz und sind bereit, vieles für ihr persönliches Vorankommen in Kauf zu nehmen. Frauen haben selbstverständlich einen Beruf, als Mütter jedoch wird die Vereinbarkeit von Karriere und Familie noch als grosse Herausforderung beschrieben. Männer dieser Generation gestalten ihre Vaterrolle anders, als sie es selbst als Sohn erlebt haben. Die optimale Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben beschäftigt sie intensiv.

Credo: Mach niemals einfach das, was dir ein Erwachsener sagt

Aktuelle Lebensphase: Sie sind mitten im Berufsleben, in Führungspositionen, gehen ins Ausland, leiten Unternehmen, sind Fach­expert/-innen und Eltern von oft noch jüngeren Kindern. So versuchen sie, ihre «3 Ks» – Karriere, Kinder und Kredite – unter einen Hut zu bringen und manövrieren sich oft in Überforderungssitua­tionen. Dies wird durch veränderte Familienrollen zwischen Mann und Frau, ein breitgefächertes Freizeitprogramm und die Abwesenheit der Grosseltern für die alltägliche Versorgung der Kinder noch verstärkt.

Blinde Flecke in der Beratung: Die Nachkriegskindergeneration hält diese Generation für lustorientiert, verwöhnt und konsum­orientiert. Hingegen halten die Babyboomer sie für unpolitische Karrieristen, Besserwisser und als ihre Konkurrenten (die an ihren Stühlen sägen). Unbewusster Neid wird zum Teil gegenüber den heutigen Chancen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office usw. empfunden.

Generation Y oder Generation Smartphone (1980–2000): «Cyberkids», «Generation@», «Digital Natives»

Die Generation Y stellt die zweitgrösste Kohorte dar. Sie sind von fürsorglichen Eltern grossgezogen worden, führen ein gut strukturiertes und äusserst viel beschäftigtes Leben, das mit Akti­vitäten und geplanten Events ausgefüllt ist. Mit diesem Elan machen sie noch den grössten Work­aholics unter den Babyboomern Konkurrenz. Sie schätzen ihre Familie und bleiben eng mit ihnen verbunden.

Kaum die ersten Worte sprechend, durften sie entscheiden, wohin es in den Urlaub geht. Sie fordern am Arbeitsplatz lautstark Aufmerksamkeit, Mitsprachemöglichkeiten und ständiges Feedback. Sie kennen nichts anderes als Wandel. Der klassische hierarchische Aufstieg in den Unternehmen übt für sie keinen besonderen Reiz mehr aus. Ein Teil von ihnen kennt die ganze Welt, der andere Teil ist Expertin ihrer Region. Sie sind oft 24 Stunden online und bewegen sich wie ein Fisch im Fluss der sozialen Netzwerke. Sie sind auf der ­Suche nach ihrer ganz persönlichen Work-Life-Balance. Wenn die Arbeit Vergnügen macht, ­arbeiten sie auch gerne rund um die Uhr. Das Thema Beruf und Karriere leben die Frauen der Generation Y auf individuelle Art, ohne sich dem Strom männlicher Mitbewerber und Verhaltensweisen anzupassen.

Credo: We are special … Wir müssen nicht mitmachen und wenn doch, dann nur zu unseren Bedingungen

Aktuelle Lebensphase: Sie sind in der Ausbildungs- und in der Einstiegsphase ins Berufs­leben, haben ein Zwischenjahr zwischen Ausbildungsabschnitten – meist im Ausland – eingeschoben und auch schon mal den Arbeitgeber gewechselt. Ein Teil von ihnen lebt noch mit der Ursprungsfamilie, der andere hat schon seine/ihre eigene Familie und geheiratet und wiederum ein anderer Teil «shared» gerade das Office, die Wohnung und ein Auto mit der Nachbarschaft.

Blinde Flecke in der Beratung: Nachkriegskinder und Babyboomer halten Y-er für flatterhafte Wesen, denen alles zur Verfügung steht, die per Facebook fremdgesteuert werden und wenig sichtbaren Hunger nach Erfolg zeigen. In ihrer Forderung nach stetiger Entwicklung und klarer Kommunikation werden sie schnell als masslos und «zu sehr von sich überzeugt» eingeschätzt, die das Ethos «erst die Arbeit und dann das Vergnügen» einfach auf den Kopf stellen.

Literatur

  • Aichinger, E. et al.: Jung & Gierig – Alt & Müde?, Facultas, 2013
  • Bohm, D.: Das offene Gespräch am Ende der Diskussion, Klett-Cotta, 1998
  • Bruch, H., Kunze, F., Boehm, S.: Generationen erfolgreich führen, Gabler, Wiesbaden, 2010
  • Copperidder, D. & Withney, D.: Appreciative Inquiry. A Positive Revolution in Change, Berrett-Koehler Pub., 2005
  • Joester, A.: Miteinander der Generationen fördern und leben, io new ­managment, 2007, S. 46–49
  • Joester, A. & Brandt, S.: Kunstfehler und/oder Chance? Eine Fall­betrachtung aus männlicher und weiblicher Perspektive. System Familie, Springer, 1993, S. 228–240
  • Joester, A. & Frey, M.: So klappt es mit der Generation Y. HR Today Online 1/2013
  • Joester, A. & Roduner, S.: Von den Babyboomern zur Generation
  • Facebook – das Miteinander der Generationen live erleben (Open Space & Dialogprozess). WDA-Forum St.Gallen, 26.8.2013
  • Joester, A. & Schwarz, H.: Generationen im Dialog – mit dem Blick zurück in die Zukunft, Heidelberg, 29.9.2006
  • Kosser, U.: Ohne uns, Dumont, 2014
  • Lancaster, L. & Stillmann, D.: When generations collide: How to solve the generational puzzle at work, HarperCollins, New York, 2002
  • Perrig-Chiello, P., Höpflinger, F., Suter, Ch.: Generationenbericht Schweiz, Beltz Verlag, Basel Weinheim, 2008
  • Swisscom Schweiz: Learning Lunches Diversity Management: Miteinander der Generationen – Dialogprozesse, 2010
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Agnes Joester ist Geschäftsführerin von vivo consulting gmbh und Partnerin von demograf.ch. Die Diplom-Psychologin begleitet Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Ein Arbeitsschwerpunkt ist die Demografieberatung in Unternehmen und Kommunen. Sie ist Dozentin an der Universität St. Gallen.

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