Arbeit und Recht

Von der Kontrollpflicht zur Kür im Umgang mit der Zeit

Arbeitszeiterfassung aus der Perspektive eines Zeitwirtschaftssystem-Anbieters.

Zeiterfassungsanbieter sind heute durchaus in der Lage, die Anforderungen an das Schweizer Arbeitsgesetz abzudecken. Allerdings zeigt die Praxis, dass Kunden die Software nicht immer so parametrieren wollen, wie der Gesetzgeber dies vorschreibt. Dies hat verschiedene Gründe und erklärt auch, weshalb die vom SECO lancierte Diskussion über Vereinfachungen im Arbeitszeitgesetz durchaus Sinn macht.

Aber beginnen wir mit der im voranstehenden Artikel thematisierten Arbeitszeitkontrolle: Der mit der Kontrolle der Arbeitszeit beauftragte Arbeitsinspektor verlangt von Unternehmen den Monatsauszug von Mitarbeitenden verschiedener Kategorien (Schicht-, Teilzeit-, Kadermitarbeitende usw.). Der Monatsauszug enthält alle für den Arbeitsinspektor wichtigen Zahlen: Neben der Lage der Arbeitszeit sollte ein Zeitwirtschaftssystem die Zähler für Gleitzeit, Ferien, Militär, Krankheit, Unfall, Überzeit, Nachtarbeit usw. ausweisen können. Damit wird eindeutig erkennbar, ob die zuschlagsberechtigten Zeiten, Pausen und andere im Formular aufgeführten Zähler separat ausgewiesen werden. Unsere Software ermöglicht zudem die Einsicht in die Herkunft der Stempelung. Der Inspektor könnte also erkennen, ob der Mitarbeiter die Arbeitszeit zu Hause oder im Betrieb erfasst hat.

Zu einem kontroversen Thema wurde die Arbeitszeiterfassung im Mai 1995 durch eine breit lancierte Kampagne der ABB, die damals den Begriff «Vertrauensarbeitszeit» einführte. Vertrauen oder Misstrauen lautet seither die Frage, die bis heute für Verwirrung sorgt. Die Antwort ist komplexer als man denkt, wie die aktuelle Diskussion zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zeigt.

Als Zeitforscher und Anbieter von Zeitwirtschaftssystemen lehrt mich die Erfahrung: Die Arbeitszeiterfassung hat viel mehr mit der Suche nach der optimalen Produktivität zu tun als mit Vertrauen oder Misstrauen. Auch wenn die Sozialpartner beschliessen sollten, auf die Kontroll- und Dokumentationspflicht zu verzichten, lohnt es sich, die Arbeitszeiten zu planen und abzurechnen.

Zeiterfassungssysteme können Unternehmen sogar darin unterstützen, aus einer Pflicht zur Kontrolle eine Kür in der Planung und Steuerung ihrer Arbeitszeit zu machen. Nicht nur weil Zeit Geld ist, sondern – vor allem – weil Zeit auch Leben ist. Und um dieses optimale Produktiv-Sein und konfliktarme Zusammenleben im Unternehmen geht es tatsächlich, wenn Arbeitszeiten im Hinblick auf eine dauerhaft menschliche Arbeitswelt bewirtschaftet werden sollen. Als Zeitforscher mit 20 Jahren Erfahrung könnte ich den Sozialpartnern wertvolle Hinweise geben, wie sich konfliktarm neue Lösungen finden liessen. Kennen wir den Unterschied zwischen der Zeit und der Uhr – und wissen wir, warum Zeit Geld ist, dann finden wir wertneutrale Lösungen für Themen, die heute unnötigerweise sehr kontrovers diskutiert werden.

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Text: Ivo Muri

Ivo Muri ist Zeitforscher im luzernischen Sursee und beschäftigt sich mit Gesellschaftsfragen. Er gibt sein Wissen in Seminaren und Referaten weiter. www.ivomuri.ch

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