HR Today Nr. 3/2019: Praxis – Arbeit und Recht

Aufhebungsvereinbarung als Sanierungsmassnahme?

Die Arbeitgeberin in der finanziellen Krise – man denkt an Kurzarbeit und Insolvenzentschädigung, an Massenentlassung und Sozialplan, an das Lohnprivileg des Konkursrechts. Die Wirtschaft kennt variantenreiche Sanierungsmassnahmen für Unternehmen in Schieflage. Dieser Beitrag wirft ein Schlaglicht auf zwei konkrete Vertragsklauseln, die bei Kurzarbeit und Aufhebungsvereinbarungen empfehlenswert scheinen.

Was ist eigentlich «ein Sanierungsfall»? Einfach gesagt, droht einem sanierungsreifen Unternehmen der Konkurs, weil es überschuldet ist oder trotz Vermögen über zu wenig liquide Mittel verfügt, um die laufenden Saläre und Drittforderungen begleichen zu können. Einen «Stichtag», an dem ein Unternehmen zum Sanierungsfall wird, gibt es nicht. Ausstehender Lohn mag zwar ein Alarmzeichen sein, aber nicht zwingend der Vorbote einer Unternehmensschliessung.

Kämpft ein Unternehmen «nur» mit einem Liquiditätsengpass, kann die Arbeitgeberin Kurzarbeit beantragen (Art. 31 ff. AVIG¹). Als reine «Konkursaufschubmassnahme» bei ohnehin absehbarer Betriebsschliessung ist Kurzarbeit aber nicht zulässig. Bei Kurzarbeit wird die Arbeitszeit reduziert und die Arbeitslosenkasse ersetzt 80 Prozent des ausfallenden Lohns. Für Arbeitnehmer bedeutet Kurzarbeit also Lohnsicherheit, aber auch Lohneinbusse. Da man das niemandem aufzwingen kann, können Arbeitnehmer Kurzarbeit ablehnen. Dann haben sie theoretisch zwar weiterhin Anspruch auf den vollen Lohn, es droht aber eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen.²

Weil Arbeitgeberinnen bei Kurzarbeit die Kurzarbeitsentschädigung vorschiessen müssen, sollten die geleisteten Arbeitszeiten eisern erfasst³ und die Einhaltung der zulässigen Arbeitszeitlimiten durchgesetzt werden.⁴ Denn mit «zu viel» Arbeit würde das Unternehmen gewissermassen eine bessere wirtschaftliche Lage beweisen als behauptet. Dann würden ihm von der Arbeitslosenkasse vorgeschossene Kurzarbeitsentschädigungen vielleicht nicht zurückerstattet. Hier können konkrete schriftliche Absprachen mit den Arbeitnehmenden vorbeugen. Ein Beispiel:

«Mit seiner Unterschrift stimmt der Arbeitnehmer der Kurzarbeit nicht nur zu. Er bestätigt zudem, dass er seine Arbeitszeiten lückenlos, diszipliniert und minutengenau erfassen und den gesetzten reduzierten Arbeitszeitrahmen unter keinen Umständen ohne Rücksprache mit der vorgesetzten Stelle überschreiten wird – eigentliche Notfälle vorbehalten.»

Fällt ein Unternehmen in Konkurs, wird der ursprüngliche Verdacht zur Gewissheit: Die Arbeitgeberin ist nun nicht nur dem Anschein nach, sondern sozusagen «amtlich» zahlungsunfähig. Der Konkursrichter hält das Datum und die Uhrzeit des Konkurses im Konkursentscheid genau fest (Art. 175 Abs. 2 SchKG⁵). Für ausstehende Lohnforderungen für die Zeit vor dem Konkurszeitpunkt können Arbeitnehmer von der Arbeitslosenversicherung Insolvenzentschädigung beantragen (Art. 51 ff. AVIG), und für die Zeit danach Arbeitslosengelder.

Dies zur Theorie des sozialen Auffangnetzes. In Wahrheit gibt es viele unglückliche Verläufe. Insolvenzentschädigung beispielsweise ist innert Frist zu beantragen, sonst erlischt der Anspruch. Weil die Insolvenzentschädigung zudem auf vier Monate und auch betragsmässig limitiert ist, deckt sie den ganzen ausstehenden Lohn oft nicht vollständig. In beiden Fällen (keine oder zu wenig Insolvenzentschädigung) muss der Arbeitnehmer die Restforderung im Konkursverfahren der Arbeitgeberin geltend machen.

Konkursforderungen sind in Klassen gruppiert. Die höher rangierten Forderungen werden (nach dem Prinzip überlaufender Schalen) vollumfänglich befriedigt, bevor tieferrangige Forderungen an die Reihe kommen (Art. 219 SchKG). Lohnforderungen sind zwar sogenannt «privilegiert» und werden (gleich nach den pfandgesicherten Forderungen) in der ersten Forderungsklasse geführt. Trotz Lohnprivileg warten Arbeitnehmer im Konkursfall regelmässig Jahre auf die Begleichung ihrer Forderungen,⁶ sofern die Konkursmasse überhaupt genügend Mittel ausweist, um alle Lohnforderungen zu decken.

