Imagepflege

Versicherungsbranche kämpft gegen Fachkräftemangel

In der Versicherungsbranche zeichnet sich ein Fachkräftemangel ab. Das Ja zur Zuwanderungsinitiative macht die Ausgangslage nicht einfacher. Trotzdem bleiben die Versicherer gelassen. Sie setzen vorerst auf Imagepflege – und wollen so das Image der «Klinkenputzer» und «grauen Maus» loswerden.

Bern (sda). Der Tessiner Tancredi Tommasina ist auf dem Arbeitsmarkt ein gefragter Mann. Er ist Mathematiker. Vor ein paar Wochen wechselte der 43-Jährige von einem Beratungsunternehmen zu Swiss Life als Chief Risk Officer und Leiter Aktuariat Schweiz – ein Angebot, das ihn inhaltlich überzeugt hat. Das Unternehmen kannte er bereits. Nach dem Studium an der ETH hat er seine Karriere hier begonnen und blieb damals sieben Jahre. «Für mich war die Versicherungsbranche von Anfang an interessant. Sie bietet ein breites Spektrum von Möglichkeiten», sagt er.

Das sehen nicht alle so. «Für Berufsgruppen ausserhalb des Versicherungsgeschäfts ist die Versicherungsbranche noch immer nicht besonders attraktiv, obwohl unsere Branche in verschiedensten Berufsfeldern interessante Entwicklungsmöglichkeiten bietet», sagt etwa Hansjörg Ryser, Sprecher des Versicherers Helvetia. «Zu unrecht besteht noch immer das Image der Klinkenputzer und grauen Maus. Trotz der Krisen und Negativ-Presse gelten Banken dagegen als attraktiverer Arbeitsplatz», so Hansjörg Ryser.

Engpass kommt

Der Branche fehlen auch darum vor allem die Experten – Versicherungsmathematiker zum Beispiel, Berater, aber auch Sachbearbeiter, Ärzte, Rechtsanwälte. Der Versicherungsverband SVV hat im Januar 1240 offenen Stellen gezählt. Rund 2 Prozent offene Stellen im Verhältnis zur Anzahl der Mitarbeitenden einer Branche seien zwar nicht aussergewöhnlich, so Sabine Alder, Sprecherin des SVV. «Im Moment haben wir noch genügend Fachkräfte, aber wir werden einen Engpass haben. Eine wesentlicher Grund dafür ist der demografische Wandel: Die Babyboomer gehen in Pension, Nachwuchs fehlt», so Sabine Alder. Swiss Life ortet die Ursache darin, «dass der Bedarf an Fachspezialisten in den letzten Jahren zugenommen hat und gleichzeitig in einzelnen Berufen und Studienrichtungen in der Schweiz zu wenig Fachkräfte ausgebildet werden», sagt Sprecher Simon Zogg.

Auch die Konjunkturforschungsstelle BAK Basel warnt in einem Branchenbericht vom vergangenen Juni: «Die in den letzten zehn Jahren gesunkene Zahl der Lernenden im Versicherungsgewerbe zeigt einen Trend, den es umzukehren gilt.»

Rückschritt

Gemäss Sabine Alder könnte das Ja zur Zuwanderungsinitiative die Lage verschärfen. «Die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Fachkräften ist für Versicherungsunternehmen einer der Hauptgründe, sich in der Schweiz niederzulassen. Die Wiedereinführung von Kontingenten, um die Einwanderung zu regeln, ist ein Rückschritt und wirkt sich auf die Standortattraktivität des Versicherungsplatzes Schweiz aus», sagt sie. «Kommt es zu einem langandauernden Engpass, wird sich die Konkurrenz um die Fachkräfte zwischen den Unternehmen und auch zwischen den Branchen verschärfen. Allenfalls müssen Leistungen, die wegen mangelnder Arbeitskräfte nicht mehr angeboten werden können, extern eingekauft werden, unter Umständen im Ausland. Für die Versicherten sehen wir aber keine unmittelbaren Auswirkungen.»

Gemäss den Forschern des BAK Basel ist die Pflege der Standortattraktivität für Privatpersonen in Zeiten des sich abzeichnenden Mangels wichtig, ebenso die Aus- und Weiterbildung des Personals. Die Versicherer haben dies bereits erkannt.

Personal fördern

«Wir fördern interne Wechsel nach oben und seitwärts. Wir haben dazu bereits vor Jahren das Programm 'Change your job, not your employer' geschaffen», sagt beispielsweise Frank Keidel von der Zurich Insurance Group.

Auch andere Versicherer haben Karriereprogramme und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Teilzeitarbeitsmodelle etabliert, um die Arbeitnehmer bei Laune zu halten. Die beste Massnahme, dem Fachkräftemangel vorzubeugen, sei jene, das Fachpersonal gar nicht erst zu verlieren, sagen sie.

Damit auch Quer- und Wiedereinsteiger den Weg in die Branche finden, arbeitet der Branchenverband SVV eng mit Bildungsinstitutionen zusammen. So wurde gemeinsam mit der Hochschule Zürich ZHAW ein Zertifikatslehrgang CAS entwickelt. Zudem würde das Angebot im Bereich Risk and Insurance laufend weiterentwickelt.

Gerade Umschulungen von älteren Mitarbeitern könnte sich als Chance erweisen, sagen Experten. Zurich-Sprecher Keidel etwa sagt, dass «die höhere Lebenserfahrung in einem Umfeld, in dem auch die Kunden älter werden, durchaus von Vorteil sein kann».

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
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