Personal Swiss 2014

Schlüsselfragen zur Einzigartigkeit

Was würde fehlen auf der Welt, wenn es mein Unternehmen nicht gäbe? So lautet eine der Schlüsselfragen, die sich Unternehmen in gesättigten Märkten stellen müssen. Wer dazu eine klare Antwort hat, ist auf dem besten Weg, ein einzigartiges Unternehmen zu führen. Marketing-Schlüsselfragen, die gerade auch fürs HR relevant sind.

Auf unseren Märkten ist das Angebot höher als die Nachfrage. Deshalb gilt: Wer als Anbieter tut, was auch die anderen tun, wird überflüssig. Wenn alle gleich sind, kauft der Kunde dort, wo er die niedrigsten Preise bekommt. Das ist das Gesetz, durch das Unternehmen ihre Rentabilität verlieren und an dem sie schliesslich zerbrechen können.

Es genügt nicht mehr, das angestammte Geschäft immer besser, schlanker und effektiver abzuwickeln. Ist die Nachfrage gering, der Konkurrenzdruck gross und haben die Kunden die bewährten Geschäftsbeziehungen früherer Jahre vergessen, ist von grundlegender Treue nicht mehr auszugehen. Erfolgreich ist zunehmend nur, wem es gelingt, sich von seinen Konkurrenten abzusetzen und sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Die wichtigste Fähigkeit, die ein Unternehmen in Zukunft haben muss, ist deshalb, einen eigenen Weg zu finden, sich zu differenzieren. Die Möglichkeiten dazu sind so vielfältig wie die Unternehmen selbst. Ein paar Schlüsselfragen können jedoch helfen, die richtigen Antworten zu finden.

Die Mitarbeiter: Gelingt es, sie für eine gemeinsame Aufgabe zu gewinnen?

Nichts prägt das Bild eines Unternehmens stärker als seine Mitarbeiter. So, wie Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern zusammenarbeiten, gehen diese mit den Kunden um. Wenn Mitarbeiter nach Regeln und Anweisungen geführt werden, werden sie diese Regeln befolgen – und kaum je einen Kunden individuell behandeln. Wenn klare Verantwortlichkeiten und Pflichten wichtig sind, werden Mitarbeiter diese erfüllen – und arbeiten, weil sie zuständig sind und nicht, um ein Problem zu lösen. Wenn wir Verkäufer mit ausgefeilten Bonus- und Provisionsplänen motivieren, werden diese auch ihre Beratung danach ausrichten und nicht nach dem Kunden.

Es liegt auf der Hand: Mitarbeiter, die nicht restlos von den Leistungen ihres Unternehmens überzeugt sind, können diese Überzeugung auch nicht auf den Kunden übertragen. Wie soll der Kellner einen teuren Wein empfehlen, wenn er nur Bier trinkt. Wie soll ein Versicherungsvertreter auch nur einen Termin bekommen, wenn er schon vorher das Gefühl hat, seine Kunden nur zu stören? Und wie soll der Maschinenverkäufer, dessen Maschine ein Drittel teurer ist als die der Konkurrenz, aber in seinen Augen auch nicht viel mehr kann, bei Preisverhandlungen hart bleiben?

Bedeutung des Konzepts der Einzigartigkeit für Human Resources

  • Wer für sein Unternehmen die passenden Mitarbeiter finden, entwickeln und halten will, braucht eine klare Vorstellung davon, was dieses Unternehmen erfolgreich und einzigartig macht.
  • Jeder Unternehmensbereich und jeder einzelne Mitarbeiter bewegen sich in ihrem Markt. Eine klare Positionierung und damit die Festlegung des Beitrags, der zu erfüllen ist, hilft, Kräfte zu konzentrieren und von anderen akzeptiert zu werden.
  • Jedem jede Leistung zu geben, schafft Unzufriedenheit und verschleisst die eigenen Kräfte. Ein Baukasten hilft, Leistungen dort umzusetzen, wo sie am meisten Wirkung erzielen.
  • Immer weniger lässt sich an der einzelnen Leistung beweisen, warum es uns braucht. Wir müssen in der Lage sein, uns als »Ganzes» verkaufen zu können.
  • Das Bild des eigenen Bereichs wird geprägt durch eine Vielzahl von Elementen. Es ist wichtig zu wissen, welches diese sind und wie sie bewusst eingesetzt werden können.
  • Inhalte sind wichtiger als Verpackungen. «Wer etwas zu sagen hat, muss nicht gut aussehen dabei». (Stan Nadolny)
  • Erfolgspositionen werden schrittweise über lange Zeit aufgebaut. Es ist wichtig, seine Fans zu pflegen und Sponsoren in Ehren zu halten.
  • Innovationen und aussergewöhnliche Leistungen haben eine Signalwirkung, die genutzt werden kann.
  • Massnahmen von heute nutzen die Massnahmen der Vergangenheit, und sie sind das Fundament der Massnahmen von morgen. Das ist Nachhaltigkeit.
  • Regeln, Pflichtenhefte und Bonussysteme neigen über die Zeit dazu, die Einzigartigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen zu zerstören. Und nichts, aber auch gar nichts, prägt das Bild eines Arbeitsbereichs stärker, als seine Mitarbeiter es tun.

