HR Today Nr. 5/2016: HR-Debatte

Beim Rauchen ausstempeln?

Während Brigitte Herde, Co-Moderatorin des Schweizer Businessnetzwerks Swonet, den durch Rauchpausen verursachten Arbeitszeitverlust vorrechnet, besteht für die langjährige HR-Interimsmanagerin Heike Anna Krüger kein Zusammenhang zwischen Arbeitszeitpräsenz und der erbrachten Leistung.

Brigitte Herde

Ich bin Raucherin oder, besser gesagt, war es. Und ja, ich bin auch eine von diesen Ex-Raucherinnen, die finden, dass Rauchen stinkt, nur damit Sie gleich wissen, mit wem Sie es hier zu tun haben. Vor rund 30 Jahren, an einer meiner ersten Arbeitsstellen, mussten wir zum Rauchen – wie übrigens auch zum Kaffeetrinken und privat Telefonieren – ausstempeln. Der Patron überwachte die Einhaltung seiner Vorgaben persönlich, penibel und täglich.

Arbeitszeit ist das, was der Name schon sagt: Die Zeit zum Arbeiten. Wenn sich nun eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eine Rauchpause gönnt, verringert sich deren effektive und produktive Arbeitszeit. Geschieht dies einmal pro Arbeitstag, sind dies vier Minuten – ausgehend von der Annahme, dass das Rauchen einer Zigarette und der Weg zum Rauchplatz rund vier Minuten dauert. Geschieht dies jedoch vier Mal pro Arbeitstag – also zwei Mal am Morgen und zwei Mal am Nachmittag – sind dies bereits 16 Minuten und in der Woche eine Stunde und 20 Minuten. Hochgerechnet auf das Arbeitsjahr entstehen so 64 Stunden arbeitsfreie Zeit, wobei dieses Beispiel nicht einmal einen starken Raucher, eine starke Raucherin repräsentiert und die Rauchdauer von vier Minuten eher knapp bemessen ist.

Die Zeiten, als das Personal noch am Arbeitsplatz rauchen durfte, sind endgültig vorbei. Somit ist der Raucher, die Raucherin gezwungen, den Arbeitsplatz zu verlassen und demzufolge die Arbeit zu unterbrechen. Kennen Sie diese Firmen auch, vor deren Eingangstür die Angestellten rauchen? Bei mir sind es die Mitarbeitenden der Versicherungsgesellschaft, die meine Anliegen betreut. Jedes Mal, wenn ich am Firmensitz vorbeifahre, stehen sie da, die rauchenden Angestellten.  Der Gedanke, «Haben die denn nichts anderes zu tun?» schiesst mir dann unweigerlich durch den Kopf. Klar, wird bei diesen informellen Meetings viel Geschäftliches ausgetauscht. Aber es sind meist nicht alle Betroffenen anwesend und die Zeitersparnis der Information ist wieder dahin, da die Info den nicht anwesenden oder nichtrauchenden Mitarbeitenden nochmals übermittelt werden muss. Die nichtrauchenden Mitarbeitenden sehe ich ja nicht. Vielleicht stehen diese ja in diesem Moment mit einer Kaffeetasse in der Hand auf dem Gang und tauschen ebenfalls Geschäftliches oder Privates aus. Sie haben also ebenfalls den Arbeitsplatz verlassen und verlieren ebenfalls 16 Minuten bei vier Tassen Kaffee pro Tag.

Rauchpausen verringern die effektive Arbeitszeit und sollten daher von dieser abgezogen werden. Oder gilt dies nur für die Putzfrau, die bei mir zuhause im Stundenlohn arbeitet? Oder für den Kassier an der Supermarktkasse, wo es schlicht und einfach nicht möglich ist, einmal oder sogar mehrmals täglich kurz zu verschwinden? Luxusprobleme sind das? Vielleicht. Für mich ist das aber ganz klar eine Frage der Fairness.

PS: Wussten Sie, dass es Firmen in der Schweiz gibt, die ihren nichtrauchenden Mitarbeitenden eine Woche zusätzliche Ferien zugestehen?

