Arbeitsmarktintegration

Adecco holt Sportler aus dem Flutlicht - ins Büro

Am Sonntag ist an der Schlussfeier das Olympische Feuer erloschen. Damit ist auch die Sportkarriere von Schwimmstar Michael Phelps vorbei. Was nun komme, wisse er noch nicht, sagte er. Phelps kann sich das erlauben. Viele andere Athleten nicht. Für diese sucht der Personalvermittler Adecco eine Lösung nach der Sportkarriere.

Bern (sda). 2010 war die Karriere der Schweizer Beachvolleyballerin Sarah Meyer am Ende. Die Hüfte wollte die Belastungen des Spitzensports nicht mehr mitmachen. «Es war nicht geplant, dass meine sportliche Laufbahn von einem Tag auf den anderen aufhört», sagt die 28-jährige Bernerin. «Aber du musst auf jede Situation im Leben vorbereitet sein.»

Meyer war vorbereitet. Sie nahm am Athlete Career Programme (ACP) teil. Das Programm wird vom weltgrössten Personalvermittler Adecco mit Firmenzentrale in Glattbrugg im Zürcher Unterland und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) angeboten und soll Sportler während und nach ihrer Karriere ins Berufsleben führen. Heute ist Meyer Geschäftsführerin eines Schweizer Volleyball-Clubs.

Gratis für Sportler

Die Kooperation zwischen Adecco und dem IOC startete 2005. Dem Olympischen Komitee war aufgefallen, dass sich viele Sportler schwer taten im Wechsel von der sportlichen zur beruflichen Karriere, und suchte einen Partner. Diesen fand das IOC in Adecco. Seit 2006 wurden weltweit rund 10'000 Athletinnen und Athleten bei der Berufskarriereplanung und Stellensuche von Adecco unterstützt.

In der Schweiz konnten in dieser Periode über 1500 Sportler betreut werden. Diese werden zwischen drei Monaten und mehreren Jahren von Adecco begleitet. Das Unternehmen berät dabei die Sportler auch bei der Suche nach Praktika oder geeigneten Ausbildungsplätzen. Für die Sportler ist das Angebot gratis. Wie viel Adecco für das Sponsoringprogramm aufwendet, will das Unternehmen nicht bekannt geben.

Balance muss stimmen

«Sehr viele Athleten können nicht vom Sport alleine leben», weiss Claudia Kaufmann, Projektleiterin des Swiss Olympic Athlete Career Programme bei Adecco Switzerland. «Trotzdem trainieren sie gleich hart und ebenso zeitaufwendig wie sportliche Grossverdiener. Die Balance zwischen Sport und Job muss deshalb geschickt geplant werden.»

Kommt hinzu, dass nach der Sportkarriere die wenigsten Wettkämpfer einige Millionen auf der Seite haben oder weiterführende Sponsoringverträge an Land ziehen können. «Die meisten können es sich nicht leisten, einfach mal abzuwarten, sondern müssen schon früh um ihre zweite Karriere besorgt sein», sagt Kaufmann.

Ende Jahr auf Null

Auch die Degenfechterin Simone Näf, Bronzemedaillengewinnerin an den Europameisterschaften von 2009 im Teamfechten, ist ins Athleten-Programm von Adecco und dem IOC involviert. Die 26-jährige Bernerin ist eben erst von den Olympischen Spielen aus London zurückgekehrt.

Näf war als Sparringpartnerin für die Schweizer Fechtdelegation vor Ort. Sie selber konnte wegen einer Verletzung nicht in den Ernstkampf eingreifen.

Simone Näf hat einen Hochschulabschluss als Grafikerin und Illustratorin. Vom Degenfechten kann sie nicht leben. «Ende Jahr bin ich auf Null», sagt sie. Ein Job und Praktika für Berufserfahrung sind deshalb ein Muss. «Ich habe einen Coach fürs Sportliche und einen für meine berufliche Karriere», beschreibt Näf die Zusammenarbeit mit Claudia Kaufmann von Adecco.

Kaufmann hat zusammen mit Simone Näf einen Plan ausgearbeitet und Kontakte zu Firmen geknüpft, Möglichkeiten geprüft, Gespräche geführt. So konnte Näf Energie sparen und sich voll aufs Training konzentrieren. Die Weltmeisterschaftsteilnehmerin von 2008 hat kürzlich in Bern ein Praktikum absolviert. Nun stehen weitere berufliche Schritte an.

«Der Job darf nicht hinderlich sein bei den sportlichen Ambitionen», sagt Claudia Kaufmann. Das brauche sehr viel Entgegenkommen vom Arbeitgeber. 100 Prozent im Job und 100 Prozent im Sport, das gehe nicht. Einen Arbeitgeber zu finden, der Teilzeitstellen anbiete und überdies flexibel genug sei, sei nicht immer ganz einfach.

Vorbild Amerika

In der Schweiz gebe es kaum mehr Athleten, die keine Ausbildung genossen hätten. «Aber», so Kaufmann, «leider hat der Sport in der Schweiz nicht den Stellenwert, den er haben sollte.» Oftmals stehen die Athleten alleine da. Die Beiträge der Verbände und Sponsoren reichen kaum aus, um die Kosten zu decken. Und die Suche nach Sponsoren ist schwierig und zeitaufwendig.

Einfacher ist es etwa in jenen Ländern, die Sportler als Staatsangestellte, etwa als Zeitsoldaten in der Armee, beschäftigen und diesen so einen Profistatus ermöglichen.

«Noch vor 10, 15 Jahren war die Situation in der Schweiz zum Teil schwierig. Nach 20 Jahren Sportkarriere standen einige vor dem Nichts», sagt Claudia Kaufmann. Auch heute klappt die Stellenvermittlung nicht immer gleich auf Anhieb. Aber der Fachfrau ist seit 2006 kein Fall bekannt, bei dem es nicht früher oder später funktioniert hätte.

Nächstes Ziel im Visier

Auch bei Simone Näf hats geklappt. Nun stehen weitere berufliche Karriereschritte an. Aber nicht nur. Denn die Degenfechterin hat auch sportlich weiterhin hohe Ziele.Für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro macht sich die Bernerin wieder fit. Berufs- und Sportkarriereplanung werden deshalb in den nächsten vier Jahren voll auf dieses eine Ereignis ausgerichtet, damit es dann klappen könnte mit Edelmetall.

Mehr Infos zu den Sportlern aus dem Adecco Athlete Career Programme

Von Harry Tresch, sda

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Text:
Weitere Artikel von