Zahlungsunfähige Arbeitgeberinnen bleiben für Arbeitnehmer also ein finanzielles Risiko. Jetzt fragt sich, ob im Sanierungsfall zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Aufhebungsvereinbarung nicht im beidseitigen Interesse sowohl der Arbeitgeberin als auch des Arbeitnehmers liegt: Dem Arbeitnehmer würde eine einmalige Zahlung zugesichert, die vielleicht unter dem Lohn für die ordentliche Kündigungsfrist liegt, die er aber ohne Lohnausfallrisiko erhält. Und die Arbeitgeberin spart Lohnkosten. So gesehen scheint die Interessenlage ausgeglichen.

In der juristischen Literatur werden zu diesem Themenkreis allerdings höchst unterschiedliche Ansichten vertreten. Sara Ianni hält Vertragsklauseln für kategorisch unzulässig, bei denen ein Arbeitsverhältnis mit Eintritt des Konkursfalles automatisch enden soll. Sinngemäss, weil der Arbeitnehmer (ohne äquivalente Gegenleistung) auf Sozialschutz verzichten würde, namentlich auf Lohnfortzahlung und Sperrfristen während der ordentlichen Kündigungsfrist. Umgekehrt hält es die Autorin bemerkenswerterweise aber für erlaubt, dem Arbeitnehmer im Konkursfall ein fristloses Kündigungsrecht einzuräumen.⁷ Christoph Zobl entgegnet hingegen knapp: «Eine Aufhebungsklausel für den Fall der [...] Konkurseröffnung über den Arbeitgeber gilt als zulässig.»⁸

Zum sanierungsbedingten Stellenabbau untersuchten die Autoren Wildhaber/Tanner, ob Aufhebungsvereinbarungen ebenfalls zum Schwellenwert von Kündigungen bei Massenentlassungen hinzugezählt werden müssen. Massenkündigungen implizieren ab einem gewissen Schwellenwert bekanntlich spezifische Rechtsfolgen (Stichworte: Meldepflicht beim Arbeitsamt, Konsultationsverfahren, Sozialplan).⁹ Wildhaber/Tanner kommen zum Schluss: Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wären vom Arbeitgeber initiierte Aufhebungsverträge, ja sogar vom Arbeitgeber provozierte Eigenkündigungen für Massenentlassungen als schwellenwertrelevant einzustufen. Denn die Arbeitnehmer hätten in diesen Fällen – so die Autoren sinngemäss – nichts anderes versucht, als einer zu erwartenden Vertragsbeendigung aus wirtschaftlichen Gründen zuvorzukommen, was faktisch einer Arbeitgeberkündigung nahekomme.¹⁰

Die Zulässigkeit von Aufhebungsvereinbarungen als Sanierungsmassnahme mag im Einzelfall somit diskutierbar sein. Ein klares – durch Rechtsprechung oder Gesetz – etabliertes generelles Verbot lässt sich allerdings nicht ausmachen. Wer Aufhebungsvereinbarungen als Sanierungsmassnahme wagt, sollte – wie immer bei Aufhebungsvereinbarungen (!) – im Vertrags-text die Interessenlage der Parteien so deutlich und spezifisch wie möglich herausarbeiten. Das scheint die beste «Versicherung» für den Bestand der Aufhebungsvereinbarung.¹¹ Eine fiktive – und keinesfalls allgemeingültige – Vertragsklausel zur Darstellung der Interessenlage könnte im Einzelfall beispielsweise wie folgt lauten:

«Mit vorliegender Aufhebungsvereinbarung wird das Arbeitsverhältnis auf Ende Monat beendet, ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer erhält über den Restlohn hinaus eine Abfindung in Höhe eines ganzen Monatslohns, während ihm bei ordentlicher Kündigungsfrist zwei Monate zugestanden hätten. Der Arbeitnehmer geht aber davon aus, rasch wieder eine sichere Stelle finden zu können. Zudem wurden dem Arbeitnehmer seine Rechtsansprüche im Konkursfall erläutert (Insolvenzentschädigung, Arbeitslosenleistungen, Konkursprivileg für Lohnausstände). Trotz dieses (theoretischen) Sozialschutzes befürchtet der Arbeitnehmer für das Risiko eines Konkursfalls (faktisch) lange Phasen der Rechtsunsicherheit und reale Lohnausfallrisiken. Zudem kann die Arbeitgeberin keine Lohnsicherheiten im Sinne von Art. 337a OR bieten.¹² Mit Bezug auf die Gefahr von Einstelltagen bei den Taggeldern der Arbeitslosenversicherung werden die Parteien – falls erforderlich – der Arbeitslosenversicherung zudem mit gemeinsamem Schreiben und unter transparenter Offenlegung vorliegender Aufhebungsvereinbarung wahrheitsgemäss mitteilen, dass vorliegende Aufhebungsvereinbarung im Wesentlichen aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt und damit nach Auffassung der Parteien nicht durch den Arbeitnehmer selbstverschuldet ist.»

