50+: Checkliste

Vier Momente, in denen HR für 50+ Kandidaten einen Unterschied machen kann

HR und die Generation 50+ führen eine schwierige Beziehung. Wirtschaftliche Bedenken stehen dem reichen Erfahrungsschatz der oft verzweifelten Bewerber gegenüber. Wir zeigen anhand von vier konkreten Momenten im Anstellungszyklus auf, wie HR die Generation 50+ aktiv unterstützen kann – von der Rekrutierung, über die Anstellungszeit, in der Trennung und danach im Outplacement.

1. Bei der Rekrutierung berücksichtigen

Auch 50+ Kandidaten sollen zum persönlichen Gespräch eingeladen werden. Ein Interview ist die ideale Gelegenheit, sich vom Erfahrungsschatz des Bewerbers überzeugen zu lassen und mögliche Ideen zum Arbeitsmodell zu besprechen. Hierzu braucht es von HR Beratungs- und auch Überzeugungsarbeit bei den Entscheidungsträgern, zum Beispiel zu allfälligen staatliche Fördermassnahmen.

Fall: Ein 50+ Kandidat wurde von HR aufgrund seiner Spezialkenntnisse zum Interview eingeladen. Dort brachte er ein, dass die Behörden Umschulungen und Einarbeitungsphasen für ältere Bewerber mitfinanzieren würden. Als ihn das Unternehmen aufgrund seines guten persönlichen Auftritts in die engere Auswahl nahm, mache eine solche arbeitsmarktliche Massnahmen den Unterschied aus – er erhielt die Stelle.

  • Welche Vorteile bringen 50+ Kandidaten und wie überzeugen Sie die Linie?
    Bedenken Sie auch langfristige Kompetenzen wie Geduld, Sorgfalt oder ein grosses Netzwerk.
  • Können Sie unkonventionelle Einstiegsmodelle anbieten?
    Prüfen Sie behördliche Starthilfen, Teilzeitmodelle, gestaffelter Rückzug bis zur Pensionierung.
  • Kennen Sie die zuständigen Anlaufstellen und haben Sie die nötigen Kontakte?
    Die wichtigsten Stellen: Staatssekretariat für Arbeit (seco), Regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV), kantonale Amtsstellen (Wirtschaft, Arbeit, Industrie, Gewerbe) und Arbeitslosenkasse (ALK).

2. Während der Anstellungszeit sensibilisieren

Während der Anstellung kann HR die älteren Mitarbeitenden über Möglichkeiten zur Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit informieren. Unternehmensweite Programme sind wünschenswert, jedoch kann auch schon ein offenes Gespräch wertvoll sein. Dabei wird auf mögliche Szenarien, Risiken und Optionen sowie die die Wichtigkeit von lebenslangem Lernen sensibilisiert.

  • Wie unterstützt HR den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit seiner 50+ Kandidaten?
    Hier sind proaktive Personalentwicklung und Laufbahnplanung, frühzeitige Neuplatzierung innerhalb des Betriebs, gestaffelte Reduktion des Arbeitspensums, Coachings zur Pensionierung oder 50+ Themen sowie Weiterbildungsmassnahmen gefragt.
  • Wie können die verschiedenen Generationen voneinander lernen und profitieren?
    Fördern Sie den Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen, prüfen Sie Tandem- oder Mentoring-Programme, etablieren Sie Lernpartnerschaften – zum Beispiel zu den neuen Technologien.

3. Bei der Trennung gut informieren

Ist eine Entlassung beschlossen, kann HR emotional auffangen und sachlich beraten. Eine wertschätzende Haltung seitens HR ist dabei Grundlage, um in Mini-Beratungen über konkrete nächste Schritte, behördliche und privatwirtschaftliche Anlaufstellen oder Massnahmen zu sprechen. 50+ Kandidaten können sich hierbei bereits individuell mit ihrer neuen Lebenssituation auseinandersetzen.

