Recruiting

Von Freud und Leid des Rekrutierens

Rekrutieren ist ein Knochenjob, könnte man meinen. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen der Kadervermittlung Jörg Lienert AG geworfen und Jörg Lienert, Inhaber und VR-Präsident, sowie Geschäftsführer Markus Theiler gefragt, was sie am Rekrutierungsbusiness fasziniert.

Herr Lienert, Sie haben Ihr Unternehmen 1983 gegründet und waren dreissig Jahre als Geschäftsleiter tätig. Was hat Sie motiviert, solange im Recruiting-Geschäft zu bleiben?

Jörg Lienert: Schon während des Wirtschaftsstudiums an der Fachhochschule wusste ich, dass meine Leidenschaft dem Personalwesen gilt. Und so habe ich meine ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt bei Banken und Industrieunternehmen gesammelt, bevor ich mich 1983 als Personalberater selbständig gemacht und die Jörg Lienert AG gegründet habe. Ich habe mich immer grundsätzlich für Menschen und deren Geschichte interessiert und begeistert. Die verschiedenen Gespräche waren für mich nie eine Belastung, sondern eine Entdeckungsreise zu Menschen, die ihr Leben im Vertrauen offenbart haben. Das waren Momente, die mich extrem bereichert haben. Ich habe mich immer auf jedes Gespräch gefreut.

Sie haben Ihr Geschäft 2013 an Markus Theiler übergeben, weshalb gerade dann?

2013 bin ich 60 geworden und wollte meine Nachfolge regeln. Markus Theiler war bereits 12 Jahre im Unternehmen tätig und amtete seit 2008 als stellvertretender Geschäftsführer. Damit hat sich diese Lösung klar abgezeichnet. Ich bleibe aber weiterhin der Inhaber der Jörg Lienert AG und bin als Verwaltungsratspräsident aktiv - quasi entspannt in der zweiten Reihe. Ich stehe dem Unternehmen zur Verfügung, wenn ich gefragt und gebraucht werde.

Herr Theiler, Sie sind seit 2002 bei der Jörg Lienert AG tätig. Was gefällt Ihnen besonders am Recruiting?

Markus Theiler: Neben den Biografien, den Charakteren und den unterschiedlichen Persönlichkeiten sind es vor allem die unterschiedlichen Unternehmen, Branchen und Teamzusammensetzungen, die mich fesseln. Mein Ansporn ist, die bestmögliche Kombination von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu finden und zusammenzubringen. Passende Matchings sind Erfolgserlebnisse für mich, aber auch die Kandidaten, denen wir zwar absagen mussten, die sich jedoch ein weiteres Mal auf Vakanzen melden oder in unserem Bewerberpool bleiben. Ich finde, das zeugt von gegenseitiger Wertschätzung.

Wie bereiten Sie sich auf ein Gespräch vor?

Markus Theiler:  Unser Support-Team erfasst die wichtigsten Eckpunkte in einem strukturierten Raster, was meine Gesprächsvorbereitung sehr erleichtert. Da wir treuhänderisch auftreten, müssen wir über den Auftraggeber ebenso detailliert Bescheid wissen wie über das Team, das den Kandidaten erwartet und die Herausforderungen, denen er sich stellen muss. Ebenso wichtig ist aber das Branchen-Know-how, um die richtigen Fragen stellen zu können. Dieses Wissen eignet man sich mit der Zeit an. Jedenfalls ist der ganze Prozess sehr gut dokumentiert, was hilft, den Überblick zu behalten.

Wodurch zeichnet sich ein gutes Gespräch aus?

Jörg Lienert: Ein gutes Gespräch zeichnet sich dadurch aus, dass das Dossier «lebendig» wird. Das heisst, wenn man den Bewerbenden persönlich kennenlernt und so eine weitere entscheidende Facette der Persönlichkeit erhascht. In einigen Situationen war ich schon etwas überrascht, wie schnell man ein Gespür für Menschen entwickelt, sobald sie einem gegenüber sitzen. 

Markus Theiler: Spannend wird es, wenn der Kandidat echtes Interesse zeigt. Ob sich jemand extrovertiert oder introvertiert gibt, ist für mich eher nebensächlich. Als gutes Gespräch empfinde ich, wenn sich auch ein zurückhaltender Kandidat öffnet und ein echter Dialog entsteht oder Kandidaten auch kritische Fragen stellen. Muss man hingegen jemandem jede Antwort «aus der Nase ziehen» oder bleibt jemand bei theoretischen Worthülsen, wird es anstrengend.

Was sind für Sie die negativen Seiten Ihrer Arbeit?

Jörg Lienert: Im Kontakt mit den Kandidaten entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis in verschiedenen Gesprächen. Man kommt sich menschlich näher. Wir versuchen dabei, immer auch ein guter Gastgeber zu sein, damit sich die Kandidaten bei uns wohl fühlen. Für jede Stelle kann aber nur ein Kandidat vermittelt werden. Bei bis zu 200 Bewerbungen sind das viele enttäuschte Kandidaten. Das empfinde ich als negativ. Vor allem, wenn wir zehn hochkarätigen Bewerbern absagen müssen, weil eben nur einer das Rennen gewinnen kann. Diese Diskrepanz zwischen Vertrauen und Enttäuschung empfinde ich als Wermutstropfen. 

Was ärgert Sie?

Jörg Lienert. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich praktisch nie geärgert habe während eines Gesprächs. Vielleicht spricht das auch für unsere gezielte und empathische Vorselektion.

Markus Theiler: Als ärgerlich empfinde ich höchstens die Situation, wenn die Bewerber nicht alle Karten ehrlich auf den Tisch legen und bei der Recherche Themen ans Licht kommen, welche den Anstellungsentscheid beeinflussen. Mit den Sozialen Medien ist hier eine neue Dimension dazugekommen, die nicht zu unterschätzen ist.

Welche grösste Lernerfahrung haben Sie gemacht?

Markus Theiler: Ich komme sicherlich schneller auf den Punkt, wenn Unsicherheiten bestehen oder ich das Gefühl habe, dass sich der Kandidat im Gespräch widerspricht. Und ich bin auch ehrlicher, wenn die Selbstwahrnehmung des Kandidaten nicht mit meiner Wahrnehmung übereinstimmt.

Jörg Lienert AG

Jörg Lienert (62) gründete 1983 das gleichnamige Unternehmen mit Hauptsitz in Luzern, das sich auf die Suche und Selektion von Fach- und Führungskräften spezialisiert hat und heute rund 30 Mitarbeitende beschäftigt. 2013 regelte Jörg Lienert seine Nachfolge und übergab die operative Geschäftsführung an Markus Theiler, der bereits seit 2002 im Unternehmen tätig war. Jörg Lienert ist Inhaber des Unternehmens und bleibt dem Unternehmen in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident verbunden.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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