Selbst wenn sich der Konkurs nicht verwirklichen sollte,¹³ hätten die Parteien dennoch meine persönliche Kurzcheckliste für Aufhebungsvereinbarungen¹⁴ eingehalten:

  1. 
In Fällen, in denen Arbeitnehmer mit Aufhebungsvereinbarungen auf zwingende Rechte verzichten,¹⁵ oder wenn der Anschein einer Rechtsumgehung von Sozialschutznormen erweckt wird, würde das Gericht im Prozessfall wahrscheinlich als Erstes prüfen, ob die Parteien gleichwertige gegenseitige Konzessionen eingegangen sind. Ich bezeichne das als «Äquivalenzprüfung».
  2. 
Falls das Gericht einen äquivalenten Interessensausgleich verneinen würde, wäre als Zweites eine Analyse zu erwarten, ob der Arbeitnehmer ein eigenständiges vernünftiges Interesse an der Aufhebungsvereinbarung hatte. Falls ja, kann auch ein für den Arbeitnehmer finanziell «schlechter Deal» vor Gericht Bestand haben.
  3. 
Das Gericht sollte drittens prüfen, ob der Arbeitnehmer alle Konsequenzen der Vereinbarung überdacht hat. Man spricht vom «Rechtsfolgewillen». Bei vorzeitigen Austritten ist beispielsweise an den Lohnausfall, aber auch an den Kündigungsschutz während der ordentlichen Kündigungsfrist (Sperrfristen) und den Sozialversicherungsschutz zu denken. Prominentes Beispiel fehlenden Rechtsfolgewillens bei Aufhebungsvereinbarungen ist die Gefahr von Arbeitslosengeldkürzungen wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (sogenannte «Einstelltage»; Art. 30 Abs. 1 Bst. a AVIG).

Quellen:

  • ¹ Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosen­versicherung und die Insolvenzentschädigung.
  • ² Anschaulich: BGer 4A_555 / 2011 v. 23.02.2012 (franz.).
  • ³ Vgl. BGer C 243/04 v. 25.04.2005 Erw. 2.
  • ⁴ Anschaulich: BVwGer B-3364/2011 v. 14.06.2012.
  • ⁵ Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs.
  • ⁶ SARA IANNI, Die Stellung des Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers, Diss. 2014, S. 157.
  • ⁷ SARA IANNI (Fn. 6), S. 130 f.
  • ⁸ CHRISTOPH ZOBL, Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag, Diss. 2017, Rz. 89.
  • ⁹ Vgl. Art. 335d ff. OR sowie spezifisch Art. 335 Abs. 1 lit. i OR.
  • ¹⁰ WILDHABER/TANNER, Urteilsbesprechung des EuGH-Entscheids Pujante Rivera, Rs. C-422/14 v. 11.11.2015, in: AJP 2106, S. 250 ff., S. 255.
  • ¹¹ Scheinbar gleicher Ansicht: MARCO KAMBER, Die Aufhebungsvereinbarung im Arbeitsvertragsrecht, in: ArbR 2013, S. 43 ff., S. 76.
  • ¹² Nach Art. 337a OR können Arbeitnehmer bei faktischer Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin Sicherheits­leistungen für Lohnforderungen verlangen.
  • ¹³ Das Arbeitsgericht Zürich hat sinngemäss einmal entschieden: Aufhebungsvereinbarungen, die auf der Abwägung von Risiken basierten, seien zulässig und durchsetzbar, auch wenn sich die Risiken später nachweisbar nicht verwirklichen würden (Arbeitsgericht Zürich, Urteil v. 17.10.2003, in: Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich 2003, Nr. 16).
  • ¹⁴ Meine Kurzcheckliste ist eine reine Praktikerregel ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Lesenswert ist die tiefgehende Stellungnahme des Bundesgerichts zu Aufhebungsvereinbarungen in BGer 4A_563/2011 v. 02.12.2012, Erw. 4.1.
  • ¹⁵ Siehe Art. 341 OR.

Disclaimer:

Rechtslage per Zeitpunkt der Publikation (Redaktionsschluss) sowie unter Voraussetzung der ausschliesslichen Anwendbarkeit des Obligationenrechts (OR) und des Arbeitsgesetzes (ArG), nebst speziell erwähnten weiteren Rechtsquellen. Im konkreten Einzelfall hängt die Eignung oder rechtliche Durchsetzbarkeit der hier präsentierten Vorgehensweisen zwingend von weitergehendem qualifiziertem Rechtsrat ab. Dies nicht nur, aber auch, weil der Umfang des vorliegenden Beitrags redaktionell eng limitiert und somit unvollständig ist.

 

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Dr. Heinz Heller 
praktiziert als Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Er berät überwiegend Arbeitgeber und Manager.

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