20 Jahre HR Today

«Schade, dass weiterhin Kuschel-HR praktiziert wird»

Connie Voigt war zwischen 2005 und 2010 die zweite Chefredaktorin von HR Today. Im Interview spricht sie über Ärgernisse bei der Auseinandersetzung mit der HR-Welt und die dominierenden Themen ihrer Ära.

Frau Voigt, was hat Sie an dem Job bei HR Today gereizt?

Connie Voigt: Mit journalistischer Freiheit das HR-Feld erweitern zu können und mit meiner Arbeit zuvor als Head Global Corporate Communications zu kombinieren. Ich hatte in der Zeit bei Gate Gourmet täglich mit internationalem Linienmanagement zu tun und konnte die Herausforderungen für Management und Führung beobachten. Das alles konnte in die neue Aufgabe bei HR Today einfliessen.

Welche Ausgangslage haben Sie vorgefunden?

Als ich Cordelia Kissling im Mai 2005 ablöste, fand ich ein motiviertes zuverlässiges Team vor mit dem ich nahtlos zusammenarbeiten konnte. Am Blattkonzept haben wir nur minimal über die Jahre etwas geändert. Ich fand es beachtlich was Cordelia aus dem Nichts als erste Chefredaktorin geschaffen hat.

Welche publizistischen und journalistischen Akzente standen für Sie in Ihrer Ära im Vordergrund, auf die Sie rückblickend besonders stolz sind?

Ich bin stolz auf die inhaltliche Weiterentwicklung des Magazins durch HR-Praktiker direkt aus den Unternehmen ohne deren Interesse am Verkauf von Dienstleistungen – das war meine Linie, der ich während meiner fünf Jahre treu bleiben durfte. Zudem habe ich das HR-Feld in Richtung Verantwortung der CEOs ausgeweitet, indem ich in jeder Ausgabe möglichst mindestens ein Interview mit einem oder einer CEO hatte. Ausserdem holten wir kontinuierlich akademisches Knowhow der Schweizerischen Top-Unis in Form von neusten Studienergebnissen und Umfragen in das Magazin.

Welche Story ist Ihnen in unvergesslicher Erinnerung geblieben?

Da gibt es einige Stories, die vielleicht nachhaltigste war ein Porträt über den Executive Chairman und Hauptaktionär des globalen Transport- und Logistikunternehmens Kühne + Nagel, Herr Klaus-Michael Kühne. Als Enkel des Gründers des Familienkonzerns gab er mit in einer lupenreinen Rhetorik tiefe Einblicke in seine persönlichen Ansprüche, seine Erwartungen an Mitarbeitende und seine Meinung über Spenden. Diesem interessanten Mann zu begegnen und ein Porträt über ihn schreiben zu dürfen, empfand ich als ein Privileg.

Serie: 20 Jahre HR Today

HR Today wird 20 Jahre alt. Am 5. Juni 2018 feiern wir unser Jubiläum. Bis dahin blicken wir jede zweite Woche zurück auf den HR-Diskurs der vergangenen 20 Jahre. Dafür haben wir im Archiv gekramt, alte Artikel ausgegraben und uns auf die Suche gemacht nach den damaligen Protagonistinnen und Protagonisten sowie ehemaligen Chefredaktorinnen, um mit ihnen über die Entwicklungen im HR zu sprechen. Zur Übersicht

Auf eine kurze Formel gebracht: Was haben Sie zum Thema «Human Resources» gelernt?

Human Resources ist auch Chefsache und sollte sich viel mehr strategisch innerhalb der Linie durchsetzen.

Was war das grösste Ärgernis bei der journalistischen Auseinandersetzung mit der HR-Welt?

Ich habe mir oft mehr Mut vonseiten der HR-Verantwortlichen gewünscht und finde es heute noch schade, dass in vielen Unternehmen weiterhin Kuschel-HR praktiziert wird. Auf diese Weise wird die HR-Branche weiterhin als Kellerkind auf der Stelle treten, und das ärgert mich, da gute HR-Strategien gemeinsam mit den CEOs Transformationen erst wirklich erfolgreich machen. Ausserdem können gezielt angelegte Strategien aus dem HRM Innovation fördern. Konzepte von HR-Praktikern dazu habe ich zu meiner Zeit leider nicht auffinden können, weshalb damals kein Schwerpunktthema «HR und Innovation» zustande kam.  

Welche drei HR-Themen waren in Ihrer Ära dominierend?

Employer Branding, Interkulturelles Management, Führung. 

Was macht für Sie die DNA, die Seele, den Charakter von HR Today aus?

Ein Magazin für die ganze HR-Familie in der Schweiz.

An welche Anekdote aus dem Redaktionsleben erinnern Sie sich?

Ich erinnere mich an einen Tag, an dem eine Teamkollegin zu mir kam mit einem unglücklichen Gesicht wegen eines verquarzten Interviews mit einer Professorin. Sie mochte es mir zunächst gar nicht zeigen, da es einfach nicht verständlich war, weder für sie noch für mich, wie sich herausstellte. Es war einfach extrem witzig, uns beide hilflos vor diesem Papier brüten zu sehen und dann auch die eigene Fassungslosigkeit über so wenig Inhalt zu empfinden. Solche Dinge passieren sehr selten – und wenn doch, dann hat es eine echte Komik.

Was bleibt, wenn Sie an HR Today zurückdenken und welche Bedeutung hat diese Station in Ihrer beruflichen Karriere?

Meine 5 Jahre bei der jobindex media ag hatten eine massgebliche Bedeutung, weil ich mich danach als Executive Coach und Honorardozentin selbständig machte. Meine ersten Kunden waren Personalentwickler und andere Kontakte, die ich in der Zeit bei HR Today machte. Ausserdem wuchs während der letzten Jahre bei HR Today mein Interesse für akademische Studien. Daraus entwickelte sich dann meine Doktorarbeit, die Bereiche der Führung, Organisations- und Personalentwicklung und Kommunikation in Unternehmen untersucht. Kurz gesagt, brachten mich einige HR-Themen auf weiterführende Gedanken und waren Anstoss für eine spätere akademische Karriere.

Zur Person

Dr. Connie Voigt ist frisch promovierte Kommunikationsexpertin für Wissensaustauschprozesse und seit April 2018 Professorin und Head International Business mit einem Lehrstuhl für International Management an der HDWM Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim.

Ihre Fachkompetenz für interkulturelle Kommunikation entwickelte sie ursprünglich als in London sesshafte Fernsehproduzentin in internationalen TV-Unternehmen wie beim arabischen Sender MBC Middle East Broadcasting Corporation, beim britisch-amerikanischen Sender EBN European Business News und im Studio London des ZDF.

Beim globalen Airline Catering Konzern Gate Gourmet Gategroup in Zürich war Voigt als Head Global Corporate Communications verantwortlich für die Kommunikationsstrategie und Durchführung einer umfangreichen Post-Merger-Integration. Als Chefredaktorin entwickelte sie HR Today weiter zum Meinungsführer des Schweizerischen Human Ressource Management.

 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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