Work-Anywhere-Studie

Flexibles Arbeiten: Leistung wichtiger als Präsenzzeit

264 Mitarbeitende von SBB und Swisscom haben zwei Monate lang versucht, ihre Arbeit so einzurichten, dass sie möglichst wenig zu den Hauptverkehrszeiten pendelten und mehr im Home Office arbeiteten. Alexander Senn, Leiter Recruiting & Employability bei Swisscom, über die Vorteile des flexiblen Arbeitens und zufriedene Mitarbeitende.

Herr Senn, welche Ergebnisse der Work Anywhere-Studie* haben Sie überrascht?


Alexander Senn: Überraschungen gab es für mich keine. Die Resultate wiederspiegeln aus meiner Sicht die Realität. Eine Mehrheit ist gegenüber flexiblem Arbeiten positiv eingestellt. Wer es einmal ausprobiert hat, möchte nicht mehr darauf verzichten. Wichtig sind klare Absprachen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, um die individuelle Gestaltung der Arbeitszeit im Arbeitsalltag und in das Team einzubetten. 

Was macht die Swisscom nun mit den Ergebnissen?


Wir sind beim Thema Home Office schon recht weit, sehr viele Leute arbeiten bei Swisscom flexibel unterwegs oder von zu Hause aus. Manche von uns haben gar keinen festen Arbeitsplatz mehr. Unsere Haltung ist grundsätzlich: Dort, wo flexibles Arbeiten möglich ist, sollte es auch erlaubt sein. Es gibt aber auch bei uns Einzelfälle von Vorgesetzten, die noch eher kritisch gegenüber flexiblem Arbeiten eingestellt sind. Wir müssen also weiter daran arbeiten, das Vertrauen der Führungskräfte zu gewinnen und sie für die Erfolgsfaktoren zu sensibilisieren. 


Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, damit Work Anywhere funktioniert?


Vorgesetzte und Mitarbeitende müssen sich gegenseitig vertrauen. Führen auf Augenhöhe wird noch wichtiger, denn der Leistungsausweis wird immer weniger anhand der Präsenzzeit eines Mitarbeitenden gemessen. Viel wichtiger sind die Resultate, die sie oder er erreicht, unabhängig davon, wo und wann diese Resultate erzielt werden. Ganz wichtig sind zudem die technischen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen. Mitarbeitende müssen jederzeit und einfach auf die Unternehmenssysteme und -dokumente zugreifen können. Weiter braucht es das richtige Mass zwischen Präsenz und Abwesenheit, damit ein Team gut funktioniert und sich Mitarbeitende auch noch ausreichend intern vernetzen. 


Was sind die grössten Vorteile des flexiblen Arbeitens?


Wer flexibel arbeiten kann, behält seine Life Balance besser im Griff, hat beispielsweise mehr Zeit für die Familie und kann das Familienleben aktiver gestalten. Er sieht etwa die Kinder noch vor dem Zubettgehen und kann danach noch einmal in Ruhe eine Arbeit abschliessen. Wir können mit flexiblem Arbeiten grundsätzlich besser auf die jeweilige Lebenssituation des einzelnen Mitarbeitenden reagieren. Bei der Suche nach neuen Talenten ist die individuelle Gestaltung der Arbeitszeit längst ein Verkaufsargument, denn gerade die jungen Leute sind es gewohnt, von überall und auch unabhängig von festen Zeiten zu arbeiten.

Bei 43 Prozent der Studienteilnehmer stieg die Zufriedenheit mit der Verteilung der Arbeit auf unterschiedliche Arbeitsorte, bei 40 Prozent blieb sie gleich und bei 17 Prozent sank die Zufriedenheit. Wie erklären Sie sich diese Resultate?

Es waren gerade von Swisscom Studienteilnehmer darunter, die Home Office schon lange praktizieren, für sie brachte das Experiment daher nicht unbedingt eine merkliche Verbesserung. Grundsätzlich gibt es natürlich auch Leute, für die Home Office und flexibles Arbeiten weniger geeignet sind, weil sie bewusst Arbeits- und Berufsleben im Sinne ihrer Life Balance trennen. Diese waren entsprechend auch weniger zufrieden. Es ist wichtig, dass jeder für sich entscheiden kann, wo er arbeiten will, ob zu Hause oder im Büro.

Für wen eignet sich Home Office? 


Home Office eignet sich insbesondere für Mitarbeitende, die sich zu Hause nicht ablenken lassen und fokussiert Themen vorantreiben. Zudem müssen die Voraussetzungen zu Hause stimmen, das heisst man braucht ein Büro oder einen Arbeitsplatz, wo man ungestört ist. 


Gibt es auch Gefahren der Flexibilität?


Es besteht durch die ständige Erreichbarkeit die Gefahr, zu viel zu arbeiten und nicht mehr abschalten zu können. Wir müssen wieder lernen, bewusst abzuschalten und offline zu sein, auch privat, sonst droht Erschöpfung. In meiner Abteilung, die ich leite, gilt die Regel, dass Mails nur von sieben Uhr früh bis 19 Uhr abends verschickt werden dürfen. Das heisst, schreiben darf man sie, wann immer man will, terminieren tut man sie aber einfach für den Versand am nächsten Tag. Ich unterstütze so bewusst eine E-Mail-freie Zeit und sensibilisiere mein Team, sich zu erholen. Denn nur erholte und ausgeglichene Mitarbeitende sind langfristig leistungsstark und motiviert.  


Warum arbeiten nicht generell mehr Menschen von zu Hause?


In vielen Unternehmen ist diese Kultur noch nicht verankert. Manchmal fehlen auch die technischen Voraussetzungen oder die Vorgesetzten unterstützen Home Office nicht. Es gibt aber auch Leute, die nach wie vor jeden Tag gerne ins Büro kommen und bewusst Privat- und Berufsleben treffen.

Was bedeutet Work Anywhere für das HR?


Das HR muss bei der Führungskultur ansetzen und dort investieren. Zudem muss das HR schauen, wie sich das flexible Arbeiten entwickelt. Es sollte neue Möglichkeiten früh erkennen und  entsprechende Massnahmen einleiten. Auch muss das HR intern auf die IT-Abteilung einwirken und sie sensibilisieren, damit die technischen Voraussetzungen im Unternehmen gewährleistet sind.

Wie oft arbeiten Sie persönlich im Home Office oder unterwegs?


Ich pendle täglich von Luzern nach Bern oder Zürich und arbeite deshalb täglich zwei Stunden im Zug, eine Stunde am Morgen, eine am Abend. Das sind meine produktivsten Stunden, in denen ich meine Mails bearbeiten oder mich auf Meetings vorbereiten kann. Im Home Office arbeite ich selten, da ich in meiner Funktion viele Meetings vor Ort habe und auch bewusst die Nähe zu meinen Teams suche, da wir zurzeit grössere Change-Projekte angehen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich in ein bis zwei Jahren wieder regelmässiger Home Office machen werde.

*Hier gehts zur Work-Anywhere-Studie

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