HR Today Nr. 3/2016: Fokus Forschung

Von «Opfern» und «Tätern» des Diversity-Managements

Die University of Bedfordshire und die London Metropolitan University untersuchten, wie Beschäftigte Diversity-Management erleben. Der For-schungs-bericht zeigt, dass die betroffenen «Opfer» im operativen Feld Diversity-Management ganz anders erfahren als die «Täter», welche die Konzepte entwerfen.

«Vielfalt statt Einfalt» ist das Motto des Diversity-Managements. Verschiedene Geschlechter (Gender Diversity), eine Mischung von Altersgruppen (Age Diversity) oder diverse ethnische, funktionale oder ausbildungsmässige Hintergründe sollen Gruppen und Unternehmen kreativer, attraktiver und engagierter machen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Divers aufgestellte Teams verfügen über mehr Informationen und haben also einen Wissensvorteil. Ein Bündel von Kompetenzen kann mehr absorbieren, was einen Risikovorteil zur Folge hat. Und ein Portfolio von Persönlichkeiten bringt mehr als ein paar einfältige Kopien.

Entsprechend reichhaltig ist die Tool-Box für die Akteure. «Taten statt Worte» sind dabei angesagt: etwa in Form der Förderung von Mobilität und Individualität sowie von heterogenen Teams und Patchwork-Karrieren oder aber auch in Form der Definition entsprechender Kennzahlen und Steuersysteme. Das ist die Welt der «Täter» im Diversity-Management. Wie aber sieht die Welt bei den Beschäftigten aus, bei den Betroffenen, bei den «Opfern»? Christina Schwabenland von der University of Bedfordshire und Frances Tomlinson von der London Metropolitan University untersuchten im Rahmen einer Ak-tions-forschung zusammen mit neun Delegierten für Diversity-Management aus dem englischen Non-Profit-Sektor, wie Beschäftigte das Diversity-Management erleben.

Der Forschungsbericht zeigt, dass diese das Diversity-Management ganz anders erfahren als die «Täter».Sie sind skeptisch, weil Fairness bei Ungleichheit besonders schwierig ist und weil sie zusätzliche Kosten fürchten. Sie sind unsicher, weil ihnen Programme, Prozesse und Massnahmen widersprüchlich und mehrdeutig erscheinen und weil sie nicht wissen, wer die Deutungshoheit hat. Und sie haben übermässig stark Angst, Kolleginnen und Kollegen ungleich zu behandeln, andere zu diskriminieren und sich politisch nicht korrekt zu verhalten.

Was lässt sich aus diesen Forschungsergebnissen ableiten? Erstens: Diversity-Management hat viele Vorteile, birgt aber auch Risiken und Nebenwirkungen. Zweitens: «Täter» sehen vor allem die Vorteile. Die Risiken und Nebenwirkungen gehen zulasten der «Opfer». Drittens: Bei Erfolg kommen die «Täter» zu Wort, nicht die «Opfer» – wie in der Geschichte: Sie wird von den Siegern geschrieben, nicht von den Verlierern. Viertens: Der Zweck des Diversity-Managements besteht aber gerade darin, «Opfer» und Verlierer zu integrieren und nicht neue zu produzieren. Es braucht also eine ganzheitliche Sicht. Diese beginnt mit einem normativen Rahmen, führt über strategische Ziele zu operationellen Strukturen und Prozessen und damit zu Taten und Worten – nicht umgekehrt.

  • Quelle: Schwabenland, Ch. & Tomlinson, F. (2015). Shadows and light: Diversity management as phantasmagoria. Human Relations 68(12), 1913–1936.
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Prof. Dr. Bruno Staffelbach ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Direktor des Centers für HRM an der Universität Luzern.

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