HR Today Nr. 5/2016: Fokus Forschung

Wenn Gerüchte die Urteilsfähigkeit vernebeln

Mit der Dominanz des Internets nimmt auch die Streuung von Gerüchten zu. Doch welche Auswirkungen haben diese auf Einstellungsentscheide? Eine amerikanische Studie ist dieser Frage nachgegangen.

Fehlinformationen können zu falschen Schlussfolgerungen führen und stellen deshalb eine Herausforderung für die menschliche Urteilsbildung und Entscheidungsfindung dar. Gerüchte verkörpern eine bestimmte Art solcher Fehlinformationen und haben das Potenzial, Personen, aber auch ganzen Organisationen zu schaden. Mit der steigenden Nutzung des Internets nimmt auch die Streuung von Gerüchten zu. Doch welche Auswirkungen haben diese auf Einstellungsentscheide?

Dieser Frage gingen die US-Psychologen Dalal, Diab und Tindale in ihrer Studie nach und führten dazu mit 314 Probanden ein Experiment durch. Die Forscher prüften, ob sich die Eindrücke eines hypothetischen Bewerbers unterscheiden, wenn den Beurteilenden zusätzlich zu den Bewerbungsunterlagen positive oder negative Informationen vorliegen, die entweder auf Gerüchten basieren oder nicht. Hierfür mussten die Probanden den Kandidaten hinsichtlich Zuverlässigkeit, Engagement und Wahrscheinlichkeit des Erfolgs im ausgeschriebenen Job beurteilen. Die Teilnehmenden sollten zudem korrekt erkennen, ob die zusätzliche Information positiv oder negativ war, beziehungsweise einem Gerücht entstammte oder nicht. Ausserdem wurden sie gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie diese Information bei ihrem Entscheid verwenden würden.

Bei der Auswertung der Resultate kamen Dalal und seine Kollegen zu einem interessanten Ergebnis: Gerüchte werden bei der Beurteilung eines Kandidaten miteinbezogen. Dies war auch dann der Fall, wenn die Teilnehmer angaben, dass sie die Informationen in ihrem Urteil nicht berücksichtigen würden und auch wenn sie aussagten, dem Gerücht keinen Glauben zu schenken. Gerüchte, die negative Informationen transportierten, wurden bei der Urteilsbildung zudem stärker gewichtet als positive gerüchtebasierte Informationen.

Heute nutzen Personalfachkräfte vermehrt das Internet und soziale Plattformen für zusätzliche Informationen zum Stellenbewerber. Weil mit Fehlanstellungen oft hohe Kosten verbunden sind, tendieren Entscheidungsträger dazu, jede Art von Information zu beschaffen, unabhängig von deren Zweckdienlichkeit für die Urteilsfindung. Dass sie dabei mit Gerüchten über den Kandidaten konfrontiert werden, ist wahrscheinlich. Die Autoren weisen darauf hin, dass bezüglich der Auswirkungen von ungeprüften Gerüchten auf Einstellungsentscheide und in der Beurteilung von Mitarbeitenden allgemein Vorsicht geboten sein sollte, insbesondere wenn Personalentscheide ohne den Beizug einer professionellen Personalabteilung gefällt werden.

Quelle:

  • Dalal, D. K., Diab, D. L., & Tindale, R. S (2015). «I Heard That…: Do rumors affect hiring decisions?» International Journal of Selection and Assessment, 23(3), 224-236.
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Andreas Schmid ist wissenschaftlicher Assistent und Doktorand am Lehrstuhl Human Resource Management, Universität Zürich.

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