HR Today Nr. 12/2017: Porträt

Die Nachwuchsförderin

Ihre Berufslaufbahn startet Anja Ruch als Praktikantin im Gesundheitswesen. Über eine KV-Lehre bei PwC kommt sie erstmals mit HR-Themen in Berührung. Heute ist die 35-Jährige Leiterin HR und Verantwortliche Berufsbildung beim Schweizerischen Skiverband Swiss Ski.

Im Haus des Sports am Hauptsitz von Swiss Ski in Muri bei Bern lächelt die gesamte Schweizer Ski-Prominenz von den Wänden. Etwa Simon Ammann, Dario Cologna, Beat Feuz, Lara Gut oder Carlo Janka. Trotz der vermeintlichen Nähe zu den Stars hat HR-Leiterin Anja Ruch mit ihnen – mit Ausnahme von ehemaligen Ski-Spitzensportlern, die bei Swiss Ski arbeiten – nur zu tun, wenn es um Versicherungsfragen oder Unfälle geht. «Ich bin froh, wenn ich nicht allzu viel von ihnen höre, weil es sich sonst meist um Verletzungen handelt und die Athleten ihren Beruf nicht ausüben können.»

Um das Wohlergehen der Nachwuchs-Skitalente kümmern sich die bei Swiss Ski angestellten Trainer, Physiotherapeuten, Konditionstrainer, Servicefachmänner und die im Backoffice Beschäftigten. Mit dem Schweizer Nationalsport verbindet Anja Ruch eine tiefe Leidenschaft: «Ich bin schon mit dreieinhalb Jahren auf den Ski gestanden und habe mit meinen beiden Brüdern, meiner Mutter und meiner Grossmutter jedes Jahr meine Skiferien im Hoch-Ybrig verbracht.» Bis vor ein paar Jahren hatte sie eine Ferienwohnung in Lenk gemietet und ist jedes Winterwochenende skigefahren. Heute widmet sie sich diesem Hobby wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen weniger oft.

HR und Berufsbildung in Personalunion

Nebst dem attraktiven Brand habe sie die Aussicht gereizt, bei Swiss Ski das HR zu entwickeln und zu professionalisieren. Davor habe sich ihr Vorgesetzter, der Direktor Finanzen und Dienste, nebenbei um das HR gekümmert. Mittlerweile ist Anja Ruch über zwei Jahre beim Verband tätig und kümmert sich in Personalunion um alle personellen Belange von der Administration, der Rekrutierung und Betreuung der Mitarbeitenden bis hin zu HR-Projekten und ist gleichzeitig auch für die Berufsbildung verantwortlich.

Dabei nehme die Administration zeitweilen überhand. Im November erhielt Anja Ruch nun Verstärkung durch eine Sachbearbeiterin. «Dann kann ich mich vermehrt unseren strategischen HR-Projekten annehmen.» Etwa dem Personal-Controlling. Allzu viel liefe noch über Excel. Nun soll «ein flottes HR-Controling» entstehen. Daneben beschäftigten Anja Ruch zahlreiche HR-Projekte. Etwa ein neuer Mitarbeitergesprächsbogen, der dieses Jahr eingeführt wurde, oder der Rekrutierungsprozess, den sie vereinheitlicht hat.

Nachwuchsförderung wird dabei nicht nur im Leistungssport grossgeschrieben, sondern auch bei den Angestellten am Berner Hauptsitz. So bietet der Verband jährlich eine Ausbildungsstelle für Sportler an. «Damit wollen wir Talenten eine Berufschance geben.» Etwa einem jungen Fussball-Nachwuchsspieler, der morgens und abends bei YB trainiert und tagsüber eine KV-Lehre absolviert. Im Unterschied zu anderen KV-Lernenden verbringt der Sportnachwuchs zwar weniger Zeit am Arbeitsort, erhält jedoch keine Sonderbehandlung: «Die Ausbildung ist für alle gleich.» Für die jungen Sport-Talente bedeute dies, Schule, Ausbildung am Arbeitsplatz und den Sport unter einen Hut zu bringen.

