4. Recruiting Convention, Lake Side Zürich

Innovativer Austausch unter Recruitern

Zahlreiche HR-Profis nutzten die Gelegenheit, sich an der vierten «Recruiting Convention» über aktuelle Trends und Themen in der Personalgewinnung auszutauschen. HR Today hat die Veranstaltung mit einem Blog begleitet.

140 Personalfachleute, die sich mit Rekrutierung und Personalmarketing beschäftigen, fanden sich am Dienstag im Lake Side in Zürich ein. Sechs Referenten reflektierten die aktuellsten Entwicklungen im Bereich der Personalgewinnung.

Candidate Experience bei der Swisscom

Nach der Begrüssung durch Gastgeber und Moderator Matthias Mäder, dem Geschäftsführer von Prospective, starteten Judith Oldekop und Michaela Trelle von Swisscom ihren Vortrag über die «Candidate Experience bei der Swisscom» mit einer Auflockerungsübung. Alle Teilnehmenden hatten farbige runde Blätter vor sich auf dem Tisch liegen und mussten eine Farbe auswählen und das Blatt hochhalten. Die Folge war ein buntes Bild. Genau so bunt und vielfältig sei der Reigen der Jobkandidaten bei Swisscom. Jeder Kandidat habe eine eigene Farbe, eine eigene Erwartungshaltung.

Trotzdem habe es die Swisscom geschafft, einen Standardprozess zu entwickeln. Für den Rekrutierungsprozess habe das Unternehmen drei Schwerpunkte definiert, denn man habe gemerkt, dass die Kandidaten viel mehr im Fokus stehen müssen. Das Ziel sei, dass diese die Swisscom als coolen Arbeitgeber wahrnähmen, selbst wenn sie eine Absage erhielten. Als zweiten Schwerpunkt habe man festgelegt, dass der ganze Rekrutierungsprozess unter dem Dach der Candidate Experience stehen müsse. Die dritte Erkenntnis sei der «Human Center Design Approach». Das Swisscom-HR sei das erste HR, das diesen Ansatz aus der Businesswelt ins HR übernommen habe. Das bedeute konkret , dass der ganze Rekrutierungsprozess konsequent aus der Kandidatenperspektive betrachtet werde.

Zum Abschluss kamen wieder die grossen farbigen Blätter zum Zug. Die Referentinnen forderten die Teilnehmer auf, darauf zu notieren, was ihnen wichtig sei - wenn sie Kandidaten wären. «Vielleicht können wir aus Ihrer Meinung noch etwas lernen», meinte Michaela Trelle schmunzelnd.

Ein Rückblick auf 8 Jahre Social Media Recruiting

Der zweite Referent, Hans-Christoph Kürn, seit 1986 bei der Siemens AG in verschiedensten HR-Funktionen tätig, blickte auf die vergangenen acht Jahre des Social Recruitings bei Siemens zurück. Der Referent fragt das Publikum, ob es sich erinnere, was im Jahr 2008 so passiert sei - und half den Anwesenden kurz auf die Sprünge. Lehman Brothers beantragte Insolvenz, Barack Obama wurde zum US-Präsidenten gewählt, Nicolas Sarkozy heiratete Carla Bruni, die Olympischen Spiele fanden in Peking statt - aber eben auch: Siemens trat Facebook bei.

Seither sei etwas Zeit vergangen. Das Netz und auch Social Media hätten inzwischen einen dramatischen gesellschaftlichen Wandel initiiert. Das Internet sei das Leitmedium Nummer eins geworden. Kürn erläuterte seine These, dass wir uns heute inmitten einer neuen, dritten «Industriellen Revolution» befinden, die der IT-Vernetzung. Durch die neue «Digitalwirtschaft» würden geschäftliche Traditionen und Regularien in Frage gestellt, die über Jahrzehnte funktionierten.

In (und über) sozialen Medien zu rekrutieren, sei deshalb in der heutigen personalpolitischen Diskussion ein zentraler Fokus. Ein effizientes Recruiting erfordere ein kategoriales Umdenken. Weg von der passiven Suche und vom Warten, hin zur interaktiven Individualisierung. Aus dem Recruiter solle ein proaktiver Sourcer werden - Change sei angesagt forderte Hans-Christoph Kürn. Die Richtung drehe sich - immer mehr würden die Untenehmen zu Bewerbern, die um Kandidaten aktiver und härter kämpfen müssten. Er fordert, dass die Unternehmen auf die anvisierten Zielgruppen zugehen sollen.

The Digital Impact on Recruitment

Im Referat von Marion Marxer ging es um den digitalen Impact auf das Recruitment. Zuerst führte sie aus, wie sich das Verhalten und die Einstellung der Menschen verändert hat und welchen Einfluss das auf das Recruiting hat. Sie identifizierte fünf Mega-Trends, die einen Einfluss darauf haben, wie die Leute heute denken.

Erstens sei das Bedürfnis nach menschlichen Marken entscheidend gestiegen. Einen weiteren Trend fasst sie unter dem Stichwort «Betterment» zusammen: Skills seien das neue Status-Symbol. Jeder wolle besser sein und schätze Marken, die dabei helfen, Ziele zu erreichen und den Alltag besser zu meistern. «Youniverse» sei der dritte Trend: Jeder wolle heute im Mittelpunkt stehen, selbstbestimmt handeln und Ansehen in der Community erlangen. Das «Leben im Jetzt» sei der vierte Trend. Als letzten Trend identifizierte Marion Marxer das Remapping. Neue Normen seien im Entstehen begriffen und würden bald zum Alltag.

