HR-Trends 2014

Trends, die nicht nur 
übersommern werden

Das Personalwesen sieht sich mit tiefgreifenden wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Strömungen konfrontiert, welche die HR-Arbeit beeinflussen. HR Today hat verschiedene Trend-Quellen gesichtet und sich über die aktuellen Tendenzen einen Überblick verschafft.

Existiert die HR-Abteilung im Jahr 2020 noch? 
Unter dieser nicht ganz unprovokativen Fragestellung lud die Zürcher Gesellschaft für Personal-Management anfangs März zu einem Abendforum. Die These: Durch die fortschreitende Digitalisierung werden nicht nur ganze Geschäftsmodelle, sondern auch das klassische HR in Frage gestellt.

Rationalisierung

«Angesichts des radikalen Wandels, den wir in der Demografie und Technologie erleben, wird es nicht ausreichen die bestehenden Methoden auf die neuen Trends im Personalwesen  anzuwenden», so das Résumé der jüngst erschienenen Studie «Global Human Capital Trends 2014» der Beratungsgesellschaft Deloitte, an der weltweit 2500 Führungskräfte und Personalverantwortliche teilnahmen.

Von einem «tiefgreifenden Wandel der HR-Funktion» spricht auch der neuste «HR Service Delivery Survey 2013» der Unternehmensberatung Towers Watson, die jährlich weltweit über 1000 Unternehmen in 32 Ländern befragt. Demnach planen hinsichtlich 2014 in den deutschsprachigen DACH-Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz fast 50 Prozent aller befragten Unternehmen eine Umstrukturierung ihrer HR-Funktionen. Und auch die kleine, aber feine und höchst lesenswerte «HRM Trendstudie 2013» aus der «Wissensfabrik» des jungen Schweizer Soziologen Dr. Joël Cachelin stützt den genannten Befund. Zwar sei derzeit kein eindeutiger Trend für die künftige Stellung der Personalabteilung erkennbar. Weil aber eine Mehrheit der rund 130 durch ihn befragten Unternehmen einen «Stillstand» oder einen «Rückgang der Personalabteilung» konstatieren, scheine es «logisch, dass sich die Personalabteilung stärken muss, will sie nicht von anderen Abteilungen unter Druck geraten».

Druck heisse nicht nur, dass den Personalabteilungen Aufgaben streitig gemacht, sondern auch keine neuen – wertschöpfenden – Aufgaben zugetraut werden. Mit anderen Worten: Die HR-Abteilungen dürften in Zukunft tendenziell quantitativ eher schrumpfen.
Die Rationalisierung von HR-Prozessen ist ein Thema, das seit der ersten Durchführung der jährlich wiederholten Studie von Towers Watson vor 15 Jahren noch nie so oft genannt wurde wie in der aktuellen Befragung. Von den anstehenden Umstrukturierungen ihrer Personalabteilungen wollen die Unternehmen vor allem Effizienzsteigerungen erreichen. Als Vorbild für die Umstrukturierung und den Neuaufbau der HR-Funktion wird gemäss Studie von den meisten Unternehmen nach wie vor das Ende der 90er-Jahre lancierte «Dave-Ulrich-Modell» genannt, also die Organisation einer HR-Unternehmenseinheit in Kompetenzzentren, Business Partner und einer Shared-Services-Umgebung.

HR-relevante Impacts im Zeitspiegel

70er-Jahre:

Personalarbeit wird von einer vorwiegend administrativen Funktion durch den Anspruch auf Mitsprache bei den Personalkosten zunehmend betriebswirtschaftlicher definiert. Erste «Text-Computer» halten Einzug: Floppy Disks vermögen 130 DIN-A4-Seiten zu speichern. 
Im deutschsprachigen Raum 
erscheint der amerikanisch 
geprägte Begriff «Assessment Center» – nur einer von vielen Anglizismen, die künftig das Personalwesen bzw. «Human Resources» (sic!) prägen werden.

80er-Jahre:

Das PC-Zeitalter bricht an. 
1986 lanciert SAP die HR-Software «Realtime Personalwirtschaft». Damit wird auch der Datenschutz zum Thema. Das «Benefit Cafeteria»-Vergütungsmodell kommt auf, womit durch individuell wählbare Lohnbestandteile die Mitarbeitermotivation gesteigert werden soll. 
Die ehemaligen McKinsey-Berater Tom Peters und Robert H. Waterman untersuchen grosse US-amerikanische Firmen und stellen 
ihre Ergebnisse 1982 in dem viel beachteten Werk «In Search of Excellence» vor. Die 80er-Jahre markieren in der Schweiz zudem auch den Startpunkt des Temporärarbeit-Booms.

90er-Jahre:

Die erste Dekade nach Ende des Kalten Krieges wird durch die beschleunigte Globalisierung und Rationalisierung geprägt. Henry Johansson lanciert den Begriff «Business Process Re-engineering», womit man bei Kennzahlen wie Kosten, Qualität, Service und Durchlaufzeit «dramatische Verbesserungen» erreichen will. Damit tritt auch der betriebswirtschaftliche Wertschöpfungsbeitrag des HR zunehmend ins Zentrum. 
Ende der 90er-Jahre erlebt 
Dave Ulrichs «Business Partner Modell» seinen Durchbruch. 
Mit dem Internet beginnt die digitale Revolution, welche 
auch das HR prägen wird.

