HR-Consulting

Von der Beraterin zur HR-Chefin und umgekehrt

Simone Lazarus und Alexander Brochier haben die Seiten gewechselt: Sie war zuerst als Beraterin tätig, nun ist sie HR-Chefin bei Nationale Suisse. Er war HR-Chef bei Kuoni und führt nun sein eigenes HR-Beratungsunternehmen.

Simone Lazarus führt seit rund einem Jahr die Bereiche ­Management Development und Personalentwicklung bei ­Nationale Suisse. Davor war sie während einiger Jahre auf der «anderen Seite» als Beraterin bei Promerit tätig.

Frau Lazarus – weshalb der Wechsel ins interne HR?

Simone Lazarus: Die hohe Reisetätigkeit – oft verbunden mit kurzfristiger Planung – war für mich als Mutter von zwei kleinen Kindern immer schwieriger zu bewältigen. Ausserdem wollte ich gerne Themen wieder «end-to-end» begleiten und mehr an der Umsetzung beteiligt sein. Auch habe ich mich darauf gefreut, wieder Teil eines grösseren Unternehmens zu sein und eine definierte interne Kundengruppe nachhaltig betreuen und beraten zu können.

Welche Herausforderungen bringt so ein Wechsel mit sich?

Es war eine Umstellung, mich wieder an die Struktur eines Tagesgeschäfts und die Büropräsenz zu gewöhnen. Der Wechsel in ein neues Land, in eine neue Branche und die Integration in eine neue Unternehmenskultur erfordert viel Energie, ist aber auch besonders spannend und bereichernd. Mein derzeitiges Aufgabengebiet erachte ich zudem als enorm vielfältig. In keiner bisherigen Funktion hatte ich das Gefühl, so viel gestalten und bewegen zu können wie bei Nationale Suisse.

Welches sind die neuen «Freuden und Leiden»?

In meiner aktuellen Funktion als Führungskraft bin ich viel enger getaktet und manage viel mehr Themen parallel. In der Beratung konnte ich mich manchmal tagelang intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, recherchieren oder an Konzepten und Visualisierungen arbeiten. Heute ist mein Arbeitsalltag nicht mehr ausschliesslich durch Projektarbeit geprägt, sondern auch durch viele, kurz aufeinander folgende Termine, schnelle Entscheidungen und das zügige Abarbeiten von operativen Aufgaben. Meine Ansprechpartner sind meist vor Ort, ich kann sie persönlich treffen und muss nicht zuerst lange reisen oder über virtuelle Medien kommunizieren. Das empfinde ich als Erleichterung.

Welche Netzwerke sind auch heute hilfreich?

Ich nutze heute noch Kontakte aus allen meinen beruflichen Stationen. Es ist ein Geben und Nehmen, frei nach dem Motto: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Oft ist nicht absehbar, wie sich ein Kontakt entwickelt, wenn man jemanden kennenlernt. Ein grosses und gutes, professionelles Netzwerk stellt bei einer berufserfahrenen Person unbestritten einen Mehrwert für den Arbeitgeber dar. Heute hilft es mir bei Verhandlungen mit externen Dienstleistern zu wissen, wie Berater Kundenprojekte planen und kalkulieren.

Wem würden Sie einen Seitenwechsel emp­fehlen?

Ein Wechsel vom Unternehmen in die Beratung funktioniert am besten zu einem sehr frühen Zeitpunkt der beruflichen Laufbahn. Oder sehr spät, wenn man von Netzwerk und Managementerfahrungen profitieren kann. Aber auch, wenn man aus den Strukturen eines Unternehmens heraus in ein flexibleres und selbstbestimmteres Arbeiten übergehen möchte. Man kann in jeder Phase erfolgreich von einer Beratung in ein Unternehmen wechseln, wenn man sich auf die andere Art der Arbeit und die jeweilige Unternehmenskultur einstellen kann und will.

Welche Rolle hat der finanzielle Aspekt gespielt?   

Der hat eine wichtige, aber nicht die einzig ausschlaggebende Rolle gespielt. Für mich ist entscheidend, dass ich Freude habe an dem, was ich tue und dass ich mich persönlich wie fachlich weiterentwickeln kann. Daher versuche ich bei jedem beruflichen Schritt, meinen Horizont hinsichtlich Erfahrung und Know-how zu erweitern und zu ergänzen. Bei Nationale Suisse waren für mich – neben einer tollen Unternehmenskultur – die Rahmenbedingungen sehr attraktiv. Zum Beispiel der Arbeitsplatz am Wohnort oder die Chance, in einem 80-Prozent-Pensum als Führungsperson arbeiten zu können.

Was müsste passieren, damit Sie wieder als Bera­terin arbeiten?

Das kann ich mir momentan nur schwer vorstellen. Vielleicht komme ich irgendwann an den Punkt, an dem ich mich nicht mehr permanent an neue Vorgesetzte und Kollegen gewöhnen sowie an neue Stossrichtungen anpassen oder ich nicht mehr um die politische Durchsetzung von Themen kämpfen will – wer weiss. Zudem macht es einen Unterschied, ob man sich alleine selbständig macht oder in ein Beratungsunternehmen eintritt. Im zweiten Fall wären mir Dinge wie Beratungsansatz und -philosophie, das soziale Umfeld, Aufträge und Kundenstruktur, Reisetätigkeit, Vergütungsansatz und Ressourcen wichtig.

