Heft 6/2015: Arbeit und Recht

Schwanger? Das Kleingedruckte

Die Freude über die bevorstehende Geburt eines Kindes ist gross. Oft aber auch die Ungewissheit in Bezug auf den Arbeitsplatz und insbesondere darüber, wie und wann das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden kann.

Klar ist, dass die Mitarbeiterin während der Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Geburt einen Kündigungsschutz geniesst. Während dieser Zeit gilt nämlich die Sperrfrist nach Art. 336c I lit. c OR, wonach der Arbeitgeber in dieser Zeit keine rechtsgültige Kündigung aussprechen kann. Die Mitarbeiterin aber darf in dieser Zeit kündigen, tut es aber aus versicherungstechnischen Überlegungen nur selten. Arbeitgeber und Arbeitnehmerin sollten schon vor der Geburt klären, ob und unter welchen Voraussetzungen das Arbeitsverhältnis nach dem Mutterschaftsurlaub fortgeführt werden soll.

Sperrfrist unabhängig von Arbeitsfähigkeit

Die Sperrfrist bei Schwangerschaft und Mutterschaft gilt unabhängig davon, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht. Rein die Tatsache, dass eine Mitarbeiterin schwanger ist, löst eine Sperrfrist aus. Dies im Übrigen auch dann, wenn die Mitarbeiterin die Schwangerschaft noch nicht bekannt gegeben hat, oder selbst dann, wenn sie von der Schwangerschaft selber noch gar nichts weiss. Für die Sperrfristenberechnung massgeblicher Zeitpunkt der Schwangerschaft ist der Zeitpunkt der Empfängnis. Aus medizinischer Sicht wird in der Regel der Beginn der Schwangerschaft auf den ersten Tag der letzten Menstruation festgelegt. Dies kann zur Folge haben, dass eine bereits ausgesprochene Kündigung dennoch allenfalls gültig ist, auch wenn gemäss ärztlichem Attest dann bereits eine Schwangerschaft bestand.

Lohn während der Schwangerschaft

Lohnanspruch hat die Mitarbeiterin während der Schwangerschaft dann, wenn sie entweder arbeitet, oder wenn sie gemäss medizinischer Beurteilung arbeitsunfähig ist. Ob und wie lange eine schwangere Mitarbeiterin noch arbeitet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Grundsätzlich besteht die Arbeitspflicht bis zur Geburt, erst dann besteht gemäss Gesetz ein Arbeitsverbot. Nun ist es aber in der Praxis oft so, dass eine Mitarbeiterin schon vor der Geburt ein Arztzeugnis vorlegt, wonach sie ganz oder teilweise arbeitsunfähig ist. Es greift die Lohnfortzahlung gemäss Arbeitsvertrag oder schliesslich gemäss Obligationenrecht, sofern keine Regelung getroffen wurde. In den meisten Fällen besteht überdies eine Krankentaggeldversicherung, die auch bei Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft Taggeldleistungen erbringt.

Drei verschiedene Fristen

Etwas verwirrend ist die gesetzliche Basis bei Schwangerschaft und Mutterschaft deshalb, weil für ein und denselben Sachverhalt verschiedene Fristen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen gelten. So ist es zunächst der Mitarbeiterin verboten, während acht Wochen nach der Geburt zu arbeiten. Selbst wenn sie wollte, darf sie von Gesetzes wegen nicht arbeiten (Art. 35a IV ArG). Zwischen der 9. und der 16. Woche nach der Geburt darf die Mitarbeiterin wieder arbeiten, sie kann aber die Arbeit auch verweigern, da sie in dieser Zeit nur mit ihrer Zustimmung arbeiten darf. Lohn respektive Mutterschaftsentschädigung erhält die Mitarbeiterin von Gesetzes wegen aber nur 14 Wochen lang nach der Geburt. Der bezahlte Mutterschaftsurlaub beträgt also generell 14 Wochen. Viele Unternehmen regeln dies aber in ihren Anstellungsbedingungen abweichend und so trifft man oft die Regelung an, dass die Lohnfortzahlung während den gesamten 16 Wochen erfolgt – wenngleich allenfalls zum reduzierten Ansatz von 80 Prozent des Lohnes. Damit wird dann eine Vereinheitlichung der verschiedenen Fristen vorgenommen. Oft ist den Mitarbeiterinnen aber gar nicht bewusst, dass der Arbeitgeber länger und/oder mehr Lohn bezahlt, als dies von Gesetzes wegen vorgesehen ist.