Die Aufgabe: Wofür will ich zuständig sein?

Der Kunde kauft heute situativ. Wenn ihm eine Sache wichtig ist, möchte er höchste Kennerschaft beweisen, will beste Qualität und ist bereit, dafür Spitzenpreise zu zahlen. Ist eine Sache für ihn weniger wichtig, spart er, kauft Produkte und Leistungen, die für ihn zum tiefstmöglichen Preis den Grundnutzen – und nur diesen – erfüllen. Der gleiche Konsument leistet sich möglicherweise Ferien auf den Malediven, kauft sich ein teures Rennrad, einen Kaschmir-Pullover oder eine Stereoanlage für 15 000 Euro. Gleichzeitig wohnt er in einer bescheidenen Wohnung, verzichtet auf ein grösseres Auto, spart vielleicht sogar an der Qualität des Essens.

Die Konsequenzen: Die Marktsegmentierung nach Zielgruppen wird immer schwieriger. Wer sich situativ verhält, ist nur schwer mit statistischen Grössen einzufangen. An der Spitze zu stehen bedeutet, zu wissen, für welche Bedürfnissituation man zuständig ist – und für welche nicht.

Einzigartigkeit beginnt damit, dass man weiss, für welche Aufgabe oder Bedürfnis­situation ein Unternehmen zuständig ist. Einzigartigkeit ist verbunden mit der Fähigkeit, eine ganz bestimmte Aufgabe oder Problemstellung besser zu lösen, als dies sonst jemand tut. Herausragend wichtig dabei ist es, diese Aufgabe auch formulieren zu können. Das Hotel Therme in Vals ist nicht einfach ein schönes Hotel in einem ebenso schönen Tal, sondern es hat sich der Aufgabe verschrieben, den Gästen ein guter Partner zu sein, wenn sie sich für einige Tage eine Auszeit gönnen. Das sind Positionierungen, die eine klare Aufgabenstellung beschreiben. Eine Aufgabenstellung, die deutlich macht, welche Kunden zum Unternehmen passen und welche nicht und aus der sich im Sinne einer Ausrichtung sofort Rückschlüsse auf benötigte Produkte und Dienstleistungen ziehen lassen.

Die Leistung: Warum lösen wir die gewählte Aufgabe besser?

In den wenigsten Fällen beschränkt sich die Leistung eines Unternehmens auf das blosse Produkt. Mit diesem ist meist vielmehr ein ganzes Leistungspaket verbunden, das sich allerdings im Preis des einzelnen Produkts niederschlägt. Ein breites Sortiment, kompetente Beratung und schnelle Verfügbarkeit gehen ebenso in den Produktpreis ein wie die Schulung des Kunden, die Attraktivität eines Geschäfts oder geforderte Finanzierungserleichterungen. Dadurch wird der Produktpreis höher als der des Konkurrenten, der ausschliesslich seine Produkte, ohne weitere Dienstleistungen, verkauft.

Wenn es jedoch nicht mehr gelingt, die Vorteile einer Zusammenarbeit an jedem einzelnen Produkt zu belegen, genügt es auch nicht, die dazugehörigen Dienstleis­tungen aufzuzählen. Es gilt, den Kunden davon zu überzeugen, dass es besser ist, nicht ein einzelnes Produkt zu evaluieren, sondern einen Partner zu wählen, mit dem sich Geld verdienen lässt. Denn dazu sind Dienstleistungen da: Sie sparen Lagerkosten, helfen verkaufen, ermöglichen es, den eigenen Produktionsprozess schlanker und wirtschaftlicher zu gestalten. Kurz: Sie stärken die Wettbewerbskraft des Kunden. Erst damit sind sie ihr Geld wert.

