HR Barcamp

Das grosse Camp

Vergangenen Donnerstag fand zum zweiten Mal das HR Barcamp in Zürich statt. Von Cultural Fit über Leadership-Themen bis zu Coaching wurde diskutiert, was das Zeug hielt.

Der anhaltende Regen vermochte die rund hundert Teilnehmenden nicht davon abhalten, sich am diesjährigen HR Barcamp pünktlich um neun Uhr morgens zu Kaffee und Gipfeli einzufinden. Trotz des getrübten Wetters waren die Teilnehmenden ausgelassen gestimmt und der Gesprächsgeräuschpegel dementsprechend hoch. Neben neuen Gesichtern waren unter der Teilnehmermenge auch viele erprobte HR-Barcamper auszumachen. So etwa Gianni Raffi, HR-Manager bei Swiss Life, oder HR-Today-Blogger Michel Ganouchi.

Das HR-Barcamp-Organisationsteam, bestehend aus Jennifer Delorme, Matthias Mäder und Jörg Buckmann,  gab die Spielregeln des HR Barcamps bekannt: Alle sind miteinander per Du, auf den Namensschildern sind ausser dem Vornamen keine Angaben zur Firma oder zur Position aufgedruckt. Zehn Minuten hatten die Teilnehmenden danach Zeit, sich Gedanken über ihr Anliegen zu machen, über das sie mit den Barcampern diskutieren wollten, und dieses zu Papier zu bringen.

Die Bandbreite der präsentierten Themen reichte von «Ü50 - Jungunternehmen im Pensionsalter» über «Wie nutzt man Snapchat im Employer Branding» bis zu Trends wie «Führen ohne Führen.» Die auf einer Pinnwand angeordneten A4-Blätter mit den Themenwünschen waren bald mit roten Abstimmungspunkten «zugepflastert». Wer besonders viele Punkte erhielt, durfte eine Session durchführen.

Cultural Fit und Bauchgefühl

«Wie erkennt man den Cultural Fit bereits im Vorstellungsgespräch», lautete der Titel einer dieser Sessions, der sich etwa zwanzig Teilnehmende anschlossen. Schlussendlich entscheide sie meist nach «Bauchgefühl», meinte die Sessionsorganisatorin. Dennoch frage sie sich, ob es nicht irgendwelche Tools gebe, um möglichst früh herauszufinden, ob jemand zum Unternehmen passe. «Unternehmenswerte definieren und für Führungskräfte sowie Mitarbeitende erlebbar machen», lautete ein Lösungsansatz. Bei Haufe Umantis habe man sich immer wieder die Frage gestellt: Wie wollen wir zusammenarbeiten, und das in einem Manifest niedergeschrieben. Um festzustellen, ob ein Kandidat passt, findet jeweils ein Teaminterview statt. In Rollenspielen erfragen die Teammitglieder, wie sich der Kandidat in bestimmten Situationen verhält. Die Frage «welche Skills haben wir im Team und welche fehlen noch?» sei doch viel mehr entscheidend, widersprach ein Barcamper. Konsens herrschte schliesslich darüber, dass es in vielen Unternehmen eine Wunschkultur und Wunschwerte gibt, die jedoch nicht gelebt werden und dass sich der Kandidat oft anpasst und die gewünschten Antworten gibt, um den Job zu erhalten.

Doch nicht nur der Kandidat präsentiert sich von seiner Schokoladenseite, so die Erfahrung der Runde. Auch die Unternehmen zeichnen ihre Situation häufig zu rosarot: «Es ist besser, ein realistisches Bild zu zeigen und die Dinge beim Namen zu benennen», fordert ein HR-Barcamper. Zudem gelte es sich auch zu fragen, welche Art von Menschen man für eine künftige Kultur an Bord holen wolle. Dazu müsse sich ein Unternehmen hinterfragen: Wie ist es jetzt und wie soll es morgen sein? Geht es bei der Anstellung trotzdem schief, sei der Lerneffekt bei den «Dropouts» vor oder nach der Probezeit am höchsten, denn aus den Absagegründen liessen sich Handlungsempfehlungen ableiten.

Von der Pyramide zum Netzwerk

Es folgte eine kurze Kaffeepause und dann ein Raumwechsel. «Coach versus HR» lautete das nächste Thema. Dabei ging es um die handfeste Transformation einer Organisation von der Pyramide mit hierarchischen Strukturen zu einer Netzwerkstruktur, wobei selbstorganisierende Teams in Einheiten (Squats) und übergeordneten Gruppen (Tribes) gebildet werden und das HR zum Organisationsentwickler und zum Mitarbeitercoach wird. Daniel, der dieses Thema vorgeschlagen hatte, wollte wissen, ob sein Modell für die Anwesenden Sinn macht. Nicht ganz, scheint es. So lautete gleich einer der ersten Gegenvorschläge, die Organisationsentwicklung und das Coaching der Mitarbeitenden voneinander zu trennen und die Aufgaben dieses Coaches genau zu definieren.

