Arbeit und Recht

Spitzenboni im Lichte der aktuellen Rechtsprechung

Das Zauberwort «Bonus» fasziniert, sorgt seit der Finanzkrise aber auch für Entrüstung über die Spitzenboni gewisser Spitzenleute. Vor unserem Obligationenrecht sind aber alle Arbeitnehmer gleich. Wo ein Anspruch besteht, kann der Arbeitnehmer somit den Millionenbonus sogar dann einfordern, wenn der Arbeitgeber im Konkurs ist.

Das Bundesgericht musste sich in den vergangenen Jahren häufig mit Bonusfragen beschäftigen. Diese Rechtsprechung und ihre praktische Bedeutung sind wissenswert.

Bei Bonusstreitigkeiten stellen sich meist folgende Fragen: Ist ein Bonus überhaupt und in welcher Höhe geschuldet? Welche Auswirkungen hat die Kündigung auf den Bonus?

Folgendes ist zu beachten:

  1. Die arbeitsvertraglichen Regelungen des OR gelten unabhängig von der Vergütungshöhe oder der Funktion.
  2. Das Begriffsphantom «Bonus» ist unserem Privatrecht fremd.

In der Praxis hat sich der Begriff «Bonus» zwar längst eingebürgert. Rechtlich ist der Bonus jedoch manchmal eine Gratifikation und manchmal ein Lohn. Die Zugehörigkeit in eine der beiden Kategorien ist entscheidend für die wichtigsten Fragen.

Der Arbeitgeber hat kein Ermessen in Bezug auf die Auszahlung oder die Höhe des Bonus, wenn dieser als variabler Lohn ausgestaltet ist. Das ist dann der Fall, wenn die Ausrichtung des Bonus und seine Höhe von objektiven Kriterien (z.B. Umsatz- oder Budgetziele) abhängig sind. Variabler Lohn ist auch dann geschuldet, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt oder arbeitsunfähig ist und unabhängig vom finanziellen Befinden des Arbeitgebers, solange die bonusrelevanten Ziele erreicht werden.

Die Gratifikation ist eine Sondervergütung, die an bestimmten Anlässen (z.B. Weihnachten) ausgerichtet wird. Sie wird zusätzlich zum Lohn ausbezahlt und ist immer in einem gewissen Mass vom Willen des Arbeitgebers abhängig.

Abgrenzungskriterien

Ausgangspunkt ist, was die Parteien vereinbart haben bzw. wie viel Ermessen dem Arbeitgeber in Bezug auf den Anspruch und/oder die Bemessung des Bonus zukommt. Bonusvereinbarungen und Freiwilligkeitsvorbehalte müssen daher sorgfältig durchdacht und formuliert werden. Letztere schiessen oft über das Ziel hinaus oder wirken wie eine Formalität, die niemand ernst nimmt.

Hat sich der Arbeitgeber ein Ermessen vorbehalten, so ist er gut beraten, dieses Ermessen auch auszuüben. Die Gerichte beachten nämlich einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt nicht, wenn der Arbeitgeber von seinem Ermessen nie Gebrauch gemacht und den Bonus nie gekürzt oder gestrichen hat, obwohl er Grund dazu gehabt hätte.

Im 2002 hat das Bundesgericht zudem die sogenannte Akzessorietät zur Bedingung für die Freiwilligkeit der Gratifikation erhoben. Diese besagt, dass der Bonus nur als Zusatzentgelt zum Festlohn hinzutreten darf, zu diesem mithin akzessorisch sein muss.

Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung

Seither wurde die Rechtsprechung zur Akzessorietät immer wieder bestätigt. Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung leuchtet ein: Eine Vergütung allein oder hauptsächlich durch eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers widerspricht unserem Rechtsempfinden.

Die Akzessorietät beurteilt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das Bundesgericht hielt fest, dass der akzessorische Charakter dann kaum mehr gewahrt wird, wenn die Gratifikation regelmässig einen höheren Betrag erreicht als der Lohn. Eine feste Verhältniszahl hat das Bundesgericht nicht festgelegt; zu beachten sind auch immer die Umstände des Einzelfalles. Ist die Gratifikation nicht akzessorisch, mutiert sie zum Lohnbestandteil.

Diese Rechtsprechung wurde kritisiert. Insbesondere bei Spitzenlöhnen wurde die Anwendung dieser Schutzbestimmungen abgelehnt.

Die neue bundesgerichtliche Rechtsprechung

Das Bundesgericht hat in einem Leitentscheid vom vergangenen Februar erstmals für Klarheit gesorgt: Danach ist das Akzessorietätsprinzip bei sehr hohen Einkommen nicht anwendbar, namentlich dann, wenn der eigentliche Lohn ein Mass erreicht, das die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bei Weitem gewährleistet bzw. seine Lebenshaltungskosten erheblich übersteigt. Dann kann die Höhe der Gratifikation im Verhältnis zum Lohn kein tragbares Kriterium mehr sein.

Im Mai 2013 entschied das Bundesgericht eine weitere wichtige Frage. Im Rahmen einer Willkürprüfung bestätigte das Bundesgericht, dass es zulässig ist, wenn bei Verletzung des Akzessorietätsprinzips nur ein Teil des Bonus – und nicht der Gesamtbonus – sich von einer Gratifikation in einen Lohnbestandteil wandelt.

Obwohl damit wichtige Fragen höchstrichterlich geklärt wurden, bleiben immer noch Fragen offen, z.B. die Frage, wo betragsmässig die Grenze zu Spitzenlöhnen zu ziehen ist.

Empfehlungen für Arbeitgeber

Will der Arbeitgeber bei Bonusangelegenheiten einen möglichst grossen Spielraum behalten, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

  • Verträge sorgfältig formulieren
  • Ermessensspielraum einbauen
  • von Ermessen Gebrauch machen (z.B. bei unterschiedliche Geschäftsergebnisse und individuelle Leistungen).
     
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Gili Fridland Svensson ist Co-Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei VISCHER mit Standorten in Basel und Zürich. Sie berät schwerpunktmässig Schweizer Gesellschaften und internationale Konzerne in allen Belangen des privaten und des öffentlichen Arbeitsrechts (inkl. Arbeitsbewilligungs-, Datenschutz- und Sozialversicherungsrecht).

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Barbara Meyer ist Co-Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei VISCHER in Zürich. Sie berät schweizerische und internationale Arbeitgeber sowie Kadermitarbeiter umfassend im Bereich Arbeitsrecht. Dazu gehören insbesondere auch Fragen betreffend Arbeitsbewilligungs-, Datenschutz- und Sozialversicherungsrecht. Zugleich ist sie auch forensisch tätig.

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