HR Today Nr. 4/2016: Porträt

«Wandel ist 
Teil unserer DNA»

Peter R. Vogt ist oberster HR-Chef der Nestlé-Gruppe. Im Porträt erklärt er, 
weshalb Change sein täglich Brot ist und wie der Konzern im 150. Jubiläumsjahr den 
Wandel gestaltet und dabei den Unternehmenswerten treu zu bleiben versucht.

1980 bei Nestlé eingetreten, hat Peter Vogt eine steile Karriere hingelegt. 2013 wurde er zum obersten HR-Chef des Nahrungsmittelgiganten mit 340 000 Angestellten ernannt. Der gebürtige Bieler verkörpert die Werte des Unternehmens exemplarisch durch seine Loyalität und Anpassungsfähigkeit. Wir treffen ihn an einem eisigen Nachmittag im Februar in seinem Büro in Vevey. Der Nebel über dem Genfersee widerspiegelt sich in der Kargheit seines Büros. Ein gewissenhafter Mann, diskret, aber durchaus zu Spässen aufgelegt. Sein Händedruck verrät zweifellos ein bisschen Nervosität angesichts des medialen Rampenlichts, das ihm zuteil wird.

Peter Vogt bevorzugt es, hinter den Kulissen der Macht mit Fleiss seiner Arbeit nachzugehen. Wir bitten ihn, uns zu schildern, wie eine typische Arbeitswoche des obersten HR-Chefs von Nestlé aussieht. Er lacht: «Ich komme gerade aus dem Silicon Valley, wo wir die Hauptsitze von Facebook, Linkedin und Glassdoor besucht haben. Sie haben uns dort von ihren HR-Praktiken erzählt und von den Werkzeugen, die sie entwickeln, um die besten Talente anzuziehen. Wir denken darüber nach, die Partnerschaft mit Linkedin zu verstärken. Ansonsten nehme ich an vielen Sitzungen und Videokonferenzen teil. Diesen Morgen habe ich die neuen Lokalitäten von Nestlé Schweiz in La Tour-de-Peilz (VD) besucht und ging am Mittag mit dem Administrationsverantwortlichen der Gruppe essen.»

Zur Person

Peter R. Vogt wird 1955 in Biel geboren. 1980 tritt 
er nach einem Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen als Praktikant in die Marketing- und Verkaufsabteilung bei Nestlé ein. Bereits ein Jahr später wird er nach Japan versetzt. Nach einer weiteren Station in Hongkong wird er 1990 zum Marketingdirektor Malaysia ernannt, zehn Jahre später zum Nestlé-Chef der nordischen Staaten und Dänemark. 2012 stösst er zur HR-Direktion und wird 2013 
Global Head of HR der gesamten Nestlé-Gruppe.

Am 30. Juni wird Peter Vogt im Rahmen des neu 
lancierten Global HR Leadership Forums BEYOND in Amsterdam auftreten: www.beyondhrforum.com

HR-Organisation neu auf drei Pfeilern

Das Tischgespräch der beiden Herren dürfte sich zweifellos um den Change-Prozess gedreht haben, den das HR von Nestlé derzeit durchläuft. «Wir sind daran, die HR-Funktion der Gruppe zu verändern und neu auf drei Pfeilern abzustützen: Zum einen wären da die Business Partner, zum andern ein Kompetenzzentrum für Dienstleistungen mit hohem Mehrwert (Recruiting, Ausbildung, Saläre) sowie ein Shared-Service-Zentrum für sich wiederholende Aufgaben. Diese drei intern kreierten und unterhaltenen Einheiten operieren für die gesamte Gruppe.»

Nestlé feiert dieses sein 150-Jahr-Jubiläum. Der runde Geburtstag diente denn auch als Aufhänger für unsere Begegnung. Welche Bedeutung hat Change Management, wenn man auf die lange Unternehmensgeschichte von Nestlé zurückblickt? Peter Vogt: «Der Wandel ist Teil unserer DNA. Die Märkte entwickeln sich rasant. Unser Erfolg erklärt sich insofern durch unsere Anpassungsfähigkeit. Das Geheimnis besteht in den starken Werten. Bei uns sind dies Qualität, Respekt und Verantwortung. Diese tief verankerten Werte erlauben es uns, flexibel zu bleiben, mit der Zeit zu gehen und dabei die Bodenhaftung nicht zu verlieren.» Ist das so einfach? «Nein, überhaupt nicht. Diese Kultur erfordert eine langfristige Vision und klare Vorgaben. Nestlé hat zum Beispiel entschieden, ihre Bilanzen nur noch zweimal pro Jahr zu publizieren, statt viermal, wie dies bei anderen Firmen üblich ist.»

Und wie sieht in diesem unablässigen Adaptionsprozess die HR-Rolle aus? «Alles, was wir machen, ist dem Wandel gewidmet. Das Business wandelt sich ständig und die Leute müssen sich ebenfalls weiterentwickeln.» Ein Beispiel? «In den letzten 15 Jahren hat sich der Arbeitsmarkt enorm verändert. In Zukunft ist es das Talent, das sich das Unternehmen aussucht, und nicht umgekehrt. Autoritäres Management mit Befehlen von oben funktioniert nicht mehr. Die Mitarbeitenden verlangen Autonomie und wünschen sich, an Entscheidungen teilzuhaben. Die HR-Funktion musste sich dem anpassen. Wir müssen unsere Werte klären, von Althergebrachtem Abstand nehmen und stärker eine begleitende Haltung einnehmen, indem wir Dienstleistungen von hoher Qualität und einen makellosen administrativen Service bieten.»

