Beruf und Familie

Teilzeit für Männer: Bereitschaft und Umsetzung klaffen weit auseinander

Nicht immer stimmen Wollen und Tun überein. Zumindest was den Wunsch nach Teilzeitarbeit betrifft, sind Männer 
oft zu wenig «tatkräftig». Auch das bestehende System, Vorurteile und Präsenzdenken verhindern Teilzeitarbeit gerade 
in den höheren Etagen. Doch die Zeit arbeitet für die jüngere Generation mit einem neuen Familien- und Vaterbild.

Die Anzahl Teilzeit arbeitender Männer ist gemäss Bundesamt für Statistik seit 1991 von 77 000 (Teilzeit von 50 bis 89 Prozent) auf 186 000  im Jahr 2010 gestiegen. Wie viele davon die Arbeitszeit aus familiären Gründen reduzierten, bleibt jedoch offen. Dennoch: Junge Männer interessieren sich heute klar mehr für Teilzeitarbeit. «Die sogenannte Generation Y reduziert ihr Pensum gerne zu Gunsten der Familie», sagt Matthias Mölleney, Promoter für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Unternehmen. «Von der mittleren Generation jedoch, so zwischen 30 und 50 Jahren, höre ich oft, Teilzeit sei toll, aber für sie gehe es gerade nicht.»

Eine veränderte Haltung zur Teilzeit stellt auch Daniel Huber fest. Er ist seit 13 Jahren Geschäftsführer der Fachstelle UND, die sich um Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen kümmert: «Früher wollten die Frauen ihre Männer dazu bewegen, Teilzeit zu arbeiten. Heute sind ein Drittel unserer Kundschaft Männer, die ihr Pensum reduzieren wollen und nicht wissen, wie sie es ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber sagen sollen.» Huber stellt fest, dass Männer mit Teilzeitwunsch dies im Betrieb oft zu wenig einfordern. «Die Motivation zur Stellenreduktion muss für den Mann selber klar sein, er muss wirklich wollen und den Gewinn darin sehen», sagt der Fachmann. Nur so könne er überzeugend argumentieren und darlegen, wie die Arbeit neu zu organisieren ist, damit es für beide Seiten stimmt.

Weiter müssen die Anstellungsbedingungen definiert und klar geregelt werden. «Leider wird das häufig vernachlässigt», weiss Huber. Nicht selten werde nur die Arbeitszeit reduziert, die Arbeit bleibe mehr oder weniger die gleiche – was über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt ist. «Es heisst dann, Teilzeit funktioniere nicht, und die Männer stocken ihr Pensum wieder auf», sagt Huber. UND hat daher Checklisten entwickelt, die zeigen, welche Punkte für eine gelungene Teilzeitarbeit berücksichtigt werden müssen. Ebenso stellt Huber fest, dass die Männer in den Unternehmen generell wenig Privates austauschen, geschweige denn über Teilzeitwünsche reden. «Sie sind jeweils richtig erleichtert, wenn sie erfahren, dass andere genau dieselben Anliegen haben und man 
gemeinsam darüber reden und Lösungen 
suchen kann.»

Je höher die Karrierestufen, 
desto weniger Teilzeit

Wie eine kürzlich erschienene Studie des Schweizerischen Nationalfonds zeigt, ist das Bild von Vaterschaft im Umbruch: Alle dort interviewten Männer lehnen die Figur des «abwesenden Ernährervaters» ab und wollen genügend Zeit für die Familie haben und ihren Kindern ein präsenter, fürsorglicher Vater sein. Die Bereitschaft dafür, ein anderes Arbeitsmodell zu finden, ist da – «in der Umsetzung ist bis jetzt noch nicht so viel gelaufen, das braucht noch etwas Zeit», sagt Huber. Auch Mölleney spricht von Lippenbekenntnissen und mangelnder Umsetzung, denn «Teilzeitarbeit gilt immer noch als Karrierekiller».

Das dürfte wohl einer der Gründe sein, warum Teilzeit auf  höheren Etagen wenig bis gar nicht verbreitet ist. Auf die Frage, wie viele Männer auf der obersten Geschäftsleitungsebene Teilzeit arbeiten, antworten einige der grossen Unternehmen wie Swisscom, UBS, ABB Schweiz, Migros-Genossenschafts-Bund einstimmig: keine. Auch der Executive Searcher Guido Schilling erklärt, dass er in den letzten zehn Jahren nie eine Teilzeitstelle zu besetzen hatte und auch nie danach gefragt wurde. Dasselbe sagt ein anderer Executive Searcher, der anonym bleiben will, und doppelt nach: «Vom Rekrutieren her ist man nicht offen für Teilzeit. Ich würde auch nie danach fragen, sonst würde ich mich disqualifizieren. Die Unternehmen brauchen jemanden, der durchgehend präsent ist.» Dass er selber, Vater von zwei kleinen Kindern auch «nur» 90 Prozent arbeitet, legt er gegenüber seinen Kunden nicht offen. «Als Berater muss man immer verfügbar sein. Ich kann nicht sagen, heute Nachmittag bin ich bei den Kindern, das würde auf Unverständnis stossen.»

