Interprofessionelle Führung im Spital

Duale Führung: Chance und Herausforderung

Herkömmliche, nach Berufsgruppen getrennte Führungsstrukturen in Spitalorganisationen werden mehr und mehr abgelöst durch kooperative Führungsmodelle wie die interprofessionelle (duale) Führung: Die zentralen Leistungserbringer Ärzteschaft und Pflege führen ein Behandlungsteam gemeinsam. Hierfür ist es unabdingbar, dass das Thema durch das obere Management von Gesundheitsinstitutionen strategiegeleitet angegangen wird und die Organisationsform gemeinsamer interprofessioneller Führung von Behandlungsteams durch Ärzteschaft und Pflege trotz haftpflichtrelevanter Gesetzeslage gefördert wird.

Eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit bildet in Gesundheitsinstitutionen einen Grundpfeiler optimaler Leistungserbringung am Patienten. Sowohl in der Praxis als auch in der Forschung ist der Bedarf an interprofessioneller Zusammenarbeit längst ausgewiesen. Zahlreiche Studien belegen, dass durch eine gute berufsübergreifende Zusammenarbeit die Sicherheit in Spitälern erhöht wird und Reibungsverluste  reduziert werden, was die Erreichung der Leistungsziele günstig beeinflusst. Konstruktive interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflege im Arbeitsalltag hochtouriger Arbeitssettings, wie beispielsweise in der  Akutpsychiatrie  oder auf somatischen Notfallstationen, ist u.a. das Ergebnis erfolgreicher Führungszusammenarbeit zwischen den Führungspartnern Oberarzt und Stationsleiter. Sie sind es, die eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit steuern, vorleben und moderieren.

Kulturwandel durch Schaffung von Strukturen?

Immer noch herrscht in vielen Krankenhausbetrieben  eigenes Revierdenken, d.h. die einzelnen Berufsgruppen  sind stark auf die eigene Leistungserbringung fokussiert und grenzen sich somit von einander ab, anstatt konstruktiv zusammenzuarbeiten. Dadurch kommunizieren sie ineffizient und fragmentiert. Diese Abgrenzung zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen ist kulturell gewachsen und fusst nicht zuletzt auf den gesetzlichen Rahmenbedingungen, wonach die Endverantwortung für die Behandlung der Patienten bei der Ärzteschaft und nicht bei der Pflege liegt. Interprofessionelle Führungsstrukturen können dem Revierdenken unter den Berufsgruppen entgegenwirken, indem sie die Zusammenarbeit auch auf Führungsebene vorgeben.

Ein Wandel in der Betriebskultur  von traditioneller hin zu gelebter interprofessioneller Führungsstruktur erfordert mehr als deren Abbildung in einem Organigramm. Trotzdem kann eine konstruktive Zusammenarbeit auf Führungsebene zwischen den Berufsgruppen gefördert werden, beispielsweise durch die Schaffung geeigneter Arbeits- und Informationsgefässe in Form von gemeinsamen, berufsgruppenübergreifenden Sitzungen.

In Organisationen, wie beispielsweise einer kantonalen psychiatrischen Klinik, mit eher traditionellen, nach Berufsgruppen getrennten Führungsstrukturen, kann die Einführung interprofessioneller Sitzungsstrukturen zumindest  als ein Zeichen eines Kulturwandels hin zu einer gelebten interprofessionellen Führungszusammenarbeit wahrgenommen werden.

Die tragende Rolle des Topmanagements

Eine Untersuchung an der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich im Rahmen einer Masterarbeit in Leadership und Management* hat gezeigt, dass die Förderung interprofessioneller Führungsstrukturen von den beiden Berufsgruppen Ärzteschaft und Pflege begrüsst wird. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Erkenntnis auch auf andere Gesundheitsinstitutionen übertragen lässt.

Um den Wandel in der Betriebskultur, hin zu mehr Interprofessionalität, nachhaltig implementieren zu können, ist das obere Management stark gefordert. Die Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit muss strategiegeleitet angegangen werden. Nicht nur müssen sich die Schlüsselpersonen der mittleren Führungsebene, also Oberärzte und Stationsleiter, mit der Idee gemeinsamer Führung identifizieren können, das Ideal dualer Führung muss auch durch die oberste Führungsebene aktiv eingefordert und ebenfalls vorgelebt werden. Ausserdem muss immer wieder in Ressourcen investiert werden, die die Förderung der dualen Führungsstruktur und somit auch der allgemeinen interprofessionellen Zusammenarbeit unterstützen. Gemeinsame interprofessionelle Sitzungen, aber auch interprofessionelle Vortragsveranstaltungen oder berufsgruppenübergreifende Weiterbildungen haben eine positive Auswirkung auf die Corporate Identity und verbessern somit letztlich die Erreichung der strategischen Zielsetzungen.

Schranken überwinden braucht Zeit

In der Praxis zeigt sich indes, dass ein Kulturwandel von traditionellen hin zu interprofessionellen Führungsstrukturen genügend Zeit braucht und dass der Erfolg nicht unbedingt direkt messbar ist, sondern sich vor allem an der Akzeptanz der Strukturen, wie beispielsweise interprofessioneller Führungssitzungen, ausmachen lässt. Beispielsweise wurden in Kliniken der PUK Zürich mit etablierter dualer Führungsstruktur im Vergleich mit einer Klinik der PUK mit neu implementierter interprofessioneller Führungsstruktur Unterschiede festgestellt. Während in Organisationseinheiten mit langjähriger dualer Führungsstruktur der Nutzen für die Zusammenarbeit von beiden Berufsgruppen deutlich erkannt und geschätzt wird, wird der Nutzen in der Klinik mit neu eingeführter dualer Führung noch nicht direkt gesehen, sondern trifft zuweilen auf leise Skepsis. Diese gilt es aufzunehmen,  auszuhalten und durch Aufzeigen positiver Gesichtspunkte mit der Zeit zu konsolidieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich für Gesundheitsorganisationen lohnt, den Weg hin zu mehr Interprofessionalität zu beschreiten und dem Gelingen genügend Zeit einzuräumen. Die wenigen bisher erschienenen Publikationen sowie die jüngste Untersuchung aus der PUK Zürich unterstreichen diese Aspekte.

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Der Pflegefachmann HF Daniel Mohr ist Stationsleiter einer Akutaufnahmestation an der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich. Er hat einen Masterabschluss in Leadership und Management und führt seit über zehn Jahren in verschiedenen Führungspositionen an der PUK. Interprofessionelle Zusammenarbeit und die Herausforderungen interprofessioneller Führung  begleiten ihn seit Beginn seiner Führungskarriere.

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