27.06.2016

Das Leid der Schweizer Modehändler

Restrukturierungen, Ladenschliessungen, Entlassungen, Konkurse: Den Schweizer Modehändlern geht es miserabel. Bauchschmerzen bereitet ihnen der starke Franken, der Einkaufstourismus sowie die Konkurrenz durch den Onlinehandel. Patentrezepte gibt es keine.

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Bern (sda). Bata, Blackout, Happy Baby, Vögele, Switcher, aber auch viele kleinere, weniger bekannte Geschäfte – die Liste der Schweizer Modehändler, die restrukturieren oder gar den Laden dicht machen, wird immer länger. Und ein Ende des Trends ist vorerst nicht in Sicht.

Im April haben die Detailhändler in der Schweiz erneut weniger Ware verkauft, es ist der vierte Monat mit einer Einbusse. Innert Jahresrist sanken die Umsätze gemäss Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) um 2,4 Prozent.

Der andauernde Krebsgang überrascht angesichts der jüngsten Analyse des Marktforschungsinstituts GfK nicht. 2015 gaben die Schweizer im Ausland 1,82 Milliarden Franken für neue Kleider aus. Der Einkaufstourismus von Schweizer Konsumenten im Ausland belief sich auf insgesamt 10,7 Milliarden Franken. Das entspricht einem Anstieg von 6 Prozent gegenüber 2013.

Schnäppchenjagd mit Postfächern

Doch damit nicht genug: Laut Camille Barki, Mitglied des waadtländischen Verbands der Textildetailhändler (AVDT) und Inhaber einer kleinen Boutique in Lausanne, haben viele Sparfüchse aus der Romandie Postfächer in Frankreich eröffnet. «Ein völliges Fehlen von Gemeinsinn, wenn wir an unsere wirtschaftliche Situation denken», kritisiert er.

2015 begaben sich insgesamt 57 Prozent der Schweizer Haushalte mindestens einmal im Monat ins Ausland. Als Köder wirken nicht nur die tieferen Preise, sondern auch die liberaleren Ladenöffnungszeiten in den Nachbarländern.

Hinzu kommt laut Barki, dass die Liberalisierung der offiziellen Ausverkaufstage ein Klima der Unsicherheit geschaffen hat. «Die Konsumenten haben den Eindruck, alle zwei Monate über den Tisch gezogen zu werden, weil es wieder Ausverkauf gibt. Es ist dann schwierig, ihr Vertrauen zurückzugewinnen», sagt der Boutiquebesitzer.

Stimmung trüb wie das Wetter

Auch nicht geholfen hat den Modehändlern das miserable Wetter der letzten Wochen. «Mit diesem Hundewetter lässt sich die Frühlings/Sommer-Kollektionen nicht verkaufen», sagt Isabelle Fatton, Generalsekretärin des Genfer Verbandes der Textildetailhändler (AGDT).

Eine weitere Herausforderung ist das Internet. Onlinehändler von Amazon bis Zalando graben den alteingessenen Modeverkäufern unermüdlich Marktanteile ab. 2015 kauften Schweizerinnen und Schweizer für 7,2 Milliarden Franken Produkte im Online- und Versandhandel ein, was einer Steigerung von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Mode und Schuhe gehörten dabei zu stärksten Segmenten. Gemäss einer gemeinsamen Studie von GfK und dem Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV) wurden damit 1,38 Milliarden Franken Umsatz erzielt.

Ohne Onlinepräsenz geht nichts

«Die Mehrheit der kleinen Boutiquen hat ganz einfach nicht die Mittel, um in neue Technologien zu investieren», sagt Fatton. Eine Spezialisierung könnte, so glaubt sie, kleineren Geschäften das Überleben sichern. Aber die Investition in einen Onlineauftritt erachtet sie für einen Shop als zwingend, um überhaupt bemerkt zu werden.

Laut Barki herrscht in der Schweiz ein eigenes Tempo, das heisst ein langsames. «Die kleinen traditionellen Boutiquen lassen sich viel Zeit für die Modernisierung ihres Angebots und Auftrittes», sagt sie. «Heute müssen Sie als Boutiqueninhaber ein Alleskönner sein», fügt Barki hinzu. «Man muss ein Zielgruppe ansprechen und im Laden auf den Kunden eingehen und mit ihm kommunizieren können, aber auch im Internet und in sozialen Netzwerken.»

Obwohl umstritten und von den Gewerkschaften bekämpft, könnte die Liberalisierung der Öffnungszeiten allenfalls eine Lösung sein, um der Branche neuen Atem einzuhauchen. Die AGDT kämpft in Genf dafür, dass die Läden ihre Türen an drei Sonntagen im Jahr, bei besonderen Anlässen sowie am 31. Dezember, geöffnet haben dürfen.