Globalisierte Märkte zwingen zu Neuausrichtung

Dieser Kulturwandel im HR erklärt sich durch die Entwicklung des wirtschaftlichen Kontexts. Weltweit in über 100 Ländern aktiv, hat Nestlé immer eine sehr lokal geprägte Strategie verfolgt. Mit Produktionsstätten, die jeweils sehr nah an den verschiedenen Märkten platziert sind. Das ging so weit, dass gewisse Konsumenten meinen, Nestlé sei eine lokale Marke. «In den letzten zehn Jahren sind wir von einer länderspezifisch strukturierten Organisation zu einer Organisationsform übergegangen, die sich entlang der Expertise orientiert, da die Märkte viel stärker global integriert wurden. Wir bilden virtuelle Teams, die via Videokonferenz kommunizieren, und können so die lokalen Herausforderungen im operativen Geschäft dank unserem internationalen Netzwerk unterstützen.»

Und wie geht er konkret vor, um Veränderungen von diesem Format in die Wege zu leiten? «Mit meinen Kollegen aus der Generaldirektion definieren wir die Vision und die Ziele. Ich stütze mich dabei auf die HR-Verantwortlichen der jeweiligen Geschäftseinheiten ab. Ich versuche, ihnen einen Business Case zu geben, um so konkret aufzuzeigen, was wir erreichen wollen. Diese Phase des Erklärens ist entscheidend. Sich Zeit zu nehmen, um die Hintergründe einer Veränderung aufzuzeigen, ist immer eine gute Investition. Je nach Priorität des Projekts etablieren wir danach ein Pilotkomitee, um die Ideen, aber auch allfällige Widerstände der Mitarbeitenden abzuholen. Das Warum und Wie einer Veränderung muss mit der Basis diskutiert werden. Hier kommt der menschliche Aspekt zum Tragen. Versuchen Sie eine Entscheidung durchzusetzen, ohne auf die Basis zu hören, beginnen die Schwierigkeiten.»

Hört man Peter Vogt zu, realisiert man, dass Change Management nicht einfach ein Dossier unter vielen ist. Change Management ist vielmehr der rote Faden, der sich durch all seine Dossiers zieht. Welche zwei Veränderungen möchte er in nächster Zukunft anpacken? «Ich wünsche mir, die Kompetenzen unserer HR Business Partner zu verbessern, um ihnen ein echtes Standing zu verleihen bei der Begleitung der Linie. Eine andere Idee, die mir am Herzen liegt, besteht darin, die Dienstleistungen unseres HR-Kompetenzzentrums zu verstärken. Wir bieten zum Beispiel Videoseminare mit anerkannten Experten an, die weltweit von über 3000 Nestlé-Mitarbeitenden verfolgt werden.»

Von St. Gallen nach Jakarta

Genug vom Business –  kommen wir auf seine persönliche Laufbahn zu sprechen. Nach seiner Kindheit und Jugend in der Stadt Biel studiert Peter Vogt an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaften. Während seines Studiums arbeitet er als Reiseführer bei Imholz (heute TUI Suisse). Nach seinem Studium sucht er einen Job, der es ihm erlaubt, weiterhin zu reisen. So tritt er 1980 bei Nestlé als Praktikant in der Marketing- und Verkaufsabteilung ein. «Ich hätte niemals gedacht, dass ich meine gesamte Karriere beim gleichen Arbeitgeber verbringen würde», gesteht Vogt. Doch es eröffnen sich ihm verschiedene Möglichkeiten und ein Jahr später wird er nach Japan entsandt. So schlägt er eine typische Expat-Karriere ein und wird alle drei bis vier Jahre in eine andere Niederlassung versetzt: Hongkong, Malaysia, Sri Lanka, Schweiz (bei Frisco Findus), Dänemark und Indonesien heissen seine Stationen. Was hat er aus dieser Zeit mitgenommen? «Ich habe realisiert, dass das Einzige, was Bestand hat, wenn man ein Land verlässt, die Männer und Frauen sind, die ich ausbilden durfte. Darauf ist Nestlé sehr stolz. Wir versuchen, den Ländern, wo wir präsent sind, einen echten Mehrwert zu bringen. Klar sind wir dort, um Business zu machen, aber wir schaffen auch Jobs und bilden vor Ort Leute aus, womit sie ebenfalls von unserem Erfolg profitieren.»

Nach einer Karriere im Marketing und Verkauf stösst Peter Vogt 2012 zur HR-Direktion der Gruppe. Sein erster Eindruck? «Die HR-Funktion ist noch viel komplexer, als ich mir je vorstellen konnte. Ich habe mich für HR entschieden, weil ich es liebe, Menschen zu entwickeln. Ich versuche immer zu verstehen, was die Leute antreibt und begeistert, um ihnen danach zu helfen, sich in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Dieser menschliche Kontakt ist mir sehr wichtig.»

Peter Vogt gibt unumwunden zu, dass seine Karriere bei Nestlé nicht in der aktuellen Funktion enden wird. «In fünf Jahren sehe ich mich in der Leitung eines Ausbildungsprojekts  für junge Nestlé-Talente. Die Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden war schon immer unsere Stärke. Warum also damit aufhören?»

Nestlé

Mit 340'000 Angestellten ist Nestlé S.A. der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern und das grösste Industrieunternehmen der Schweiz. Die Hauptverwaltung befindet sich in Vevey.

 

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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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