Gemeinsam die Zukunft planen

Die meisten Veränderungen in der Wirtschaft und in den Unternehmen verlaufen schleichend. Darum nimmt man sie im Alltag nicht wahr. Deshalb lohnt es sich beim strategischen Planen meist, sich zunächst zu fragen: «Was hat sich in letzten 10 oder 20 Jahren verändert?» Aus den Entwicklungslinien der Vergangenheit lassen sich Schlüsse für die Zukunft ziehen.

Unternehmerisch handeln bedeutet, die Zukunft gedanklich vorwegzunehmen und die Weichen rechtzeitig zu stellen. Das ist die Aufgabe aller Top-Entscheider in den Unternehmen.

Das ist oft nicht einfach – schliesslich ist die Zukunft noch nicht Gegenwart. Deshalb fliessen in jede strategische Planung viele Annahmen ein – zum Beispiel über folgende Fragen:

  • Wie entwickelt sich der (Arbeits-)Markt?
  • Welche Problemlösungen sind künftig (technisch) möglich?
  • Welche Kompetenzen brauchen unsere Mitarbeiter morgen?

Erleichtert wird die strategische Planung jedoch dadurch, dass die meisten Veränderungen nicht «disruptiv» verlaufen, sondern schleichend. Wenn sich im Unternehmen das Gefühl verdichtet, dass sich etwas verändern muss, lohnt es sich, sich zuerst gemeinsam – Beispielsweise in einem Workshop-Setting – zu fragen: «Wie tickte unser Unternehmen, sein Markt, seine Belegschaft usw. vor 10 oder 20 Jahren?». Aus den Ergebnissen können Sie dann ableiten, was sich seither verändert hat und was die Situation heute kennzeichnet.

Das Ergebnis einer solchen Analyse überrascht in der Regel alle Teilnehmer – aufgrund der vielen Veränderungen, die sich in der Vergangenheit vollzogen haben, die ihnen jedoch zuvor so nicht bewusst waren.

Anhand der Veränderungen in den zurückliegenden Jahren können die Workshop-Teilnehmer sich dann fragen «Welche Entwicklungslinien sind hierin erkennbar?», um sich danach im nächsten Schritt beispielsweise mit der Frage zu befassen: «Wie sieht aufgrund dieser Entwicklungslinien unser Unternehmen, die Zusammenarbeit in ihm, seine Mitarbeiterstruktur usw. voraussichtlich in fünf oder zehn Jahren aus?»

Das Ergebnis kann eine Übersicht wie folgende sein, die bei einem Workshop mit den Personalverantwortlichen in einem Grossunternehmen entstand:

Was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert?

Unternehmensstruktur:

  • 1997: Es gibt noch die Unternehmensfamilie: die «Siemens-ianer», «die Opel-aner».
  • 2017: (Gross-)Unternehmen haben weitgehend eine Holding-Struktur mit einer Mutter- und vielen Tochtergesellschaften. Die Frage «Was verbindet uns noch?» gewinnt an Bedeutung.
  • Zukunft: Unternehmen sind zunehmend lose Beziehungsnetzwerke; die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ist meist eine Kooperation auf Zeit.

Arbeitsform:

  • 1997: Die Mitarbeiter arbeiten für Abteilungen, Bereiche, (fast) jeder hat noch Seine klar umrissenen und abgegrenzten Aufgaben.
  • 2017: Bereichsübergreifende Team- und Projektarbeit dominiert.
  • Zukunft: Die Kernleistungen der Unternehmen werden zunehmend in unternehmensübergreifenden Netzwerken und mit Hilfe vieler externer Dienstleister sowie Mitarbeiter auf Zeit erbracht.

Informationstechnologie:

  • 1997: Wird zur Optimierung, Neustrukturierung lokalerArbeitsprozesse genutzt.
  • 2017: Ist der zentrale Treiber der Veränderung; durchzieht die Unternehmen, wie das Nervensystem den menschlichen Körper, die meisten Prozesse in den Unternehmen laufen computergestützt ab.
  • Zukunft: Unternehmen sind in digitale Netzwerkeeingewoben; die meisten operativen Prozesse laufen vollautomatisiert, netzgestützt ab.