Mutterschaftsentschädigung

Die Mutterschaftsentschädigung steht grundsätzlich der Mitarbeiterin direkt zu. In der Praxis läuft es aber regelmässig so, dass der Arbeitgeber den Lohn weiter bezahlt und die Mutterschaftsentschädigung dem Arbeitgeber ausbezahlt wird. Nur die Mutterschaft durch Geburt löst einen Anspruch aus, Mutterschaft durch Adoption dagegen nicht. Verschiedene Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Mutterschaftsentschädigung ausbezahlt wird. Eine zentrale Grundvoraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt der Geburt ein Arbeitsverhältnis besteht. Es ist daher nicht ratsam, das Arbeitsverhältnis vor der Niederkunft aufzulösen, da die Mitarbeiterin damit keinen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung besitzt.

Die Dauer der Mutterschaftsentschädigung beträgt 14 Wochen, respektive 98 Tage und besteht nur, solange die Mitarbeiterin nicht wieder arbeitet. Nimmt nämlich die Mitarbeiterin ihre Arbeit nach den ersten acht Wochen des Arbeitsverbots wieder auf, besteht kein Mutterschaftsentschädigungsanspruch mehr, da ja für diese Zeit Lohn bezahlt wird. Praktisch hat dieser Umstand logischerweise zur Folge, dass mindestens bis zum Ablauf der 14 Wochen der Mutterschaftsentschädigung wohl nur äusserst selten eine Mitarbeiterin die Arbeit wieder aufnimmt. Wohl nur in den beiden Extremfällen, in denen einerseits die 80 Prozent der Mutterschaftsentschädigung für den Lebensunterhalt nicht reichen und die Mitarbeiterin angewiesen ist, 100 Prozent Lohn zu erhalten, oder andererseits in den Topkaderstellen, bei denen die gesetzliche Mutterschaftsentschädigung kein Kriterium für die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit ist.

Vertragsauflösung während Sperrfrist

Während der Sperrfrist kann das Arbeitsverhältnis mittels Kündigung nur von der Mitarbeiterin aufgelöst werden. Auch wenn ihr klar ist, dass sie nach der Geburt nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren möchte, wird sie nur selten eine Kündigung aussprechen. Sind aber Arbeitgeber und Arbeitnehmerin in der Lage, vor der Geburt und einvernehmlich zu klären, dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird (oder auch verändert wird zum Beispiel hinsichtlich Pensum), kann dies mit einer Aufhebungsvereinbarung auch während der Sperrfrist erfolgen. Allerdings darf das Motiv des Aufhebungsvertrags nicht in der Umgehung des Sperrfristenschutzes liegen. Der Vorteil des Aufhebungsvertrags liegt für beide Parteien darin, dass der Zeitpunkt gemeinsam bestimmt werden kann. Frühester Zeitpunkt ist jener der Geburt, der so beschrieben werden kann, ohne dass ein Datum genannt werden muss (das man ja noch nicht wirklich kennt).

Die Aufhebung kann auch per einem Monatsende, beispielsweise auf das Ende des Monats, in welchem die Geburt sich ereignet, oder auf den Ablauf des Mutterschaftsurlaubs definiert werden. Die Austrittsmodalitäten können im Aufhebungsvertrag frei miteinander vereinbart werden und so kann ein Arbeitgeber auf den individuellen Fall eingehen. Ein frühzeitiges erstes Gespräch, in dem der Arbeitgeber aufzeigt, was denn die bevorstehende Mutterschaft für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für Konsequenzen hat und wie dieses allenfalls auch aufgelöst werden kann, ermöglicht für beide Parteien eine gute einvernehmliche Lösung zu finden
 

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Brigitte Kraus ist ­Inhaberin der Agentur konzis. Sie ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin und begleitet Unternehmen in Ver­änderungssituationen, ­insbesondere bei Betriebsübernahme, Neuausrichtung, Personal­massnahmen sowie bei der Gesprächsführung und Verhandlung mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer­vertretungen.

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