Leadership

Altersgemischte Teams – eine 
Herausforderung für junge Chefs

Jüngere Führungskraft führt ältere Mitarbeitende – dieses Szenario wird aufgrund des demografischen Wandels künftig immer häufiger anzutreffen sein. Trotzdem lassen erst wenige Unternehmen dieses Thema auch wirklich in ihre Führungsschulung einfliessen.

Noch nie waren so viele unterschiedlich sozialisierte Generationen in der Arbeitswelt aktiv wie heute – sie reichen von der Nachkriegs- bis zur Internet-Generation. Wer kurz vor dem Ruhestand steht, ist in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen, gilt als zuverlässig und pflichtbewusst und verfügt über ein immenses Erfahrungswissen. Auf der anderen Seite steht die Internet-Generation, die gerade ins Arbeitsleben einsteigt. Sie ist es gewohnt, mit den neusten Technologien umzugehen, ist sehr flexibel, mobil, lernbereit, verfügt aber über wenig Berufserfahrung.

In Zukunft werden die altersgemischten Teams vermehrt von Jüngeren geführt werden. Denn der demografische Wandel führt dazu, dass ältere Mitarbeitende länger im Arbeitsprozess bleiben. «Das ist eine Tatsache, mit der sich die Unternehmen auseinandersetzen müssen», sagt Florian Kunze vom Institut für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen. Kunze hat vor Kurzem seine Dissertation zum Thema abgeschlossen und ist Co-Autor des Buches «Generationen erfolgreich führen». Darin werden die Nachkriegsgeneration, die Wirtschaftswunder-Generation, die Baby-Boomer-Generation, die Generation Golf und die Internet-Generation unterschieden. Jede der Generationen steckt in einer anderen Lebensphase, hat ein anderes Verhältnis zu Autoritäten und verfügt über eine andere Leistungsfähigkeit.

Besserwisser, Druckmacher und 
Duckmäuser sind out

Diesen Unterschieden sollten die Vorgesetzten eines altersgemischten Teams Rechnung tragen. Keine leichte Aufgabe, vor allem für junge Führungskräfte. «Wenn junge Leute gleich nach dem Universitätsabschluss ein Team mit fünf Leuten führen müssen, sollten sie nicht autoritär und besserwisserisch auftreten», so Florian Kunze. Empfehlenswerter sei es, bei Teamsitzungen zunächst die Rolle des Beobachtenden und Lernenden einzunehmen. Explizit in die Lehre eingebaut ist das Thema «junge Führungskräfte» an der Universität St. Gallen noch nicht. Am Institut für Führung und Personalmanagement arbeitet man derzeit an einem Kurs für nächstes Jahr, in dem Führung und demografischer Wandel ein Thema sein werden. In Deutschland, wo der demografische Wandel stärker ausgeprägt ist, hat das Institut bereits einige betriebsinterne Seminare zum Thema durchgeführt.

Die Neulands Academy for Modern Leadership im deutschen Fulda ist im Begriff, ihre Führungstrainings zum Thema Führen von älteren Mitarbeitern auszubauen. Gemäss Führungstrainer Stefan Bayer gibt es zwei falsche Arten, wie junge Chefs auf ältere Mitarbeiter reagieren: «Entweder sie machen sich künstlich klein – aus Respekt angesichts der grossen Erfahrung und der vielen Seilschaften der älteren Mitarbeiter. Oder sie machen sich künstlich gross, was aber nicht gelingt, weil ihnen die Erfahrung fehlt.» Der grössten Fehler sei es jedoch, zu schnell mit Druck zu reagieren, wenn sich ein älterer Mitarbeiter nicht bewegen will.

Es braucht Chancengleichheit 
für junge und alte Mitarbeitende

Viele Schweizer Firmen schenken dem Thema Altersdiversität zwar Beachtung, aber explizit geschult wird es noch zu wenig. Häufig wird das Führen von Älteren durch Jüngere in Führungstrainings unter dem Thema Diversity zusammengefasst.

So auch bei Axa Winterthur, wo das Thema in Schulungen als Teilaspekt angesprochen wird. «Beim Thema Teilzeitarbeit weisen wir beispielsweise darauf hin, dass Teilzeit bei jüngeren Mitarbeitern eine andere Bedeutung haben kann als bei älteren», sagt Yvonne Seitz, die bei Axa Winterthur die Abteilung Diversity der Human Resources leitet. «Es ist wichtig, dass jüngere Vorgesetzte das Wissen von älteren Mitarbeitern wertschätzen und ihnen auch die Chance geben, sich beruflich weiterzuentwickeln.»