Firmeninterne Personalentwicklung:

  • 1997: Versteht sich als «strategischer Partner der Unternehmensführung»; plant langfristig strategisch.
  • 2017: Strategische Personalentwicklung ist immer schwerer möglich, da belastbare Zukunftsprognosen auch bezüglich des Personal-/Kompetenzbedarfs kaum noch möglich sind.
  • Zukunft: entwickelt sich zunehmend zum Dienstleister für die Mitarbeiter auf der Shopfloor-Ebene und ihre Führungskräfte, schafft Rahmenbedingungen für selbstorganisiertes Lernen, stellt Tools zur Verfügung.

Führung

  • 1997: Erfolgt weitgehend top-down; die Führungskräfte verstehen es als ihre Kernaufgabe, ihre Mitarbeiter bei ihrer Arbeit anzuleiten und zu motivieren.
  • 2017: Versteht es zunehmend als ihre Kernaufgabe, die (bereichsübergreifende) Zusammenarbeit zu organisieren/zu koordinieren.
  • Zukunft: Kernaufgabe von Führung wird es zunehmend, Sinn zu vermitteln, Spezialisten in das Team einzubinden und diese auf das gemeinsame Ziel einzuschwören.

«gute» Mitarbeiter

  • 1997: Sind fachlich fit und erfüllen die ihnen übertragenen Aufgaben zuverlässig.
  • 2017: Sind Teamarbeiter, die über den «Tellerrand» hinausschauen.
  • Zukunft: Erkennen selbst, was es zu tun gilt, und entwickeln ihre Kompetenz eigenverantwortlich weiter.

Coaching

  • 1997: Spielt im Bereich Weiterbildung,Personalentwicklung nur eine marginaleRolle; Zielpersonen fast ausschliesslich «Executives».
  • 2017: Hat sich zu einem allgemein anerkannten Personalentwicklungsinstrument für Fach- und Führungskräfte, Teams entwickelt.
  • Zukunft: Bedeutung individueller Förder- und Entwicklungsmassnahmen steigt weiter.

Weiterbildung

  • 1997: Erfolgt weitgehend in Präsenztrainings.
  • 2017: Erfolgt zunehmend mittels Lernarchitekturen, die Online-Lernen mit Präsenz-Seminaren, -Trainings verknüpfen.
  • Zukunft: Die digitalen Medien und das selbstgesteuerte Lernen im Projekt- und Arbeitsalltag spielen eine immer grössere Rolle.

Teamentwicklung

  • 1997: Beschränkt sich weitgehend auf Teambildung (Formieren neuer Teams); häufig mit Outdoor-Massnahmen.
  • 2017: Zielt in der Regel darauf ab, die Leistung bestehender (Arbeits-)Teams zu steigern – meist im Rahmen laufender Projekte.
  • Zukunft: Zielt primär darauf ab, aus einer Vielzahl von Spezialisten «Hochleistungsteams» zu bilden, die zeitlich begrenzt zusammenarbeiten.

Aufgrund einer Übersicht wie der obigen können sich die Teilnehmer dann beispielweise fragen: «Was gilt es konkret zu tun, damit unser Unternehmen in zehn Jahren noch marktfähig ist und noch über die Mitarbeiter verfügt, die es braucht?», um anschliessend mit der Massnahmenplanung zu beginnen.

Der Vorteil eines solchen Vorgehen ist: Durch die gemeinsame Analyse, was sich in der Vergangenheit bis heute verändert hat, wird zunächst eine gemeinsame Verstehensbasis geschaffen. Zudem wird den Teilnehmern bewusst, wie viel sich in den zurückliegenden 10 oder 20 Jahren schon geändert hat und überdies, wie viele Veränderungen das Unternehmen und seine Mitarbeiter in der Vergangenheit bereits erfolgreich gemeistert haben. Entsprechend zuversichtlich befassen sie sich mit der Zukunft – insbesondere dann, wenn es primär darum geht, Entwicklungslinien, die bereits in der Vergangenheit erkennbar waren, fortzuschreiben.

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Dr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, Starzeln (Baden-Württemberg). Der Wirtschaftspsychologe ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher und war Lehrcoach an der Uni Tübingen.

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