2000er-Jahre:

Nach dem Millennium-Boom im IT-Bereich konsolidieren sich die Internet-Geschäftsmodelle. Online-Jobbörsen graben den Print-Stellenanzeigern das Wasser ab. Die Begriffe «Burnout» und «Talent Management» sind in aller Munde. Erste Anzeichen des Fachkräftemangels werden identifiziert. Mit der Popularisierung von sozialen 
Online-Netzwerken wie Facebook, Xing und LinkedIn halten Ende der Dekade Begriffe wie «Social Web 2.0» Einzug. 
Ebenso etabliert sich «Employer Branding» als neue HR-Disziplin.

Somit dürfte dieses Modell für grössere Organisationen, die sich ganze HR-Abteilungen beziehungsweise -Teams leisten können, bis auf weiteres «state of the art» bleiben. Wobei für mittlere und kleinere Organisationen noch weitgehend adäquate Modelle fehlen.

Frank Dievernich, Professor für Organisation, Führung und Personal an der Hochschule Luzern, möchte dies ändern, indem er ein Modell namens «HR-Events» proklamiert. Damit könnte er durchaus einen Nerv der Schweizer KMU-Wirtschaftsszene treffen: So schweben ihm massgeschneiderte und zeitlich begrenzte HR-Interventionen auf temporärer Basis vor – eben sogenannte «HR-Events». Für HR-Professionals könnte sich damit ein durchaus interessantes Tätigkeitsfeld eröffnen.

Die Westschweizer Temporärfirma Interiman Group – die Nummer 5 der Schweiz – baut zurzeit jedenfalls genau für diesen Zweck unter dem Namen «Humanys Solutions» einen neuen vertikalen Geschäftsbereich auf. Dieser soll sich auf die Vermittlung von Führungskräften im HR-Bereich spezialisieren «für Firmen mit bis zu 60 Mitarbeitenden, welche über kein professionelles HR verfügen, aber fallweise professionelle Unterstützung gebrauchen können», wie CEO Robin Gordon Ende 2013 anlässlich eines HR-Today-Roundtables erklärte.

Digitalisierung

Rationalisieren heisst auch Digitalisieren. Bei der Unterstützung der Personalarbeit durch fachspezifische IT-Systeme nehmen gemäss Towers Watson die DACH-Länder eine Vorreiterrolle ein: 56 Prozent nutzen demnach sogenannte «Manager-Self-Service-Systeme», bei denen die Führungskräfte aus der Linie Verantwortung für die Aktualität und Richtigkeit HR-relevanter Daten übernehmen und damit das HR entlasten. Im EMEA-Raum (Europe, Middle East, Africa) liegt dieser Wert gerade mal bei 36 Prozent. So oder so: Die Digitalisierung der HR-Prozesse dürfte die zukünftige Rolle der HR-Arbeit sehr stark prägen und verändern. Das HR sollte sich deshalb proaktiv mit den neuen Technologien auseinandersetzen, deren Möglichkeiten erkennen und in die strategischen Überlegungen mit einbeziehen.

Demografie

Ein unbestrittener und wohl unbestreitbarer Megatrend beschreibt zurzeit die demografische Entwicklung, die gerade einen historischen Wendepunkt erreicht: Aktuell verlassen in West
europa zum ersten Mal mehr Menschen das Erwerbsleben als neue Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt eintreten. Für das Personalwesen bedeutet der damit einhergehende Fachkräftemangel naturgemäss eine grosse Herausforderung. Nicht nur bei der Gewinnung junger Fachkräfte sind neue Ideen gefragt.

Bei einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird es auch immer wichtiger, das vorhandene Humankapital zu pflegen. Da die Belegschaft von Unternehmen im Durchschnitt immer älter wird, ist es unverzichtbar, dass die Organisationen lernen, das Potenzial ihrer älteren Arbeitnehmer besser zu nutzen und diese optimaler in den Produktionsprozess einzugliedern.

Ausserdem dürfte die sinkende Zahl der Erwerbspersonen auch zu einer intensivierten Umwerbung von gut ausgebildeten Frauen und junger Mütter führen, die durch attraktive Wiedereinstiegsmöglichkeiten gewonnen werden können. Ein Effekt, der sich noch akzentuieren wird, wenn die Schweizer Zuwanderungspolitik weiter gedrosselt werden sollte.

Herausforderungen bleiben

Laut den Befragten der eingangs zitierten Deloitte-Studie betrachten Schweizer Unternehmen (im Einklang mit den globalen Trends) die Förderung der Führungskräfte als grösste Herausforderung. Doch obwohl mehr als drei Viertel der Befragten in der Schweiz der Meinung sind, dass die Führungskräfte die grösste Priorität darstellen, sehen sich lediglich 46 Prozent in der Lage, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Und während international als zweitwichtigste Herausforderung die Mitarbeiterbindung genannt wird, stehen bei den Schweizer Studienteilnehmern die Beschaffung sowie der Zugang zu qualifiziertem Personal an zweiter Stelle. An dritter Position der wichtigsten Herausforderungen, mit denen sich die Personalabteilungen in der Schweiz gemäss Studie heute konfrontiert sehen, steht für mehr als die Hälfte der Befragten der Bereich der Technologie. Unternehmen betrachten den Technologiefaktor innerhalb ihrer Personalstrategie somit zunehmend als ausschlaggebend.

Angesichts der reichhaltigen Herausforderungen, mit denen sich das HR zurzeit konfrontiert sieht, dürfte die eingangs gestellte Frage, ob es die HR-Abteilung 2020 noch geben wird, wohl getrost mit Nein beantwortet werden.
Voraussetzung dafür ist freilich, dass «die Hausaufgaben gemacht werden», wie der Praktiker Jörg Buckmann, Leiter Personalmanagement der Verkehrsbetriebe Zürich, erfrischend lapidar den «Uralttrend» auf den Punkt bringt: «Man muss es einfach machen und nicht nur darüber schwatzen.»

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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