Buchtipp

Was bleibt, wenn alles anders ist?

Stets getrieben, fremdbestimmt und ständig erreichbar? Tatjana Strobel verlor den Blick für das Wesentliche: Für die eigenen Gefühle, Instinkte und ihre Intuition. Um sich selbst wieder näher zu kommen, macht sie sich auf in den kenianischen Dschungel. Das Buch «Was bleibt, wenn alles anders ist?» ist ein Erfahrungsbericht, der Wege zeigt, um wieder zu sich selbst zu finden.

Frau Strobel, wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben?

Das Buch ist das Resultat meiner Reise. Es war schnell klar, dass ich dieses Abenteuer und die damit verbundenen Erkenntnisse teilen muss.

Der Wunsch nach dieser Reise, war ein schleichender Prozess. Ich hinterfragte mich und meinen Lebensstil über Monate hinweg, fühlte diese Leere und ging kritisch mit mir ins Gericht. Ich lebte im Widerspruch bodenständig zu sein und gleichzeitig im Luxus zu leben.

Mit jedem Projekt und jedem Buch, stieg der Druck, erfolgreich sein zu müssen, erneut einen Bestseller zu landen, das Vorherige noch zu toppen. Jedes Jahr mussten sich meine Umsätze steigern, um mein Ego zu befriedigen und meine immer grösser werdenden materiellen Wünsche zu erfüllen, das Leben der erfolgreichen Autorin zu leben.

Ich häufte so viel Mist an, und stellte immer wieder fest, dass auch die neuste materielle Errungenschaft mich nicht wirklich glücklicher machte, sondern die Leere weiter zunahm.

Den Höhepunkt meiner Fragen war erreicht, als ein sehr erfolgreicher Unternehmer aus der Schweiz in meine Hypnosetherapie kam. Ich kannte ihn aus den Medien, und war überrascht, dass er Unterstützung benötigte. Er – gutaussehend, international erfolgreich, verheiratet, zwei wunderbare Kinder, ab und an auf dem Cover von Hochglanz-Zeitschriften – hatte Panikattacken und wusste nicht mehr weiter.

Das war der Moment, in dem ich wusste: Ich muss etwas ändern! Ich wollte herausfinden, wer ich sein werde, wenn Erfolg und Geld nicht mehr zählen, was bleibt, wenn alles anders ist. Und so machte ich mich auf, ins grösste Abenteuer meines Lebens.

Hatten Sie keine Angst, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen?

Nein, überhaupt nicht! Ich habe diese Reise ja ausgewählt. Allerdings bekam ich die Ängste meiner Freunde, Bekannten und Kunden zu spüren. Alle waren der Meinung, sie müssten mich vor irgendetwas warnen oder auf etwas hinweisen. «Du musst dich dringend impfen lassen», «Was machst du, wenn die Männer des Stammes über dich herfallen?», «Hast du keine Angst vor wilden Tieren?». Ich begriff schnell, dass jeder nur seine eigene Angst aussprach, beim Gedanken in den Busch zu ziehen.

Wie haben Sie sich auf die Reise vorbereitet?

Ich habe mit den Menschen vor Ort gesprochen, konnte das Leben in der Theorie nachvollziehen und erstellte mit deren Hilfe eine Liste von Dingen, die ich vor Ort benötige. Meine Sponsoren gaben mir zudem eine kleine Solarausrüstung, einen Wasseraufbereiter, Flipflops und Spielsachen mit auf den Weg. Mein Gepäck betrug 70 kg, wobei nur 10 kg für meine eigenen Bedürfnisse waren. Im Busch braucht man kaum etwas.

In Ihrem Buch geht es darum, sich selbst und seine Bedürfnisse kennenzulernen. Wie erhalte ich Klarheit über die eigenen Wünsche und Ziele?

Natürlich muss nicht jeder eine solche Reise machen, um sich selbst kennenzulernen. Wer sich selbst näherkommen möchte, braucht eine äussere Ruhe. Dies kann durch tägliche Meditation, Spaziergänge in der Natur ohne Ablenkung wie Musik, ein Schweige-Retreat oder auch eine längere Wanderung erreicht werden. Alle Wünsche und Bedürfnisse sind in uns verankert. Es braucht lediglich Ruhe, um diese zu spüren, aufkommen zu lassen. Wenn im «Aussen» Ruhe herrscht, erhält das Innere einen wundervollen Klang.

«Überleben» ohne Freunde, Kaffee, Zucker, soziale Medien und sanitäre Anlagen. Was haben Sie am meisten vermisst?