Nachwuchsförderung als Herzensangelegenheit

Ob Sporttalent oder nicht: Jungen Menschen einen guten Berufsstart zu ermöglichen, ist für Anja Ruch eine Herzensangelegenheit: «Man sollte Jungen eine Chance geben, egal, wie alt sie sind und woher sie kommen.» Dabei spricht die 35-Jährige aus eigener Erfahrung: «Sie sind zu alt und nicht mehr formbar. Wir wollen lieber jemand Jüngeres», sind Worte, die sie geprägt haben, als sie sich 20-jährig um eine KV-Lehrstelle beworben hat. «Ich wollte eigentlich immer Hebamme werden», erinnert sich Anja Ruch an ihren ursprünglichen Berufswunsch. Dieses Ziel verfolgt sie konsequent und ergattert bereits in der zweiten Sekundarschule eine Pflegefachfrau-Lehrstelle. Weil sie noch nicht 18 ist und damit zu jung, um diese sofort anzutreten, besucht Anja Ruch 1999 die Vorschule für Berufe im Gesundheitswesen und macht «im hintersten Teil des Maggiatals» ein Pflegepraktikum in einem Alterspflegezentrum. Nebst unsäglichem Heimweh plagt sie der Tod von ihr anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohnern. «Ich habe viele ältere Frauen betreut und gepflegt. Da baut man eine Bindung auf.» Mit dem Sterben kommt Anja Ruch nicht klar. «Für mich waren diese Erlebnisse zu einschneidend, da ich vorher keine Erfahrungen mit dem Tod gemacht hatte.»

Zur Person

Anja Ruch (35) wächst mit zwei älteren Brüdern in Grenchen auf und absolviert dort die Primar- und Sekundarschule. In Solothurn besucht sie die Schule für Berufe im Gesundheitswesen. Als sie während eines Praktikums mit dem Tod von ihr anvertrauten Betagten nicht zurechtkommt, macht sie eine Kehrtwende und entscheidet sich für eine KV-Lehre. Diese absolviert sie bei PwC und findet dort den Einstieg ins HR. Es folgt eine Weiterbildung zur Sachbearbeiterin Personalwesen und der Wechsel zu PwC Zürich, wo sie in der Personalsachbearbeitung verschiedene HR-Aufgaben übernimmt.

Um sich weiteres administratives HR-Know-how anzueignen, wechselt Ruch 2010 als Payroll-Spezialistin zum Insulinpumpenhersteller Ypsomed in Burgdorf. Nebenbei bildet sie sich zur Personalfachfrau weiter.

2012 folgt eine weitere Station bei der Feintool Technologie AG, wo sie zur stellvertretenden HR-Leiterin aufsteigt, bevor sie 2013 bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UDB) die Personalverantwortung der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Direktion für Pflege und Pädagogik übernimmt. Knapp zwei Jahre später wechselt sie zu Swiss Ski und schliesst eine Weiterbildung zur diplomierten Personalleiterin NDS HF ab.

Von der Migros-Käsetheke zu PwC

Sie kündigt ihren Lehrvertrag und eröffnet ihren Eltern an Weihnachten, dass sie ab Ende Februar arbeitslos sei. Zwei Wochen hält Anja Ruch es zu Hause aus, bevor sie die Langeweile packt und sie bei der Migros eine 80-Prozent-Stelle als Verkäuferin hinter der Käsetheke antritt. Eine Arbeit, die sie schon aus ihrer Schulzeit kennt und die ihr gefällt. «Ich hatte dort ja auch mit Leuten zu tun. Den Kunden ein Lachen aufs Gesicht zu zaubern, machte mir Freude.» Obwohl sie bei der Migros eine Detailhandels-Lehre hätte machen können, bevorzugt sie das KV. Nach etlichen Bewerbungen und ebenso vielen Absagen findet sie 20-jährig bei PwC Gehör und beschäftigt sich in den folgenden drei Jahren mit Treuhandaufgaben «obwohl ich gar kein Zahlenmensch bin». Nach dem Lehrabschluss im Jahr 2006 wechselt sie als Projektassistentin in einen anderen Bereich des Beratungsunternehmens. Dort kommt sie bei der Rekrutierung und der Betreuung der Praktikanten erstmals mit HR in Berührung und bildet sich zur Sachbearbeiterin Personalwesen weiter. 2008 folgt ein Wechsel zu PwC Zürich, wo das HR angesiedelt ist. Als Personalsachbearbeiterin dokumentiert Anja Ruch fortan HR-Prozesse, schreibt Zeugnisse und stellt Verträge aus. Um sich weiteres administratives HR-Know-how anzueignen, wechselt Ruch 2010 als Payroll-Spezialistin zum Insulinpumpenhersteller Ypsomed in Burgdorf, wo sie sich zur Personalfachfrau weiterbildet.