Ein besonderes Augenmerk müssen die Führungskräfte in altersgemischten Teams auf Chancengleichheit legen. «Es fällt jungen Führungskräften aus Respekt oft nicht leicht, einem älteren Mitarbeiter ein kritisches Feedback zu geben», weiss Martina Zölch, Professorin am Institut für Personalmanagement und Organisation an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Es bestehe die Gefahr, ältere Mitarbeiter in die Komfortzone zu setzen, ihnen kein Feedback mehr zu geben, um ihnen nicht mehr «weh zu tun». Oder sie bei interessanten Projekten zu übergehen. Im zweitägigen Führungsseminar, das Zölch mit Kolleginnen für Unternehmen anbietet, wird daher ein spezieller Fokus auf Führen und Alter gelegt.

Zwei Fallbeispiele: So machen es 
ABB und Ernst & Young

Die Teams von ABB Schweiz sind seit jeher durchmischt, was Alter, Erfahrung und Nationalität angeht. Dass ein Hochschulabgänger mit wenig Erfahrung in eine Führungsposition komme, sei aber eher selten. Das Führen altersgemischter Teams durch junge Chefs sei integraler Bestandteil des firmeninternen Führungsentwicklungsprogramms, wie ABB-Schweiz-Sprecher Lukas Inderfurth erläutert: «Das heisst, es kann bei Bedarf angesprochen werden, aber es ist kein expliziter Programmschwerpunkt in der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften.»

Bei der Beratungsfirma Ernst & Young beträgt das aktuelle Durchschnittsalter der Mitarbeitenden 34 Jahre. «Wir haben einige Kolleginnen und Kollegen, die sehr schnell Karriere machen und als Partner bereits mit Mitte 30 die höchste Führungsebene erreicht haben», sagt HR-Leiterin Barbara Aeschlimann. Bei Ernst & Young wird das Thema Altersdiversität den Mitarbeitenden unter der umfassenden Initiative «Diversity and Inclusiveness» nähergebracht. In einem flächendeckenden Workshop für Partner wird das Thema «Wie integriere ich möglichst gewinnbringend unterschiedliche Ansichten und Ideen in ein Gesamtkonzept» intensiv diskutiert und bearbeitet.

Im Workshop lernen die oft sehr karriere- und selbstbewussten jungen Führungskräfte, wie sie ihre Autorität leben können, ohne eingrenzend oder beleidigend zu wirken. Anhand von Beispielen aus dem Unternehmensalltag wird gezeigt, wie man die Meinungen von Mitarbeitenden integriert, wie man sich durchsetzt und sich Respekt und Ansehen verschafft. «Nur weil man eine gewisse Rolle hat und Chef ist, heisst das nicht in jedem Fall, dass man akzeptiert ist», erklärt Barbara Aeschlimann.

Tipps für junge Führungskräfte im Umgang mit älteren Mitarbeitenden

  • In der ersten Zeit zunächst die Rolle des Beobachters einnehmen.
  • 
Das Erfahrungswissen der älteren Mitarbeitenden anerkennen und in die Entscheidungsprozesse einbringen.
  • 
Keinen stark autoritären Führungsstil pflegen.
  • 
Nicht sofort mit Druck reagieren.
  • 
Die bestehenden Netzwerke der älteren Mitarbeiter im Unternehmen nicht unterschätzen.
  • 
Respektvoll mit anderen umgehen und zuhören.
  • 
Eine gute, offene Gesprächskultur entwickeln.
  • 
Nicht in Vorurteilen denken.
  • 
Flexibel und sensibel auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden 
reagieren.
  • 
Sich mit der Generation auseinandersetzen, in der sich die 
älteren Mitarbeitenden befinden. Sie wurden anders sozialisiert und haben ein anderes Verhältnis zum Thema Autorität als 
viele Junge.   

Literatur:

  • Heike Bruch, Florian Kunze, Stephan Böhm, Generationen erfolgreich führen. Konzepte und Praxiserfahrungen zum Management des demografischen 
Wandels (2010), Gabler Verlag: Wiesbaden.
  • Martina Zölch, Anja Mücke, Anita Graf, Axel Schilling: Fit für den demografischen Wandel? Ergebnisse, Instrumente, Ansätze guter Paxis (2009), Haupt Verlag: Bern.
Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Susanne Wagner ist freie Journalistin.

Weitere Artikel von Susanne Wagner