Der Wert: Lässt sich mit unseren Preisen Geld verdienen?

Immer häufiger neigen auch Unternehmen mit hervorragenden Leistungen dazu, bei der Preisfestsetzung auf die Konkurrenz zu schauen. Sie vergleichen nur noch Preise, nicht mehr Qualitäten. Zunehmend lassen sich Marketingleute von Verkäufern anstecken und konzentrieren ihre Anstrengungen darauf, den Kunden offen oder versteckt mit Preisnachlässen zu ködern. Dabei geht es nicht nur um Rabatte, Tiefstpreise und Rückvergütungen – wer eine Hose, eine Pumpe oder eine neue Bohrmaschine kauft, bekommt dazu noch eine Uhr, ein Mittagessen oder ein Los für eine Südsee-Reise geschenkt. So wird der Kundschaft zu verstehen gegeben: Wenn die Leistung nichts wert ist, so kauf wenigstens auch das Zusatzprodukt.

Ein Preis ist ein Preis und keine Verhandlungsbasis. Wenn es dem Marketing nicht gelingt, Qualitäts- und Leistungsunterschiede sichtbar zu machen und die Verkäufer in ihren Verhandlungen für höhere Preise zu stärken, stimmt etwas nicht.

Die Kommunikation: Wie prägen wir das Bild unserer Kunden?

Der Konkurrenzkampf spielt sich im Kopf des Kunden ab. Seine Sicht der Dinge wird als wichtiges Element des Marketings neu entdeckt, und so schwer dies manchmal zu verstehen ist, die gleichen Leistungen können sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Natürlich prägt neben den Leistungen auch die Art und Weise, wie sie erbracht werden, unser Bild beim Kunden. Wenn es gut geht, enthält die Werbung ein Leistungsversprechen, das eingehalten werden kann, und der Verkäufer schafft Vertrauen, anstatt es zu verspielen. Immer wichtiger werden die Kontaktpunkte, durch die der Kunde mit dem Unternehmen in Berührung kommt: die Rechnung, die ihm geschickt wird; das Angebot, das genauso aussieht wie das der Konkurrenz, aber im Preis höher liegt; die Mails und die Briefe, die dem Kunden deutlicher als jeder Prospekt zeigen, ob man auf seine Anliegen eingeht und wie wertvoll er für den Absender ist. «Zwischen den Zeilen» wird in Gebrauchsanweisungen, im Briefverkehr und auf der Homepage vieles erzählt, was der Kunde wissen will. Und der Kunde interpretiert unweigerlich diese Botschaften und zieht seine Schlüsse daraus. Die meisten Unternehmen haben die Bedeutung dieser Botschaftsüberbringer erkannt, analysieren sie und beurteilen, ob sie dem Kunden wirklich das erzählen, was gewünscht ist.

Gute Leistungen sind heute meist nicht nur etwas teurer als die, die in rauen Mengen den Markt überschwemmen. Aussergewöhnlich Gutes ist deutlich teurer und manchmal sogar nur für den zwei- oder dreifach höheren Preis zu haben. Mit Recht stellt sich dabei die Frage, was der Kunde über diesen Mehrwert teurer Leistungen weiss, ob er den Nutzen erkennt, der damit verbunden ist. Wenn nicht, wer erzählt es ihm, wenn nicht das Unternehmen, das diese guten Leistungen verkaufen möchte? Es ist oft erstaunlich, wie wenig professionell Unternehmen mit herausragenden Leistungen ihre Kommunikation betreiben. Oder, noch schlimmer, sie diese ganz ihrer Agentur überlassen.

Die Nachhaltigkeit: Wie durchdacht und stimmig sind unsere Konzepte?

Nur Marketingmassnahmen, die sich im Zeitablauf gegenseitig verstärken, sind erfolgreich. Massnahmen der Gegenwart sollten die der Vergangenheit nutzen und ein Fundament für die Massnahmen der Zukunft sein. Das ist nachhaltiges Marketing: sorgfältig und durchdacht, kontinuierlich in seiner Wirkung und haushälterisch klug im Umgang mit den eingesetzten Mitteln.

Die Realität jedoch sieht häufig anders aus. Hier beginnt das Leben mit jeder Budgetperiode neu. Bedenkenlos werden Kampagnen gewechselt, Marken umgetauft, Produkte vom Markt genommen oder neu eingeführt. Ein Verkäuferwettbewerb folgt dem anderen, die Kunden werden mit einem Wust von halbfertigen Dienstleistungen zugedeckt und mit zahllosen Events geködert. Es heisst, der Schnellere fresse den Langsameren und es sei alleweil besser, sofort etwas halbwegs Richtiges zu tun, als Zeit mit der Suche nach der besten Lösung zu verschwenden. Hauptsache, es läuft etwas.

