Heft Nr. 10/2015: MINT-Fachkräftemangel

Grosser Bahnhof für IT-Profis

IT-Fachkräfte sind begehrte Leute: Etwa 12 000 von ihnen benötigt der Schweizer Markt jährlich. Dreimal mehr, als ausgebildet werden. Trotz brillanter Zukunftsaussichten wagen nur wenige Jugendliche den Einstieg. Um dies zu ändern, hat der Dachverband ICT Switzerland mit den «ICT Skills» jüngst eine prominent angerichtete Berufsmesse lanciert, die das Image aufpeppen soll.

Derzeit sind in der Schweiz 200 000 Menschen in der IT-Branche tätig, wovon jährlich 6000 pensioniert werden. Die Branche bildet jährlich aber nur 2400 Berufsleute aus, womit 3600 Fachkräfte fehlen. «Die Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche hat ein Imageproblem», so lautete der Befund der Branchenförderer, die sich anfangs September an der dreitägigen Berufsshow «ICT Skills» im Hauptbahnhof Zürich zu einer Charme-Offensive zusammengefunden hatten – prominent vertreten durch die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch, Swisscom-CEO Urs Schaeppi sowie IT-Unternehmer und Nationalrat Ruedi Noser.

Gemeinsam mit dem Dachverband ICT Switzerland und rund 30 Firmen sind sie angetreten, um den Bekanntheitsgrad der ICT-Berufsbilder zu fördern und Mythen zu widerlegen. Zielpublikum waren in erster Linie Jugendliche, aber auch deren Eltern, denen die Gelegenheit geboten wurde, sich vor Ort ein Bild zu verschaffen, wie unterschiedlich und breit gefächert sich die ICT-Berufsbilder präsentieren und wie wenig begründet die negativen Vorurteile sind. So kämpften etwa 85 ICT-Lernende vor Publikum um den Schweizermeistertitel oder demonstrierten, wie eine Website entsteht, eine App entwickelt oder eine komplette IT-Infrastruktur aufgebaut wird.

Warum stossen ICT-Berufe trotz hervorragender Berufsaussichten beim Nachwuchs 
auf so wenig Gegenliebe? Das ist auch für Urs Schaeppi ein Rätsel: «Mediamatiker, Applikationsdesigner oder Webdesigner sind hoch kreative Berufe», schwärmte der Swisscom-Chef, nur sei das «noch viel zu wenig bekannt». Und zwar nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei deren Eltern. Weil diese die Bandbreite der ICT-Berufe nicht kennen würden, «bevorzugen sie für ihre Kinder universitäre Titel, obwohl ICT-Berufe hervorragende Karrieremöglichkeiten bieten.»

Die Berufsshow bezweckte aber nicht nur, die Jugendlichen und deren Beeinflusser zu überzeugen. Ihr Appell richtete sich auch an die Arbeitgeber, denn auch sie müssen mitspielen, soll sich der Nachwuchsmangel nicht zu einem wirtschaftlichen Standortnachteil entwickeln. So meinte etwa Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch: «Damit Zürich nicht stehenbleibt, brauchen der Wirtschaftsstandort und die Stadtverwaltung qualifizierte Köpfe im ICT-Bereich. Unser Auftritt an der ICT Skills ist eine Investition in Zürichs Zukunft als digitale Stadt.»

Plädoyer für eine Imagekorrektur

Ursache für die Unlust der Jugendlichen, sich in einer Lehre mit IT auseinanderzusetzen, vermutet Ruedi Noser in den überholten Vorstellungen, die sich um die ICT-Berufe ranken: «Das Bild des verschrobenen IT-Menschen, der sich im Keller hinter einem Bildschirm versteckt, ist halt immer noch in den Köpfen», so der Chef der Noser Engineering AG, die sich stark in der IT-Berufsbildung engagiert. Das vorherrschende Image führe dazu, dass sich noch immer mehr Jugendliche für einen kaufmännischen Abschluss entschieden, obwohl die Berufsaussichten von ICT-Lehrabgängern inzwischen besser seien, so Noser: «Wer heute eine kaufmännische Lehre macht, hat nachher Mühe, einen Job zu finden.» Der kaufmännische Bereich habe im Gegensatz zur ICT seine Glanzzeiten hinter sich: «Was früher das KV war, ist heute die IT. Es gibt keine Branche, in der die Digitalisierung nicht stattfindet.»

Mögliche Strategien für die Nachwuchsmangelbekämpfung sieht Noser in der vermehrten Schaffung von IT-Lehrstellen, der Anstellung von Quereinsteigern, der Rekrutierung im Ausland oder schlimmstenfalls gar in der Auslagerung von IT-Stellen. Ruedi Noser plädierte deshalb für eine «duale Bildungskultur»: Lernende auszubilden sei ein Muss. «Wir können nicht behaupten, wir hätten ein duales Bildungssystem, das dann aber nur für bestimmte Branchen gilt.» Jeder, der Angestellte habe, müsse auch für seinen Nachwuchs sorgen, egal ob es sich um ein Spital, eine Kinderkrippe oder eine Autogarage handle. Ein Unternehmen, das 16-Jährige integriere, habe zudem einen dynamischeren «Groove» als eines, das nur 35-Jährige beschäftige.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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