Alexander Brochier war als HR-Chef beim Reiseveranstalter Kuoni für das weltweite HRM und somit für über 13 000 ­Mitarbeitende verantwortlich. Seit neun Monaten führt er sein eigenes HR-Beratungsunternehmen.

Herr Brochier – weshalb der Seitenwechsel?

Alexander Brochier: Es ist meine Leidenschaft, Führungskräfte und Unternehmen zu befähigen, Menschen nachhaltig zu bewegen und Projekte sowie Geschäftsstrategien zum Erfolg zu führen. Durch die Kombination meiner fast 20-jährigen Erfahrung in und mit Geschäftsleitungen, Verwaltungsräten, Steuerungsausschüssen von Projekten, eigenen Projektleitungen und meiner Change- und HR-Kompetenz kann ich einen Mehrwert für Unternehmen bringen. In der neuen Rolle kann ich dieses Wissen noch optimaler multiplizieren. Ausserdem arbeite ich gerne mit Managern zusammen, die verstanden haben, wie wichtig es für den Geschäftserfolg und die Kundenorientierung ist, motivierte und engagierte Mitarbeitende zu haben.

Vor welchen Herausforderungen steht man als Selbständiger?

Als neues Unternehmen auf dem Markt kennt die Somersault AG bisher niemand. Wir müssen erst bekannt werden und das Vertrauen erzeugen, dass wir die richtigen Partner sind. Das erfordert Geduld und Beharrlichkeit. Da ich gerne schnelle und gute Ergebnisse liefere, ist ­Geduld eine Herausforderung für mich. Darüber hinaus waren Themen wie Firmengründung, Internetauftritt, Corporate Identity oder IT-­Infrastruktur natürlich Neuland.

Wie akquirieren Sie Ihre Klienten?

Mir ist es wichtig, dass man mit uns zusammenarbeiten möchte. Wir wollen nicht mit der Tür ins Haus fallen. Wir entwickeln mit unseren Klienten Lösungsansätze und unterstützen sie in der Umsetzung. Wir bauen unsere Netzwerke auf den Ebenen HR-Leiter, C-Level und VR aus und suchen das persönliche Gespräch. Auch als Referenten sind wir aktiv. Wir veröffentlichen Artikel, organisieren Veranstaltungen und denken aktuell darüber nach, Verwaltungsräte darin zu schulen, die People-Dimension optimal auf strategische Bedürfnisse und Pflichten bei der Aufsicht von Firmen auszurichten.

Welches sind die «Freuden und Leiden» als externer Berater?

Es macht mir grosse Freude, dass meine Arbeit gleichzeitig auch meine Leidenschaft ist. Der Kontakt zu spannenden Menschen in verschiedensten Branchen, täglich neue Herausforderungen zu meistern – das fasziniert mich. Weniger Freude bereiten mir der enorme Anteil an wenig produktiver Administration und der Kampf mit der IT.

Welche Netzwerke sind auch heute noch hilfreich?

Netzwerke zu anderen HR-Leitern, Medien und Business Schools. Hilfreich sind nach wie vor auch meine schweizweiten und internationalen Kontakte aus ehemaligen Projekten.

Wem würden Sie einen Seitenwechsel emp­fehlen?

Jemandem, der neugierig und flexibel ist und über Jahre hinweg tragfähige Netzwerke auf verschiedenen Ebenen ausserhalb des Unternehmens aufgebaut hat. Ausserdem sollten Stärken in der Projektumsetzung vorhanden sein – und ein enger Bezug zu Themen wie Strategie, Kundenorientierung, Innovation und Finanzkennzahlen, die für Geschäftsleitungen relevant sind. Nicht zu empfehlen ist ein Seitenwechsel für HR-Spezialisten mit ausgeprägtem Sicherheitsdenken und Schwächen im Kommunikationsverhalten.

Welche Rolle hat der finanzielle Aspekt gespielt?  

Keine. Es ist nicht ratsam, sich selbständig zu ­machen, wenn kein finanzieller Rückhalt vorhanden ist. Eine rein finanzielle Motivation, sich selbständig zu machen, ist zudem mittelfristig nicht nachhaltig. Steht die finanzielle Motivation im Vordergrund, ist es einfacher und sicherer, eine Konzernkarriere anzustreben, als den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Wann würden Sie wieder als Angestellter ar­beiten?

Die Rolle müsste neue Herausforderungen in sich tragen und Raum geben, um Geschäft und Mensch zum Wohle aller verbinden zu können. Die Freiheiten, mein Wissen in VR-Mandaten und Vergütungsausschüssen multiplizieren zu können, sowie die Möglichkeit, mein Know-how an Business Schools weitergeben zu können müssten gegeben sein. Es müsste auch möglich sein, die Somersault AG weiter bestehen zu lassen und meine Rolle dort auf strategische Aufgaben oder den Einsitz in Steuerungsausschüssen bei Projekten zu reduzieren.

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