Fachtagung betriebliche Konfliktkultur

«Konflikte sind immer noch ein Tabuthema»

Ende Oktober findet die erste Schweizerische Fachtagung zum Thema betriebliche Konfliktkultur statt. Ein Gespräch mit Nadia Dörflinger-Khashman, Vizepräsidentin der Stiftung SFINC.foundation, welche die Tagung organisiert.

Frau Dörflinger, warum braucht es die Fachtagung?

Nadia Dörflinger-Khashman: Die betriebliche Konflikt- und Kooperationskultur ist ein entscheidendes Querschnittsthema für praktisch alle Bereiche in Organisationen. Sie trägt massgeblich zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Führungskräften und Mitarbeitenden bei, zur Kohäsion in schwierigen Situationen, zum Erfolg von Change-Prozessen und von Projekten allgemein, zur Innovationskraft von Organisationen. Gleichzeitig ist das Thema «Konflikt» noch immer tabuisiert. Obschon «man weiss», dass Konflikte zum Berufsalltag dazugehören, wird die Existenz von Konflikten häufig noch mit Inkompetenz der Führungskraft oder des Teams assoziiert. Deshalb braucht es die Lancierung der Thematik «Erfolgsfaktor betriebliche Konfliktkultur», um zu sensibilisieren, zu enttabuisieren und somit auch die Aufmerksamkeit auf die Chancen und Erträge – die persönlichen und organisationalen Entwicklungsgewinne – die in Konflikten liegen, zu lenken.

Was zeichnet eine gute betriebliche Konfliktkultur aus?

Es braucht eine bewusst gestaltete Konfliktkultur, die auch gelebt wird. Erwünscht ist ein konstruktives Konfliktmanagement und Lernen aus Konflikten. Dafür müssen aber auch entsprechend Ressourcen in Form von Raum, Zeit und Finanzen zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren sind in einer guten Konfliktkultur die Prozesse und Strukturen in den Bereichen Prävention, Früherkennung, Intervention sowie Erkenntnissicherung und Lerntransfer aus Konflikten definiert, kommuniziert und geschult. Wichtig ist auch, dass klar ist, was zu tun ist in Konflikten, welche Selbsthilfemassnahmen es gibt und wo Unterstützung möglich ist. Idealerweise herrscht eine Kultur der Wertschätzung und Ressourcenorientierung. Auf persönliche Abwertungen wird verzichtet; Feedback erfolgt konstruktiv und auf das Verhalten – nicht auf die Persönlichkeit – bezogen.

Drei goldene Regeln für eine gute Konfliktkultur?

Erstens braucht es eine spürbare, authentische Haltung. Eine Konfliktkultur muss vorgelebt, gestaltet, gepflegt und weiterentwickelt werden, und zwar sowohl top-down als auch bottom-up. Zweitens sind regelmässige Schulungen nötig, und drittens Raum und Zeit für Klärung und Lernprozesse aus Problemlösungen.

Was sind die häufigsten Fehler?

Ein häufiger Fehler ist, dass die Konfliktkultur nicht bewusst gestaltet ist und es im Unternehmen keine offizielle Haltung zu diesem wichtigen Thema gibt. Oft werden Konflikte auf die lange Bank geschoben und es wird keine Zeit in die Klärung investiert. Ein weiterer Fehler ist, den Aufbau eines Konfliktmanagementsystem zu delegieren und ausschliesslich «von aussen» implementieren zu lassen statt einen eigenen (durchaus begleiteten) Transformationsprozess zu entwickeln.

Zur Person

Nadia Dörflinger-Khashman ist Ökonomin, Prozessberaterin Konfliktkultur und Konfliktmanagementsysteme, Mediatorin, Supervisorin und Lehrbeauftragte. Zudem ist sie Vizepräsidentin der Stiftung SFINC.foundation und Geschäftsführerin der SFINC.academy GmbH, der Bildunginstitution der SFINC.foundation. Nadia Dörflinger-Khashman hat verschiedene Fachpublikationen zu den Themen Konfliktmanagement, Mediation und Nachhaltigkeit von Beratungsprozessen veröffentlicht.

