HR Today Nr. 7&8/2017: Fokus Forschung

Nur noch Gast am Arbeitsplatz?

Eine neuseeländische Studie zeigt, dass Desk Sharing im Vergleich zu traditionell proprietären Arbeitsplätzen zu unkooperativem Verhalten führt und die Interaktion mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten leidet.

Desk Sharing liegt im Trend: In der Schweiz haben bereits über 200 000 Arbeitnehmende keinen eigenen Arbeitsplatz mehr. Sie begeben sich täglich auf die Suche nach einem freien Platz im Betrieb oder müssen diesen vorab reservieren. Insbesondere grosse Unternehmen, wie beispielsweise die Credit Suisse, die SBB oder die Post, haben in den vergangenen Jahren Desk Sharing eingeführt. Da Arbeitsplätze im Durchschnitt nur die Hälfte der Zeit belegt sind, sind weniger Arbeitsplätze als Mitarbeitende nötig. Werden die Arbeitsplätze geteilt, können Unternehmen ihre Infrastrukturkosten um bis zu 30 Prozent senken.

Neben der Senkung der Infrastrukturkosten erhoffen sich die Unternehmen weitere Vorteile der non-territorialen Arbeitsplätze. Inspiriert von Googles Rutschbahnen und Meeting Lounges soll der Verzicht auf persönliche Arbeitsplätze die Teamarbeit und Kreativität der Mitarbeitenden fördern. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass das Nomadenleben am Arbeitsplatz eine gegenteilige Wirkung haben kann. Rachel L. Morrison, Dozentin für Organisationspsychologie an der Auckland University of Technology, und Keith A. Macky, HR und Research Consultant aus Neuseeland, haben 1000 Arbeitnehmende befragt und fanden heraus, dass Desk Sharing im Vergleich zu traditionell proprietären Arbeitsplätzen zu unkooperativem Verhalten und reduzierter Interaktion mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten führt.

Der Vergleich verschiedener Arbeitsplatzsettings zeigt, dass Mitarbeitende, die keinen persönlichen Arbeitsplatz haben, häufiger von negativen Interaktionen und Misstrauen zwischen Arbeitskollegen berichten, weniger Freundschaften innerhalb des Betriebs pflegen und sich von ihren Vorgesetzten weniger unterstützt fühlen. Für eine gute Zusammenarbeit förderlich ist dieser Studie zufolge ein persönlicher Arbeitsplatz in einem Zweier- oder Dreierbüro. Diese Ergebnisse führen die Forscher auf erhöhten Stress und fehlende Kontinuität zurück, die mit der täglichen Neuorientierung am Arbeitsplatz einhergehen.

Menschen sind Gewohnheitstiere und wollen sich an ihrem Arbeitsplatz nicht wie ungebetene Gäste fühlen, die ihren Platz schnellstmöglich für den Nächsten räumen sollen. Für die Praxis bedeutet dies, dass die alleinige Berücksichtigung des Sparpotenzials bei den Infrastrukturkosten zu kurz greift. Insbesondere bei wissensintensiven Tätigkeiten oder dort wo Kreativität und Innovation gefragt sind, sind Teamarbeit und Kommunikation von unschätzbarem Wert – und diesen Wert müssen Unternehmen in ihre Kos­ten-Nutzen-Abwägung bei der Gestaltung der Arbeitsplätze miteinbeziehen.

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Susanne Mehr ist wissenschaftliche Assistentin und Doktorandin am Lehrstuhl Human Resource Management, Universität Zürich
 

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