Ist das wirklich so? Zwar fehle heute noch 
die allgemeine Akzeptanz von Teilzeit auf Führungsebene, sagt Mölleney. Aber: «Eine Führungskraft ist nie immer verfügbar. Ob ein Chef auf einer Halbleiterkonferenz in 
Japan ist und nur in Notfällen zu erreichen oder ob er seine Kinder betreut und nur in Notfällen erreicht werden kann, ist für den Mitarbeiter egal.» Und ein Chef, der sich 
um seine Kinder kümmert, bedeute heute 
keinen Statusverlust mehr, sondern werde von jüngeren Leuten positiv bewertet, weiss Mölleney. Trotzdem: «Heutzutage muss man zuerst noch beweisen, dass der GL-Job auch mit anderen Tätigkeiten kombinierbar ist.»

Ein kreatives HR kann dazu einiges beitragen. Mölleney selber hat als HR-Leiter bei der Swissair die Initiative gestartet, den GL-Mitgliedern Lehraufträge an Fachhochschulen oder Universitäten zu beschaffen und sie so dazu zu bewegen, vertraglich auf Teilzeit zurückzugehen. Leider konnte die Initiative nicht mehr durchgeführt werden, da die Fluggesellschaft ihren Betrieb einstellte. Ein anderer Weg wäre gemäss dem Fachmann, wenn all diejenigen, die mehrere (Verwaltungsrats-)Mandate innehaben – «und praktisch sowieso Teilzeit arbeiten» – ihren offiziellen Hauptjob auf 80 Prozent kürzen würden. «Sobald sich Teilzeit auf der Führungsebene etabliert hat, ist es nicht mehr weit, bis jemand aus familiären Gründen kürzertritt», sagt Mölleney. «Wichtig sind Vorbilder, authentische Aussagen von Leuten, die Teilzeit arbeiten und dazu stehen.»

Der Arbeitsmarkt wird es 
selber regeln

Zwar nimmt auch bei der Bank Coop die Teilzeitarbeit gegen oben klar ab, tendenziell 
jedoch sei das Bedürfnis nach reduzierter Arbeitszeit sowohl bei jüngeren wie auch bei älteren Mitarbeitenden gewachsen, wie 
Eveline Erne sagt. Als Leiterin HR Operations ist sie die treibende Kraft hinter etlichen Massnahmen, die zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und dem Finanzinstitut eine Auszeichnung für seine familienfreundliche Unternehmenspolitik eingebracht haben. Heute arbeiten rund 10 Prozent  der Männer Teilzeit, im mittleren Management sind es 28 Prozent (2004: 13 Prozent). Sowohl Huber wie auch Mölleney bestätigen, dass vor allem Männer des unteren und mittleren Managements an Teilzeit interessiert sind.

Die Bank Coop liegt ganz im Trend. Theoretisch sei bei ihnen Teilzeit auf allen Stufen möglich, sagt Erne, und die Stellen werden wenn möglich immer zwischen 80 und 100 Prozent ausgeschrieben. Auf der obersten Geschäftsleitungsebene arbeite aber niemand Teilzeit. «Ich glaube, das Bedürfnis ist nicht da», sagt Erne. «Altersmässig sind dort alles Leute, die ältere Kinder haben und die sich stark mit dem Job identifizieren.» Für die HR-Fachfrau ist Teilzeitarbeit zwar ein wichtiges Mittel, aber nicht auf allen Stufen und nicht in allen Lebensphasen. Gerade auf GL-Stufe sei nicht Teilzeit matchentscheidend, sagt Erne, sondern dass die Leute «dort oben» eine gute Work-Life-Balance leben und offen sind für andere Lebens- und Arbeitsmodelle.

Nicht jeder soll Teilzeit arbeiten müssen, aber wer will, der sollte die Möglichkeit dazu haben. Denn Teilzeitarbeit ist nicht nur für die Lebensbalance gut, sie ermöglicht auch andere Erfahrungen, neue Impulse und Persönlichkeitsentwicklung – was den Arbeitgebern zugute kommt. Und Unternehmen, die Teilzeit anbieten, haben im Personalmarketing klare Vorteile: Arbeitnehmende achten vermehrt auf die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Freizeit. Eine Befragung von Universum unter 7740 Studierenden in der Schweiz zeigte, dass unter neun Karrierezielen mehr als die Hälfte (55 Prozent) der 
Studierenden die Work-Life-Balance als den wichtigsten Faktor zur Wahl des ersten Arbeitgebers genannt haben. Die Wirtschaft wird  nicht auf diese Leute verzichten können.

«Die Unternehmen setzen sich oft zu reaktiv mit den gesellschaftlichen Trends auseinander», sagt Guido Schilling. «Die demografische Entwicklung zeigt, dass immer weniger junge Leute auf den Markt kommen, und Fachkräftemangel haben wir schon. Die Unternehmen müssen also kreativ werden, wenn sie die für sie besten Leute rekrutieren und vor allem auch halten wollen.»

So gesehen stehen die Chancen gut, dass Teilzeitarbeit in Zukunft auf allen Stufen nicht nur möglich ist, sondern auch gelebt wird.

Links

  • www.und-online.ch: Die Fachstelle für Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen bietet Beratungen für Privatpersonen und Organisationen an. Zudem können von der Homepage verschiedene Checklisten heruntergeladen werden.
  • www.vereinbarkeit.zh.ch: Die Informations- und Kontaktplattform des Kantons Zürich zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie richtet sich an 
Geschäftsführende, Personalverantwortliche und an Arbeitnehmende.

 

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