Was sind die häufigsten Konflikte in Unternehmen?

Oft kommt es zu Auseinandersetzungen innerhalb von Teams oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zum Beispiel in Zusammenhang mit Mitarbeiterngesprächen, wenn sich ein Mitarbeiter vom Vorgesetzten ungerecht beurteilt fühlt. Wichtig ist auch, zu erkennen, wo Konfliktpotenzial besteht, also wo ein Konflikt ausbrechen könnte.

Wo sehen Sie diese?

Es gibt zwei Typen, organisationsspezifische und Organisations-unabhängige Konfliktpotenziale. So herrschen in einem Schichtbetrieb andere – organisationsspezifische – Konfliktpotenziale als in einer Dienstleistungsunternehmung. Hingegen kann der Umstand, dass zum Beispiel jemand aus dem Team Chef dieses Teams wird, in allen Organisationstypen ein Konfliktpotenzial darstellen.Wichtig ist, dass sich Unternehmen überlegen, wo es Konfliktpotenzial gibt, um diese bezüglich ihrer Auswirkungen zu bewerten und möglichst frühzeitig anzugehen.

Was sind die Folgen einer schlechten Konfliktkultur bzw. ungelösten Konflikten?

Ungelöste Probleme können bei Mitarbeitern zu Krankheit führen, die Leistungs- und Innovationsfähigkeit nimmt ab, die Person leistet Dienst nach Vorschrift, ist demotiviert. Für die Firma entstehen möglicherweise Kosten, und Konflikte können einen negativen Einfluss auf das Arbeitgeber-Image haben. Auch die Qualität lässt nach, Wissen und Talente gehen verloren, ebenso der Zusammenhalt im Unternehmen.

Können Auseinandersetzungen auch positive Auswirkungen haben?

In vielen Konflikten liegen Entwicklungsgewinne für das Individuum und die Organisation. Der Einzelne kann sein Konfliktverhalten reflektieren, seine Konfliktkompetenzen vertiefen und neues Verständnis gewinnen für Personen, Prozesse, Strukturen. Organisationen können ihre Prozesse und Strukturen optimieren, und Konflikte können zu kreativen Lösungen und Innovationen führen. Voraussetzung ist, dass sie von Führungskräften bearbeitet und besprochen werden.

Welche Rolle kommt Führungskräften bei Konflikten zu?

Grundsätzlich steht die Führungskraft zentral in der Verantwortung. Sie muss Probleme frühzeitig ansprechen, den Klärungsprozess anschieben und involviert bleiben. Aber auch Mitarbeitende sind in der Verantwortung, mitzuwirken und zu kooperieren. Unterstützung anbieten können auch die Personalabteilung oder die betriebliche Sozialberatung.

Wie gehen Unternehmen am besten mit Querulanten und Hitzköpfen um, die sich nicht einsichtig zeigen und das Betriebsklima stören?

Grundsätzlich mal können wichtige Informationen hinter einem Verhalten stecken, das querulant erscheint (oder leidenschaftlich). Widerstand ist per se als Kommunikationsangebot zu verstehen. Gleichwohl gibt es einen Rahmen: die Organisation, Regeln, Ziele, Aufträge. Nicht alles ist verhandelbar, lösbar oder endlos besprechbar; betriebliche Konfliktkultur lebt von Klarheit – Konfliktmanagement kann auch bedeuten, dass man ein Arbeitsverhältnis auflöst.

Fachtagung betriebliche Konfliktkultur

Am 31. Oktober 2014 findet die erste Schweizerische Fachtagung zum Thema betriebliche Konfliktkultur statt. Organisiert wird der Anlass von der Stiftung SFINC.foundation (Swiss Foundation for Internal Conflict Culture).

Wann: 31. Oktober 2014, 9 Uhr
Wo: Hotel Ador, Bern
HR Today-Abonnenten zahlen 480 CHF statt 580 CHF.
Infos und Anmeldung: www.sfinc.ch

 

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