HR im Start-up

«Es fühlt sich manchmal an wie eine Lerngruppe an der Uni»

Welchen Herausforderungen stehen Praktiker gegenüber, die in Start-ups für HR-Themen verantwortlich sind? Für Marc Beermann, COO und Mitgründer des Softwareunternehmens Allthings, ist eine starke, transparente und nachhaltige Unternehmenskultur ein entscheidender Erfolgsfaktor – mit Tischtennis und Club Mate habe das wenig zu tun. Im Interview spricht er unter anderem über drei Retentions-Massnahmen, die bei Allthings gut funktionieren.

Herr Beermann, welche HR-Herausforderungen beschäftigen Sie derzeit?

Marc Beermann: Das Recruiting internationaler Spitzenkräfte vor allem im Produktbereich ist für uns die größte Herausforderung. Gute Leute finden, die in der Lage sind, eine global skalierte Firma mit einem anspruchsvollen Geschäftsmodell nicht nur zu führen, sondern auch international aufzubauen. Wir versuchen nur A-Player zu bekommen. Die grösste Herausforderung ist, die besten Leute zu finden und eine Kultur zu entwickeln, die nachhaltig, stark und attraktiv für Top-Performer ist. Wir bieten unseren Mitarbeitern viel Flexibilität, Entwicklungsmöglichkeiten und Verantwortung, können dafür aber nicht die gleichen Löhne zahlen und nicht die gleichen Benefits bieten wie ein Grosskonzern. Dafür haben wir eine einzigartige Mission, an die unser Team fest glaubt – auch bei Widerständen, Rückschlägen und Konflikten. Zudem wachsen wir schnell – innerhalb von 12 Monaten sind wir von 13 auf über 50 Mitarbeiter gewachsen. Ein gut strukturierter Onboarding-Prozess ist dabei genauso wichtig wie die standortübergreifende Kommunikation.

Welchen Einfluss hat das Wachstum Ihres Unternehmens auf Ihre HR-Herausforderungen?

Unser schnelles Wachstum beeinflusst die Herausforderungen im Personal massgeblich. Wir vervierfachen unseren Auftragseingang jährlich und werden nächstes Jahr von 50 auf vielleicht 80 bis 100 Mitarbeiter wachsen, wenn es so weitergeht. Das exponentielle Wachstum muss nicht nur gut geplant werden – man muss sich und die Mitarbeiter auch mental auf die damit einhergehenden Veränderungen einstellen. Das menschliche Gehirn hat Mühe, sich exponentielles Wachstum vorzustellen. Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, was es eigentlich bedeutet, die Unternehmensgrösse jedes Jahr mehr als zu verdoppeln.

Wie behalten Sie Ihre Leute im Unternehmen?

Bei der Mitarbeiterbindung sind wir vergleichsweise gut, soweit man das für ein so junges Unternehmen abschliessend beurteilen kann. Drei wichtige Retention-Massnahmen, die bei uns gut funktionieren: 1) Volle Transparenz und ein Management-Team mit Bodenhaftung, 2) ein Grossteil der Mitarbeiter ist mit privatem Vermögen investiert und 3) eine Mission, die global gedacht ist und eine ganze Branche in ihrem Kern verändern könnte.

Wie gehen Sie mit ihren verschiedenen HR-Herausforderungen um?

Die Rezepte von langsam wachsenden Unternehmen in lokalen Märkten funktionieren bei uns nicht so gut. Durch Blogs und die Lektüre entsprechender Bücher sowie regelmässigen Austausch mit Kollegen aus der Start-up Welt haben wir einen guten Eindruck, wie es für uns am besten passen könnte – und wir wenden das neu erworbene Wissen dann auch direkt an. Ein Beispiel ist der Aufbau unserer neuen Customer-Operations-Abteilung. Erst seit kurzem im Silicon Valley von «Software-as-a-Service»-Start-ups eingesetzt, um Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verzahnen und skalierbar aufzubauen, haben wir entschieden, dass so ein Team auch bei uns absolut Sinn macht – und kurz darauf Dr. Tina Burkhart als Leiterin eingestellt.

Wie gehen Sie mit den Start-up-typischen Unsicherheiten gegenüber Ihren Mitarbeitenden um?

Uns kommt zugute, dass unser Gründerteam viel Erfahrung mitbringt – sowohl aus Start-ups, Konzernen als auch aus hochprofessionellen Dienstleistungsunternehmen. Das Feedback unserer Investoren ist diesbezüglich positiv – sie sehen, dass wir als Team die für diese unternehmerische Aufgabe notwendige Erfahrung und Robustheit haben. Volle Transparenz, die Beteiligung vieler unserer Mitarbeiter am Unternehmen sowie für uns vorteilhafte Veränderungen der Immobilienbranche sind unsere wichtigsten Zutaten gegen Unsicherheit.

Welche Bedeutung messen Sie der Entwicklung der Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen zu?

Den Aufbau einer starken, transparenten und nachhaltigen Unternehmenskultur sehen wir als entscheidenden Erfolgsfaktor. Das hat bei uns weniger mit Tischtennisplatten und gratis Club Mate zu tun, sondern mehr damit, ein Team aufzubauen, das die Mission mit uns teilt und in dem jede und jeder grossen Erfolgs- und Gestaltungswillen einbringt.

Wann und warum haben Sie begonnen, die HR-Aufgaben zu übernehmen?

Zu Beginn hatten wir uns noch nicht so klar aufgeteilt – zwischendurch habe ich Dinge wie Produktentwicklung oder Analytics vorangebracht. Seit wir so stark wachsen, kümmere ich mich vor allem um den Personalbereich. Oft läuft es so, dass ich ein Thema in die Hand nehme, es für unser Unternehmen passend aufbaue um es dann an einen Profi abzugeben.

Haben Sie einen HR-Hintergrund? Wie eignen Sie sich in Sachen HR Wissen an?

Nein, ich habe keinen HR-Hintergrund. Ich bin von der Ausbildung her eher Generalist und kann daher gut einschätzen, was für uns funktioniert und was nicht. Und ich gebe diese Aufgaben sehr gerne an HR-Fachleute ab, wir suchen im Moment zum Beispiel Verstärkung im Recruiting. Meine wichtigste Wissensquelle sind andere Unternehmer, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen oder standen wie wir. Es fühlt sich manchmal an wie eine Lerngruppe an der Uni – mit dem Unterschied, dass unsere Unternehmen real sind.

Allthings

Allthings stattet Gebäude mit einer App aus, auf der unterschiedliche Services und Funktionen gebündelt sind. Über eine Pinnwand können Mieter etwa miteinander in Kontakt treten. 2015 hat Marc Beermann die Allthings Technologies AG zusammen mit drei Mitgründern gegründet und startete mit einem Team von total sieben Leuten. Heute hat das Unternehmen Standorte in Basel, Berlin, Frankfurt und Freiburg im Breisgau sowie insgesamt 50 Mitarbeiter. 2016 kam die deutsche Tochtergesellschaft Allthings GmbH mit Sitz in Berlin dazu.

 

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