01.07.2016

Swissmem befürchtet keinen zusätzlichen Jobabbau durch Brexit

Der Brexit und vor allem die Digitalisierung der Industrie durch die zunehmende Vernetzung haben den 10. Industrietag des Verbands der Maschinen- Elektro- und Metallindustrie Swissmem geprägt. Swissmem-Präsident Hans Hess befürchtet kurzfristig keinen zusätzlichen Stellenabbau in der Schweizer Industrie durch den Brexit.

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Zürich (sda). Dies sagte Hess am Donnerstag am Rande des Industrietages in Zürich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Entscheidend seien die Folgen des Brexit für den Euro-Frankenkurs, sagte Hess. Am vergangenen Freitag, als der Brexit-Entscheid bekannt geworden sei, habe sich der Franken zunächst stark aufgewertet. Dann habe die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Lage wieder stabilisieren können.

«Es wird zu beobachten sein, ob die Verwerfungen der ersten Tage nachhaltig sind, oder ob sich der Euro-Kurs wieder auf 1,11 Fr. zurückbewegt», sagte Hess. «Jeder Rappen hilft den Unternehmen, wieder konkurrenzfähiger zu sein, genügend Geld zu verdienen und das wieder zu investieren», so Hess vor den Medien. Die Auswirkungen des Brexit auf die Konjunktur dürfte nicht gross ausfallen.

Gespräche Schweiz – EU

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann sagte vor 1500 Teilnehmern am Industrietag, die technischen Gespräche mit Brüssel über die Umsetzung der Masseinwanderungsinitiative auf Staatssekretärebene würden trotz des Brexit weitergeführt – auch jetzt. «Wir brauchen unsererseits eine Lösung noch im Jahr 2016 oder bis spätestens Februar 2017.»

«Die politischen Gespräche werden hoffentlich in den nächsten Tagen geführt werden können», sagte der Bundespräsident. «Es wird auch im Dossier EU-Schweiz nicht anders möglich sein, als dass man einen Kompromiss findet, mit dem beide Seiten leben können. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird. Aber es wird nicht einfach sein. Die EU wird uns nicht einfach Konzessionen machen.»

Die die prinzipiellen Kompromisse müssten in nächsten Tagen und Wochen gefunden werden, sagte Schneider-Ammann. Damit könne die restliche Zeit genutzt werden, um die Details zu klären.

11'000 Jobs vernichtet

Im vergangenen Jahr nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1,20 Fr. durch die SNB habe die Schweizer MEM-Industrie ungefähr 11'000 Arbeitsplätze verloren. «Die massive Überbewertung des Frankens hat unsere Industrie hart getroffen», sagte Hess.

Jetzt gelte es, die Chancen durch die Digitalisierung der Industrie – im Branchenjargon auch Industrie 4.0 genannt – zu nutzen, sagte Hess. Diese vernetzt immer mehr Geräte, Maschinen und Sensoren miteinander. Dadurch werden beispielsweise Prozesse verbessert und Produktionszeiten verkürzt sowie Wartungsarbeiten aus der Ferne ermöglicht. Es entstehen auch neue Geschäftsmodelle, die internetbasiert sind.

Die Industrie 4.0 bringe einen tiefgreifenden Wandel, sagte Hess. Sie werde einen entscheidenden Beitrag leisten, damit der Werkplatz Schweiz trotz starkem Franken sowie hohen Kosten und Löhnen auch künftig erfolgreich sein könne.

Kein Kahlschlag bei Arbeitsplätzen

Die Digitalisierung verändere die traditionellen Tätigkeiten in der Industrie. «Sie wird aber nicht dazu führen, dass Roboter die Menschen ersetzen», sagte Hess.

«Es braucht weiterhin Menschen, die Roboter entwickeln, produzieren, programmieren und warten. Es braucht weiterhin Menschen, die die Daten von Sensoren auswerten. Es braucht Menschen, die diese Produkte weiterentwickeln und Prozesse verbessern», sagte Hess. «Ich bin überzeugt, dass es in der Schweizer Maschinenindustrie bestimmt nicht zu einem Kahlschlag in der Beschäftigung kommt.»

Ins selbe Horn stiessen der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Daniel Lampart, und der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt. Es werde keine riesige Rationalisierung geben, sagte Lampart: «Der überbewertete Franken drückt viel mehr auf die Industrie als der technologische Wandel.» Vogt sagte: «Ich habe keine Angst, dass wir Hunderttausende Arbeitslose haben werden und Unruhen bekommen werden.»

Viele Jobs gefährdet

Allerdings würden sich die Jobs durch die Digitalisierung verändern, sagte Hess: «Die wenigen langweiligen, repetitiven Arbeiten, die es noch gibt in unserer Industrie, werden zunehmend verschwinden.»

Von den 330'000 Angestellten in der MEM-Industrie seien vielleicht 15 Prozent gering qualifiziert. «Ein Teil dieser Jobs wird gefährdet sein. Das sehen wir heute schon. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir durch entsprechende Bildungsinitiativen die Leute weiterbringen, die zu wenig qualifiziert sind», sagte Hess.