Der Coach sei ein Enabler, der den Mitarbeitenden hilft, in der Organisation den richtigen Platz und die richtige Rolle zu finden, in der er sich weiterentwickeln kann. Für einen anderen Teilnehmer stand hingegen die Selbstbefähigung im Vordergrund, denn bei jeder neuen Team-Mission in der neuen Organisationsform würden andere Fähigkeiten oder Ressourcen gebraucht. Je mehr jemand in eine solche Organisation hineinwachse, desto grösser und stärker werde jedoch das Firmennetzwerk. Dazu müsse aber jeder wissen, was er könne und was nicht und wie er seine Stärken nutzen wolle. Und damit war die Stunde schon wieder vorbei.

Gesangseinlage zur Auflockerung

Langsam marschieren die Teilnehmenden wieder in die Aula zurück, wo bereits der «Special Guest» wartete: Giuseppe, ein Prospective-Mitarbeitender, der auf Youtube zum Star avanciert ist, verzeichnen seine schweizerdeutschen Lieder doch monatliche Zugriffsraten von 38'000 Klicks. Um das Gesagte zu belegen, liefert er gleich eine vielbeklatschte Gesangseinlage eines auf Schweizerdeutsch übersetzten Justin-Bieber-Songs. Während der Semesterferien habe er seinen Song auf Youtube heraufgeladen und sich nichts weiter dabei gedacht. Dann wurde sein Lied «viral», Radiostationen sprangen auf und luden «Giusi» ins Studio ein.

In einer der nächsten Sessions ging es um das Thema «Future Leadership / High Potential», wo sich Pieter von der Swisscom Ratschläge zur internen Nachfolgeplanung einholen wollte. Schnell entspann sich eine Diskussion, ob ein Talent immer zur Führungskraft entwickelt werden müsse. Die Teilnehmenden gaben auch Tipps: Etwa die Mitarbeitenden fragen, wie sie geführt werden wollen, oder überlegen, wo das Unternehmen noch Schwachpunkte hat und welche Kompetenzen fehlen, sogenannte «Pain points» identifizieren und diese dann gezielt «heilen». Ein Diskussionsteilnehmer warf ein, dass es zu unterscheiden gelte zwischen Kompetenzen und Potenzial: Wer gewisse Kompetenzen erfülle, sei ein High Potential. Und Führungskräfte müssten geschult werden, um solches Potenzial zu erkennen. Diskussionsleiter Pieter warf ein, dass allenfalls manche gefördert werden, die über unerwünschte Eigenschaften verfügten, zum Beispiel Mitarbeiter, welche regelmässig 60 Stunden pro Woche arbeiten.

Bewerbung abschaffen?

Rege diskutiert wurde in der nächsten Session unter dem Titel «Schafft die Bewerbung ab». Sessionsleiter Michel Ganouchi, der dazu auf blog.hrtoday.ch auch einen viel beachteten Beitrag veröffentlicht hatte. Am Begriff «bewerben» störte ihn, dass dieser keinen Dialog auf Augenhöhe impliziere, sondern die eigentlich gesuchte Fachkraft zur Bittstellerin degradiere. Deshalb sollten Unternehmen doch einfach ein Kennenlernen ermöglichen, so Michels Forderung.

Eine Barcamperin ergriff das Wort und erzählte, dass ein solches Kennenlernen bei Alstom tatsächlich erfolgreich implementiert worden sei: Und zwar gebe es dort Workshops, um das Unternehmen, seine Dienstleistungen und Produkte, vorzustellen. Für den Anlass machte Alstom vor allem an Hochschulen Werbung. Eine bedenkenswerte Geschichte erzählte eine andere Barcamperin: «Ein Kollege von mir würde sich nie regulär bewerben, das hat er noch nie getan.» Er habe ein grosses Netzwerk und die Firmen kämen regelmässig auf ihn zu. So sei auch das Bewerbungsgespräch eigentlich mehr ein informeller Austausch. Bewerbungshürden abzubauen sei wichtig, lautete eine weitere Wortmeldung. Denn viele High Potentials verfügten über keinen CV, sondern nur über ein Linkedin-Profil. «Viele Firmen beklagen sich, dass sie keine guten Leute bekommen, sie sind aber nicht bereit, den Prozess zu vereinfachen.» HR müsse insofern zunehmend über Verkaufstalent verfügen und eine Stelle einer Fachkraft «verkaufen».

Damit war das zweite HR Barcamp schon fast Geschichte: Einen gemütlichen Ausklang fand der Tag bei einem leckeren Apéro, bevor sich nach und nach alle Teilnehmenden auf den Heimweg machten.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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