 

Heike Anna Krüger

Einstempeln und Ausstempeln sind nicht mehr angebracht in Zeiten von Arbeit 4.0, New Work, Smart Office, Home Office, Lebenszeitkonti, flexiblen Arbeitsmodellen und digitaler Revolution. Es zählen andere Dinge als die physische Präsenz am Arbeitsort, die im ungünstigen Fall auch noch strikt kontrolliert wird. Natürlich gibt es Berufe, wo die Anwesenheit am Arbeitsplatz gefordert ist. Aber dort sind meist auch die Pausen geregelt. Kein Chirurg würde eine OP unterbrechen, um rauchen zu gehen, hoffe ich zumindest. Bei vielen Berufen macht die Zeiterfassung aber keinen Sinn und ist sogar hinderlich. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Verschrecken Sie Ihre Leistungsträger ruhig oder finden Sie erst gar keine am Arbeitsmarkt.

Wie wäre es stattdessen mit einer Vertrauenskultur, in der sich das Potenzial der Mitarbeitenden entfalten kann? Möchte ich die Leute vor Ort sehen oder möchte ich, dass die Aufgaben bestmöglich erledigt werden? Welche Art von Mitarbeitenden bevorzugt Ihr Unternehmen, Sesselkleber oder Leistungserbringer? Wo und wann bringen Ihre Mitarbeitende die besten Resultate? Im Home Office, am See oder in Ihren Räumlichkeiten? Dass Arbeitszeit Lebenszeit ist und aus Mitarbeitenden künftig Mitunternehmer werden sollten, haben Sie sicher schon öfter gehört. Weshalb aber führen und organisieren viele Unternehmen die Arbeit immer noch wie in den Zeiten der industriellen Revolution? Wie erfolgsbringend kann das für ein Unternehmen sein?

Wenn Sie unmotivierte, unselbständige Mitarbeitende haben – ob Raucher oder Nichtraucher, macht keinen Unterschied – die zu viel Privates am Arbeitsplatz erledigen, schlechte Leistungen erbringen und ihre Freiheiten ausnutzen, könnte eine verbesserte Personalauswahl helfen oder es könnte notwendig sein, den Führungsstil und die Führungskräfte unter die Lupe zu nehmen. Eine Vertrauenskultur bringt motivierte, leistungsbereite Mitarbeitende sowie ein gutes Betriebsklima hervor und trägt zur Arbeitgeberattraktivität bei. Wo möchte ein Leistungsträger wohl lieber arbeiten? In einem flexiblen, modernen, leistungsfördernden Umfeld oder in einem starren reglementierten Umfeld, wo der eine Kollege schaut, was der andere macht und wann er kommt und geht? 8 bis 17 Uhr halt. Diese Arbeitseinstellung ist generationsunabhängig und betrifft die ganze Belegschaft.

Machen Raucher mehr Pausen? Vielleicht. Erbringen Raucher schlechtere Leistungen? Wohl kaum. Wichtig ist, ob die Aufgaben fristgerecht und bestens erledigt werden. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz garantiert keine Leistung. Durch Ablenkungen kann diese sogar kontraproduktiv sein. Dies kommt auf die Präferenz des Mitarbeitenden an: Nicht jeder möchte oder kann im Home Office arbeiten. Die Zauberworte heissen Wahlfreiheit, Vertrauen und Eigenverantwortung. Mündige, engagierte, verantwortungsbewusste Mitarbeitende nutzen diese freie Gestaltung nicht aus und arbeiten gerne am gemeinsamen Erfolg eines Unternehmens. Von wo aus und wann auch immer. Und ob sie rauchen oder nicht.

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Brigitte Herde ist Co-Moderatorin des Schweizer Businessnetzwerks Swonet und führt als vegane Gastroköchin eine eigene Kochschule.

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Heike Anna Krüger ist langjährige HR-Interimsmanagerin und Managing 
Director der OpenPloyer GmbH, einem globalen Hub für HR-Lösungen, Consulting, Tools und Technologien.

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