Spannenderweise habe ich mich sehr schnell an die Gegebenheiten vor Ort angepasst und gewöhnt. Ich hatte es mir schwerer vorgestellt, auf den gewohnten Luxus zu verzichten. Was mir wirklich sehr gefehlt hat war, das Erlebte mit meinem engsten Umfeld zu teilen. Ich führte Selbstgespräche und erzählte gedanklich meinen Freunden von meinen Erkenntnissen. Um später ja nichts zu vergessen, führte ich Tagebuch.

Und worüber ich heute sehr dankbar bin, ist die Erfindung der Toilette. Wer im Busch Magendarm-Probleme hat weiss, wie wertvoll es ist, sich auf der flauschigen Badezimmermatte niederlassen zu dürfen, um auf die nächste Welle zu warten.

Und was hat Ihnen gar nicht gefehlt?

Der tägliche Luxus wie Wasser aus der Leitung, Strom, ein Bett, drei Mahlzeiten. Das hat mich sehr überrascht. Wahrscheinlich sagt man deshalb: Der Mensch ist das anpassungsfähigste Wesen auf diesem Planeten. Diese Erfahrung hat mich sehr sensibel im Umgang mit den natürlichen Ressourcen gemacht.

Was hat bei Ihnen den grössten Eindruck hinterlassen?

Die Fürsorge, Wärme und Verantwortung, die ein wildfremdes Volk mir entgegenbrachte, hat mich sehr berührt. Ich gehöre als Familienmitglied zum Stamm dazu. 1-2 Mal pro Jahr reise ich dorthin, um wieder «back to earth» zu kommen.

Sie haben auf Ihrer Reise das «Rad des Lebens» entworfen. Können Sie uns dieses kurz erläutern?

Ich stellte mir im Busch die Frage: Was ist wirklich wichtig im Leben? Dann habe ich eine Top-8 Liste erstellt und diese «das Rad des Lebens» genannt. Alles greift ineinander, jedes Rad ist von den anderen Rädern abhängig. Dreht sich ein Rad nicht oder zu wenig, hat dies Auswirkungen auf alle anderen Lebensbereiche.

Die 8 Lebensbereiche lauten: Gesundheit, Beziehungen aller Art, Beruf, Finanzen, soziales Engagement, Freizeitaktivitäten, Spiritualität, und Berufung. Dieses Rad des Lebens erarbeite ich auch in meinen Einzelcoachings.

Was können Sie den Lesern mit auf ihren persönlichen Weg geben?

Es ist nicht immer das, wonach wir streben, was uns glücklich macht. Unsere materiellen Wünsche überlagern häufig, was wirklich wichtig wäre. Am Ende geht es (wenn die Basisbedürfnisse gedeckt sind) darum, welche Freunde wir haben, wie stark wir uns aufeinander verlassen können, wie wir angenommen, wahrgenommen werden und dass wir uns, in uns selbst, sicher und geborgen fühlen. Dazu eine erfüllende, sinnstiftende Aufgabe, sich selbst ein Stück weit verwirklichen zu dürfen und schöne Spuren in der Welt hinterlassen zu können.

Buchtipp

[[{"fid":"28246","view_mode":"default","fields":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Buchtipp Was bleibt","field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""},"link_text":null,"type":"media","field_deltas":{"1":{"format":"default","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Buchtipp Was bleibt","field_file_image_title_text[und][0][value]":false,"field_image_description[und][0][value]":""}},"attributes":{"alt":"Buchtipp Was bleibt","style":"height: 203px; width: 130px; float: left;","class":"media-element file-default","data-delta":"1"}}]]Tatjana Strobel verlor den Blick für die eigenen Gefühle, Instinkte und ihre Intuition. Um sich selbst wieder näher zu kommen, macht sie sich auf in ein Abenteuer. Weg von der Zivilisation, ohne Strom, Internet und Fitnesstracker. Beim Urvolk der Mijikendas im kenianischen Dschungel. Was bleibt, wenn Luxusgüter, Freizeitstress und berufliche Erfolge zur Selbstinszenierung nicht zur Verfügung stehen? Ein ungewöhnlicher Erfahrungsbericht, der Wege aufzeigt, um wieder zu sich selbst zu finden.

Tatjana Strobel: Was bleibt, wenn alles anders ist? Was ich am anderen Ende der Welt über mich selbst gelernt habe, mvg, 2018, 224 Seiten.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Redaktorin, HR Today. mv@hrtoday.ch

Weitere Artikel von Manuela Vock

Online-Redaktorin, HR Today. es@hrtoday.ch

Weitere Artikel von Eliane Stöckli

Cela peut aussi vous intéresser