Ihre Schlussfolgerung daraus für die HR-Menschen: Das Unternehmen als Marke müsse die Welt verbessern, humanes und ökologisches Engagement fördern, das Wissen und Können der Mitarbeiter verbessern - damit es auch die besten Mitarbeitenden gewinnen könne.

Die Zukunft von Suche und SEO

SEO-Philosoph Marcus Tandler nahm die Herausforderung in Angriff, die Anwesenden nach der Mittagspause zu reaktivieren. Mit 450 Powerpoint-Slides in 45 Minuten Redezeit. Der studierte Psychologe und Kommunikationswissenschaftler bloggt seit neun Jahren, betreibt eine Meta-Jobsuchmaschine im Netz und ist unter anderem auch Mitgründer von Onepage.org.

Zunächst ging er auf die Geschichte der Suchmaschinen ein. Beginnend mit dem ersten WebCrawler bis hin zur heute meistgenutzten Suchmaschine Google. Mit einer gesalzenen Prise Ironie und Wortwitz beschrieb er die Entwicklung der weltweit dominierenden Suchmaschine. Für Marcus Tandler ist klar, dass über Google gesprochen werden müsse, wenn man die Zukunft der Suche im Web verstehen wolle. Die marktdominierende Suchmaschine habe täglich über 5 Billionen Suchanfragen zu beantworten, führt er zur Verdeutlichung an.

Welche unglaublichen Potentiale in der mobilen Suche versteckt seien und wie Google das hauseigene Android-System dafür anpasse, erklärte er anhand von amüsanten Beispielen. So präsentierte er aktuelle Studienergebnisse, die belegen, dass Menschen ihre Mobilgeräte mittlerweile überall und jederzeit benutzen. Ein wenig befremdend, wie die Reaktion der Anwesenden vermuten liess, aber irgendwie doch nicht allzu überraschend. Man lese und staune - in der Kirche, in der Dusche - und sogar während dem Sex, wie er ernsthaft versicherte.

Für das HR bedeute das einige Veränderungen. Onlineplattformen müssten einen Weg finden, dass Ausschreibungen auf Stellenbörsen nicht obsolet würden und sollten einen zusätzlichen Wert schaffen, den Google nicht bieten kann. Die HR-Abteilung werde ihre Stellenanzeigen für Google optimieren müssen (SEO) oder sogar direkt auf Google ausschreiben. Denn warum sollten sich Stellensuchende noch auf Karriere-Seiten mühsam durchklicken, wenn Google und Co. mit einem Klick eine Stellenübersicht bieten. Das könnte aber bald Realität sein, so der Referent nach rund 445 Powerpoint-Folien - und kurz vor Ende seines Vortrages.

Mobile Recruiting – Umparken im Kopf

Das Thema Mobile scheint inzwischen überall angekommen zu sein: Sogar die Mutter von Dominik A. Hahn hat vor Kurzem WhatsApp entdeckt. Mit dieser Anekdote führte Hahn, der bei der Allianz SE für das Thema Employer Branding und eRecruiting zuständig ist, in seinen Vortrag ein. «Mobile Recruiting - Umparken im Kopf» lautete der Titel des Referats, einem Bericht aus der Praxis bei Allianz.

Hahn erklärte, wie die neue Mobile-Recruiting-Seite der Allianz funktioniere. Die Allianz habe keine App, sondern eine stinknormale mobile Website, die aber auf ziemlich allen mobilen Geräten funktioniere. Jeder Kandidat könne darauf seine Bewerbung vorbereiten, indem er ein Profil anlege, seine Arbeitserfahrung und seine Ausbildung angebe. Dass das Konzept funktioniert, untermauerte er mit Zahlen: Seit dem Go Live der Mobile Recruiting-Seite vor einem Jahr habe die Allianz 2310 mobile Bewerbungen bekommen. Die neue mobile-fähige Website der Allianz sei seit einem Jahr scharf. Doch die Umstellung sei noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Dominik A. Hahn betonte, dass dies  ein Umdenken erfordere. Umdenken müssten drei Gruppen: Nämlich die Bewerber, die Recruiter und die Hiring Manager. 99,7 Prozent der Bewerber glaubten nach wie vor, eine richtige Bewerbung brauche einen Lebenslauf und ein Anschreiben", so Hahn. Recruiter würden noch immer nach dem Post-And-Pray-Prinzip arbeiten. Die dritte Gruppe bildeten die Hiring Manager. Diese forderten auch heute noch meist alle Unterlagen eines Kandidaten an. «Es ist eine Herausforderung für die Allianz, dieses Umdenken hinzukriegen», sagte Hahn.

Podiumsdiskussion

Wohin entwickelt sich das Recruiting? Diese Frage erörterte Personalmarketing-Experte und «Blogger des Jahres» Henner Knabenreich im Gespräch mit Michel Kaufmann (JobCloud), Frank Hensgens (Indeed), Robert Beer (Xing), Peter Feldmeier (Experteer) und Philipp Bösch (Haufe-umantis) in der Podiumsdiskussion am Schluss des Anlasses.

Selbstverständlich hatten die Anwesenden danach die Gelegenheit zum professionellen Austausch. Beim Apéro und Networking war sicherlich genügend Gesprächstoff vorhanden.

Wer Lust auf noch mehr Information hat, findet die Blog-Beiträge von HR Today unter blog.prospective.ch.

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