Zähes Ringen

Ein Wechsel, der es in sich hat, denn bei PwC hatte sie es «nur mit studierten Leuten» zu tun ge­habt. Bei Ypsomed hingegen trifft sie in der Produktion auf ungelernte Menschen mit wenig Deutschkenntnissen. «Ich musste lernen, mich anders auszudrücken, damit mich die Produktionsmitarbeitenden verstanden.» Bald genügen ihr die administrativen Tätigkeiten nicht mehr. Sie strebt nach einer HR-Business-Partner-Position. Obschon ihr eine solche mit den Worten «sobald eine Stelle frei wird» in Aussicht gestellt wird, verlässt sie das Unternehmen 2012, um beim Werkzeughersteller Feintool in Lyss (BE) als stellvertretende HR-Leiterin zu arbeiten. «Es ging mir bei Ypsomed einfach nicht schnell genug.»

Ein Schritt, den sie heute nicht mehr machen würde: «Ich konnte mich mit der Werkzeugbranche einfach zu wenig identifizieren.» Bald zeichnet sich zudem ein Generationenkonflikt zwischen der etablierten HR-Leiterin und ihrer neuen Stellvertretung ab: «Wir hatten ein unterschiedliches Verständnis, wie HR funktionieren sollte.» Trotz dieser Diskrepanz beisst sich Anja Ruch zehn Monate durch. «Ich gebe nicht so leicht auf und hoffte, es würde doch noch besser werden.» Als ihre Vorgesetzte schwer erkrankt, übernimmt Anja Ruch unverhofft die gesamte HR-Verantwortung. Doch als man ihr wenig später eine neue HR-Chefin «vor die Nase setzt», anstatt sie nachzuziehen, wirft sie Mitte 2013 die Flinte ins Korn. «Ein längeres Verbleiben konnte ich mit mir selbst nicht vereinbaren. Ich wollte keine neue Chefin haben.»

Back to the Roots?

Bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) erfüllt sich der Wunsch nach einem Wechsel in eine HR-Beraterfunktion. Fortan ist sie als Personalverantwortliche der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Direktion für Pflege und Pädagogik für rund 500 Mitarbeitende zuständig, die sie zusammen mit einer HR-Assistentin betreut.

Back to the Roots? – «In gewisser Weise schon», sagt Ruch. «Ich habe bei der UPD gelernt, mit langzeiterkrankten Mitarbeitenden umzugehen, schwierige Gespräche zu führen, mich mit Krankenversicherern auseinandergesetzt, habe die Eingliederung begleitet und Vorgesetzte darin geschult, mit gesundheitsbedingten Absenzen umzugehen.»

Dennoch erlebt sie kein Déjà-vu: «Die Mitarbeitenden waren ja keine Patienten. Deshalb hatte ich mehr Distanz.» Nebst dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement beschäftigen sie die hohe Mitarbeiterfluktuation und die Organisationsentwicklung mit der Zusammenlegung und Erweiterung der Abteilungen. Gleichzeitig verfolgt sie eine Ausbildung zur diplomierten Personalleiterin NDS HF.

Trotz erfülltem Berufsleben kündigt sie nach knapp zwei Jahren und geht zu Swiss Ski. Nicht etwa, weil ihr die Arbeit bei der UPD nicht mehr gepasst habe, sondern weil sie bei Swiss Ski die Gelegenheit vorfand, in einer neu geschaffenen HR-Stelle «das HR so aufzubauen, wie ich mir das vorstelle».

Swiss Ski

1904 gegründet, betreut Swiss Ski elf Sportarten, die von Ski Alpin über Snowboard und Telemark bis zu Freeski reichen. Swiss Ski zählt über 100 000 Mitglieder und betreut 280 Athleten.
Am Berner Sitz arbeiten 51 Angestellte, zwei Lernende und drei Praktikanten. Daneben sind 160 Trainer, Ärzte und Betreuer für die Organisation tätig sowie rund 10 000 Freiwillige, die an verschiedenen Sport-Events mitarbeiten.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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