HR Today Nr. 11/2016: Arbeit und Recht

Durchhalteprämie – freiwillige Leistung oder Lohn?

Durchhalteprämien sollten unbedingt juristisch sauber geregelt werden, um eine allfällige unerwünschte Ablehnung des Arbeitslosenentschädigungsanspruchs durch die Ausgleichskasse zu vermeiden.

Das Urteil

Nachdem der Vertrieb der Automarke B in Europa eingestellt wurde, beendeten A und die B Suisse SA dessen Arbeitsverhältnis als Geschäftsführer einvernehmlich per 31. Dezember 2014. U. a. wurden die Bezahlung einer Abgangsentschädigung von CHF 36 266.– und eines «Retention Cash Grant» im Sinne einer Durchhalteprämie von CHF 332 800.– vereinbart. Mit dem Retention Cash Grant wollte die B Suisse SA sicherstellen, dass A als Geschäftsführer für die Einstellung des Europa-Vertriebs bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stehen würde. Die Auszahlung des Retention Cash Grant setzte voraus, dass A seine Pflichten im Rahmen der Vertriebseinstellung bis zum Vertragsende zufriedenstellend erfüllen würde. Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung wäre der Anspruch dahingefallen. Beim Übertritt in eine Gruppengesellschaft hätte A ein reduzierter Anspruch zugestanden. Infolgedessen qualifizierte die Arbeitslosenkasse den Retention Cash Grant und die Abgangsentschädigung von total CHF 369 066.– als freiwillige Leistungen der B Suisse SA im Sinne von Art. 11a Abs. 1 AVIG und ermittelte im Umfang von CHF 243 066.– (CHF 369 066.– ./. Höchstbetrag von CHF 126 000.– gemäss Art. 3 Abs. 2 AVIG) einen nicht anrechenbaren Arbeitsausfall von 17.52 Monaten und lehnte den Arbeitslosenentschädigungsanspruch von A für diese Dauer ab.

Der Entscheid der Arbeitslosenkasse wurde vom Bundesgericht mit folgender Begründung geschützt: Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt eine ganze oder teilweise Arbeitslosigkeit sowie einen anrechenbaren Arbeitsausfall voraus (Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 AVIG). Letzterer ist gemäss Art. 11a AVIG nicht anrechenbar, wenn freiwillige Leistungen des Arbeitgebers den durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Verdienstausfall decken und wenn der Höchstbetrag von CHF 126 000.– überschritten wird. Darunter liegende freiwillige Leistungen bleiben unberücksichtigt. Als freiwillige Leistungen gelten alle Leistungen, die nicht Lohn- oder Entschädigungsansprüche nach Art. 11 Abs. 3 AVIG darstellen.

Nebst der Abgangsentschädigung qualifizierte das Bundesgericht auch den Retention Cash Grant als freiwillige Leistung, weil er nur bei zufriedenstellender Leistung von A geschuldet war, deren Beurteilung im alleinigen Ermessen der B Suisse SA lag. Der Lohncharakter des Retention Cash Grant wurde aufgrund seines ganzen oder teilweisen Untergangs bei vorzeitiger Vertragsbeendigung bzw. beim Übertritt in eine Gruppengesellschaft verneint. Lohncharakter hätte vorausgesetzt, dass der Retention Cash Grant auch in diesen beiden Fällen anteilsmässig ausbezahlt worden wäre.

Konsequenz für die Praxis

Bei der Vereinbarung einer sogenannten Durchhalteprämie ist zu berücksichtigen, dass diese sowohl als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers oder als Lohnanspruch des Arbeitnehmers ausgestaltet werden kann. Daher sollte eine solche Durchhalteprämie unbedingt juristisch sauber geregelt werden, um eine allfällige unerwünschte Ablehnung des Arbeitslosenentschädigungsanspruchs durch die Ausgleichskasse zu vermeiden.

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Gloria Eschenbach, lic. iur. Rechtsanwältin, ist Partnerin und Leiterin der Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts. www.obt.ch

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