Wer Marketing so betreibt, bleibt wirkungslos. Er wird über kurz oder lang wegrationalisiert, weil er jeden verärgert, dem Produkte oder Kunden wichtig sind. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Wer schnell sein und flexibel handeln will, kann dies nur auf der Grundlage durchdachter Konzepte tun. 

Die Innovation: Wie können wir unsere Aufgaben besser lösen?

Spitzenpositionen müssen immer wieder neu besetzt werden. Dem Besten kleben die Konkurrenten an den Fersen, kopieren seine Innovationen und Produkte. Zur Führung einer Spitzenposition gehört deshalb die Fähigkeit, in einer ganz bestimmten Entwicklungsrichtung immer wieder wegweisende Leistungen auf den Markt zu bringen und durchzusetzen. Wichtig ist dabei, dass jede neue Leistung die Glaubwürdigkeit des Unternehmens sichtbar macht und in den Augen der Kunden und der eigenen Mitarbeiter die Stärken der eigenen Leistung zum Ausdruck bringt.

Die Marktforschung: Brauchen wir sie wirklich?

«Gib dem Kunden, was er will – und zwar sofort», fordern Marketingleute. Sie fragen jeden, was ihm sonst noch helfen könnte, verzetteln sich, entwickeln eine Flut von Produktvarianten und Dienstleis­tungen, die am Schluss doch niemand kauft.

Die meisten Kunden wissen nicht so genau, was sie brauchen. Nach bestem Wissen teilen sie zwar mit, was sie sich vorstellen – aber das ist selten die Leistung, die auch ihre Probleme löst. Hier lohnt es sich, strikt zu trennen zwischen dem Problem des Kunden und dem Angebot, das es löst. Die Probleme und Schwierigkeiten der Kunden kann man erfragen, sehen, herausfinden – für die Lösung ist der Leistungserbringer zuständig. Er hat die Kompetenz und das Know-how und nur er kann entscheiden, welche Leistungen er anbieten und wovon er besser die Finger lassen sollte. Denn gemessen werden seine Leistungen nur an ihrer Fähigkeit, die Probleme des Kunden zu lösen, ganz unabhängig davon, welche Leistungen von welchen Kunden vorgeschlagen worden sind.

Viel wichtiger als Marktforschung sind erfahrungsgemäss regelmässige Gespräche der Führungskräfte mit Kunden, vorzugsweise mit denen, die zu den Kennern gehören. Zwar lassen sich daraus keine Erkenntnisse gewinnen, die mit genauen Prozentzahlen belegt werden können – dafür aber übermittelt der Kunde im Gespräch die Wichtigkeit eines Problems. Es wird ein Problemerlebnis geschaffen und Suchspannung aufgebaut, die letztendlich die Grundlage jeder Verbesserung darstellen. Jetzt erst sollte man über Marktforschung reden.

Zusammenfassung: Marketing wandelt sich

Das Marketing, wie es in den letzten Jahren in vielen Unternehmen betrieben wurde, stirbt. Die Zeit der Checklisten, der sicheren Rezepte und Regeln, der richtigen Antworten und ausgefeilten Methoden geht zu Ende. Glücklicherweise, denn damit rutscht das Marketing aus der Hand der Experten in die Verantwortung derer, die zu verstehen suchen, die neugierig sind, mehr fragen als wissen und verzaubert sind von der Aufgabe, die sie erfüllen. Und bereit sind, einen eigenen Weg zu gehen.

Otto Belz live

An der Personal Swiss referiert Otto Belz als Keynote-Speaker zum Thema «Der Weg zur Einzigartigkeit: Es gibt viele Wege zum Erfolg, einzigartig müssen sie alle sein.»
Dienstag, 8. April, 16:50 – 17.20 Uhr, Forum 4 – Halle 6

 

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Text: Otto Belz

Otto Belz ist Geschäftsführer der perSens AG, St. Gallen. Der Veranstalter der Schweizer Marketing- und Verkaufsleitertagung, Interlaken und Ermatingen, ist zudem Redaktor und Herausgeber des «index», Zeitschrift für Management mit gesundem Menschenverstand. www.persens.com

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