Fall: Ein gut ausgebildeter 50+ Klient mit qualifizierter Führungserfahrung war nach seiner Entlassung bereit, nochmals eine neue Herausforderung als Führungskraft anzunehmen. Die Kinder waren bereits ausgezogen und die Hypothek amortisiert. Um seine Arbeitsfähigkeit zu beweisen und während der Stellensuche einen geregelten Tagesablauf sicherzustellen, jobbte er Teilzeit als Filialleiter in einem Tankstellenshop. Die unterqualifizierte Arbeit als bewusste Zwischenlösung war in den Stelleninterviews gut begründbar.

  • Was braucht ein 50+ Kandidat im Moment der Entlassung?
    Eine klare Begründung (z.B. Wirtschaftlichkeit) wirkt Selbstzweifeln entgegen. Während dem ersten Schock kann meist nur auf der emotionalen und kurzfristigen Ebene gearbeitet werden.
  • Welche Mini-Beratungen oder Notfall-Coachings kann HR anbieten?
    Brainstorming zu Optionen, Kurzzeit-Coachings oder nur schon die Frage, was der Entlassene heute Abend bzw. die nächsten Tage machen wird, hilft dem Betroffenen, Gedanken zu sortieren und einen Anfang zu finden.

4. Nach der Kündigung mit Outplacement begleiten

Die Betreuung von frisch Entlassenen ist oft schwierig und zeitintensiv. Muss HR den Betroffenen nach Hause schicken, ohne diesen beraten zu können, kann eine externe Begleitung durch professionelle Outplacement Berater helfen.

Fall: Der Arbeitgeber eines IT-Beraters 50+ übernahm die Kosten für ein externes Outplacement. Im persönlichen Coaching wurde klar, dass eine erfolgreiche Strategie die aktive Kontaktaufnahme mit seinem grossen Netzwerk beinhalten würde. Hemmungen, die eigene Situation im Umfeld «breitzutreten» wurden thematisiert. Danach sprach der Klient einem früheren Kollegen gegenüber seine Arbeitslosigkeit an und gemeinsam entwickelten sie die Idee einer Zusammenarbeit – der Klient ist heute teilselbständig.

  • Ist HR zeitlich und fachlich in der Lage die nötige Begleitung für 50+ Entlassene anzubieten?
    Schätzen Sie verfügbare Kompetenzen, Kapazitäten und Engpässe bei psychologischen Themen sowie Fragen zu Stellensuche, Arbeitsmarkt und Sozialversicherung realistisch ein.
  • Was sind die Vorteile eines Outplacements für HR, Unternehmen und Kandidat?
    Erkennen Sie die zeitliche und emotionale Entlastung von HR durch externe Dienstleister und bedenken Sie die resultierende positive Auswirkung auf Image und Employer Branding.
  • Was sind die Leistungen der Outplacement Anbieter?
    Evalueieren Sie unterschiedliche Angebote und Leistungen. Ziehen Sie bei 50+ Kandidaten individuell zugeschnittene Lösungen den Ansätzen mit Fokus auf die Anzahl verschickter Bewerbungen vor. Prüfen Sie eine Kostenteilung zwischen HR und Betroffenen.

Fazit

Die Checkliste und die Fallbeispiele zeigen, dass es mindestens vier Momente im Anstellungszyklus gibt, wo HR einen wichtigen Unterschied für 50+ Kandidaten ausmachen kann – wo liegen Ihre Möglichkeiten?

 

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Dr. Marc Bürgi ist Professional Coach mit eigener Praxis für Führungskräfte, Teams und Talente (dmb-consulting.ch). Er verfügt über Beratungserfahrung zu Coaching, Führung und Personalentwicklung in unterschiedlichen Branchen für schweizerische und internationale Grossunternehmen, KMU, Start-ups, NGOs und Verwaltungen.

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Carmen Roos ist als Personalentwicklerin und zertifizierter Coach tätig. Sie hat Psychologie mit der Vertiefung Motivationspsychologie an der Universität Zürich studiert und hat einen starken Fokus auf Arbeits- und Organisationspsychologie gelegt. Bei der Swissport AG ist sie für die interne Führungsentwicklung inklusive Führungsausbildung wie auch die Themen Talent Assessment und Talent Management zuständig und ist als interner Coach Ansprech- und Sparringpartner für verschiedene Führungsstufen.

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