20 Jahre HR Today

«Die lebenslange, monogame Arbeitsbeziehung ist heute eine Ausnahme. Da lag ich goldrichtig.»

Die Arbeitswelt müsse neu organisiert werden, forderte Elisabeth Michel-Alder bereits in der HR Today Ausgabe vom Januar 1999. Anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums von HR Today haben wir ihr diese Ausgabe nochmals vorgelegt und sie nach ihrer heutigen Sicht auf die Arbeitswelt gefragt.

Die Arbeitswelt verändert sich ständig und ein Blick in die Zukunft erweist sich als überaus schwierig. So auch für Elisabeth Michel-Alder. Während eine lebenslange Anstellung beim selben Arbeitgeber für sie schon vor der Jahrtausendwende ein Auslaufmodell war, haben Teilzeitpensen seither an Terrain zugelegt, obschon sich gemäss Alder «nicht alle Arbeit teilen lässt.»

Noch arbeiten weniger als fünfzig Prozent aller Arbeitskräfte selbständig, während die Auslandsverlagerung der Produktionsarbeit vorangeschritten ist und viele inländische Arbeitsstellen obsolet wurden. Heute würde sie einige Aussagen ändern. Etwa ihr «hohes Lob der Teilzeitarbeit».

Frau Michel, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Ihr von Interview von 1999 durchlesen?

Elisabeth Michel-Alder: Das hohe Lob der Teilzeitarbeit würde ich so nicht mehr anstimmen. Frauen, die jahrzehntelang nur Erwerbsarbeit in kleinen Pensen leisten, brachten und bringen sich um Karrierechancen. Beim Eintritt ins Rentenalter fallen sie aus allen Wolken, wenn ihnen nur kleine Summen aus der zweiten Säule als Pension zustehen. Teilzeitjobs sind natürlich ok – aber nur für begrenzte Zeit. Die lebenslange, monogame Arbeitsbeziehung ist heute eine Ausnahme. Da lag ich goldrichtig.

1999 prophezeiten Sie, dass Firmen bis 2008 nur noch die Hälfte der Arbeitnehmenden fest beschäftigen. Das ist bis heute nicht so. Halten Sie an dieser These fest?

Der Prozess ist voll im Gang. Grosse Unternehmen konzentrieren sich auf ihre wesentlichsten Funktionen und lagern Scharen von Mitarbeitenden in Beschäftigungsgesellschaften aus. So lässt Apple seit Jahren praktisch alle Geräte in Asien unter anderer Regie produzieren. Meine Prognose war vielleicht etwas vorschnell. In den USA arbeitet bereits ein Drittel der Erwerbstätigen als Freelancer und Selbständige. Von öffentlichen Dienstleistern wie Spitälern, Polizei, Heimen, Verkehrsbetrieben oder Bildungseinrichtungen wird dagegen eine verlässliche und kontinuierliche Beschäftigung erwartet. Sichere Anstellungen auf Jahrzehnte hinaus sind in der Privatwirtschaft und bei staatsnahen Betrieben wie der Post oder der SRG jedoch Ausnahmen. 

Serie: 20 Jahre HR Today

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HR Today wird 20 Jahre alt. Am 5. Juni 2018 feiern wir unser Jubiläum. Bis dahin blicken wir jede zweite Woche zurück auf den HR-Diskurs der vergangenen 20 Jahre. Dafür haben wir im Archiv gekramt, alte Artikel ausgegraben und uns auf die Suche gemacht nach den damaligen Protagonistinnen und Protagonisten sowie ehemaligen Chefredaktorinnen, um mit ihnen über die Entwicklungen im HR zu sprechen. Zur Übersicht

Als neue Arbeitsform nannten Sie Solidargruppen, deren Teilnehmer sich gegenseitig absichern oder Arbeit in Projekten. Wie sehen Sie dies heute?

Die Solidargruppe suche ich mit der Lupe ... da hat mich die Idealistin in mir überlistet. Damals kämpften alle mit den Folgen einer Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit war hoch. Dass das Arbeitsvolumen im dynamischen Wandel öfter in Projekte, Aufträge, Pilotversuche, Kreativ-Teams oder auf selbstgesteuerte Gruppen aufgeteilt wird, erlebe ich hingegen täglich.

Müssen wir Arbeit überhaupt neu organisieren? Heute sind in der Schweiz mehr Leute denn je festangestellt ...

Das ist nur so, weil die absolute Zahl der Erwerbstätigen deutlich gestiegen ist! Flexibilität ist heute das A und O. Im Kontakt mit jungen Menschen stosse ich auf Wünsche und Erwartungen, in internationaler und thematischer Breite Erfahrungen zu sammeln. Auch in Projekten und in zeitlich begrenzten Engagements. Vielleicht ändern sich deren Vorstellungen jenseits der 40, wenn Kinder zu erziehen sind? In der Altersgruppe der Ü55 steigt die Zahl der Selbständigen jedenfalls kontinuierlich. Viele von ihnen stellen sich nicht freiwillig auf die eigenen Beine. 

Wenn Sie heute einen Ausblick wagen, wie sieht für Sie die Arbeit der Zukunft aus?

Etwa die Hälfte der 1997 Geborenen wird rund 100 Jahre alt. Das bedeutet, dass wir ungefähr 60 Jahre Erwerbsarbeit leisten werden. Da geraten biografische Muster gehörig durcheinander. So brauchen Frauen und Männer in allen Lebensdekaden Erwerbsarbeit, substanzielle Weiterbildung für die Employability und Phasen für die Regeneration im Sinne eines «Ruhestands» für Standortbestimmungen und die Entwicklung ihrer Identität. 

Zur Person

Elisabeth Michel-Alder ist ausgebildete Sozialwissenschafterin und führt seit zwanzig Jahren eine Unternehmensberatung in Zürich. Vor über zehn Jahren hat sie das Netwerk «Silberfuchs» gegründet, das sich mit der Erwerbsarbeit in einem langen Leben und den Chancen der Ü50 in der Arbeitswelt befasst. 

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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