Stressprävention

«Wir arbeiten nicht primär, um möglichst müde zu werden»

Anti-Stress-Programme würden sich nur auf die Spitze des Eisbergs beschränken, kritisiert Thomas Gosteli, Leiter HR bei der Berner Kantonalbank. Er erklärt, wie er die Stress- und Burnoutprävention bei der BEKB gestaltet.

Herr Gosteli, wie hat sich das Bewusstsein für die Burnout-Problematik bei der Berner Kantonalbank in den letzten Jahren entwickelt?

Thomas Gosteli: Bei der BEKB bearbeiten wir das Thema aus mehreren Gründen aktiv. Einerseits wollen wir mit der Schaffung von guten Rahmenbedingungen unsere Rolle als verantwortungsvolle Arbeitgeberin wahrnehmen. Anderseits geht es selbstverständlich auch darum, durch gezielte Präventionsmassnahmen die Kosten für krankheitsbedingte Ausfälle zu reduzieren.

Und wie bewusst ist die Problematik anderen Unternehmen?

Grundsätzlich ist es schwierig, eine allgemeingültige Antwort für alle Unternehmen zu geben. Generell beobachte ich im Austausch mit Kolleginnen von anderen Unternehmen, dass das Thema – insbesondere aufgrund der erhöhten Anzahl von Betroffenen – deutlich stärker ins Bewusstsein gerückt ist.

«Auch Entschleunigung muss effizient sein»

Wir haben Theaterregisseurin und Autorin Livia Anne Richard und BEKB-HR-Leiter Thomas Gosteli zum Gespräch über Burnoutprävention und Stress getroffen. Livia Anne Richard spricht im Interview darüber, warum sie der Burnout-Thematik ein Theaterstück gewidmet hat und was sie am wachsenden Industriezweig des Bäume-Umarmens und des Lach-Yogas kritisiert. Zum Interview

Viele Firmen schicken ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anti-Stress-Kurse, nur damit diese nach dem Kurs – frisch gestärkt – noch strammer im Hamsterrad treten. So die Kritik von Theaterregisseurin Livia Anna Richard ...

Persönlich habe ich eher ein kritisches Verhältnis zu Anti-Stress-Kursen. Denn sie behandeln oft nur Symptome – die effektiven Ursachen bleiben im Verborgenen. Es ist wie beim Eisberg-Modell: Das, was man sieht, wird in diesen Programmen behandelt, aber eigentlich ist derjenige Teil, welcher nicht sichtbar ist, wesentlich wichtiger und grösser.

Definitiv nicht unserer Philosophie entspricht es, dass wir die Mitarbeitenden in das Energiemanagement-Seminar schicken, damit sie danach noch strammer im Hamsterrad treten können. Vielmehr sollen sie zurückkommen und den Grundsatz «work smarter, not harder» verinnerlicht haben. Schliesslich arbeiten wir nicht primär, um möglichst müde zu werden, sondern vor allem, um unseren Kundinnen und Kunden erstklassige Finanzdienstleistungen zu bieten.

Wie sieht denn eine sinnvolle Burnout-Prävention Ihrer Meinung nach aus?

Die beste Prävention ist meines Erachtens, dass unsere Mitarbeitenden mit Freude und Motivation bei der Arbeit sind. Dafür sind einerseits eine klare Sinnvermittlung und anderseits auch die Gewährung von genügend Gestaltungsspielraum zentral.

Wenn Vorgesetzte ein offenes Verhältnis zu ihren Mitarbeitenden pflegen und ein guter Teamgeist herrscht, sind dies sehr gute Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Prävention.

Daneben bieten wir unseren Mitarbeitenden auch die Möglichkeit, an Energiemanagement-Seminaren teilzunehmen. Hier sollen die Mitarbeitenden sich aktiv mit ihrer eigenen Situation auseinandersetzen und sich so auch etwas vom «Tunnelblick» zu lösen.

Was unternehmen Sie bei der BEKB, um die Anzeichen eines drohenden Burnouts wie vermehrte Absenzen oder unkonzentriertes Arbeiten zu erkennen und Führungskräfte in die Pflicht zu nehmen?

Zum einen setzen wir bei der BEKB stark auf Eigenverantwortung. Selbstverständlich gilt dies auch im Bereich der Burnout-Prävention. Frei nach Molière: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Zum anderen ist selbstverständlich auch die Rolle der Führungskräfte zentral. Seit diesem Jahr bieten wir deshalb ein zusätzliches Weiterbildungsangebot für die Führungskräfte an. Dadurch stellen wir sicher, dass die Führungskräfte ihre Verantwortung im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements kompetent wahrnehmen können.


Die BEKB lädt ihre Mitarbeitenden und deren Begleitpersonen an zwei Vorstellungstermine des Freilichttheaterstücks «Abefahre! Stressfrei in 5 Tagen» ein. Was versprechen Sie sich davon?

Diese Anlässe bringen den Mitarbeitenden das Thema Stressprävention auf eine ungezwungene und trotzdem fundierte Art und Weise näher. Dadurch wollen wir den offenen Umgang mit dem Thema fördern. Wir laden bewusst auch die Begleitpersonen ein, weil wir überzeugt sind, dass gerade der Dialog mit der Partnerin oder dem Partner in diesem Thema von zentraler Bedeutung ist. Mit einer Podiumsdiskussion wollen wir den Teilnehmenden zudem aufzeigen, wie vielschichtig das Thema ist und sie sensibilisieren, dass alle davon betroffen sein können. Selbstverständlich geht es auch darum, unseren Mitarbeitenden bewusst zu machen, was sie für ihren persönlichen Energieaufbau vornehmen können und welche Unterstützungsangebote sie seitens der BEKB erhalten.

Freilichttheater Gurten: ABEFAHRE! – Stressfrei in 5 Tagen

20. Juni – 30. August 2018, Gurten Park im Grünen, Wabern

Eine Handvoll Menschen unterzieht sich einem fünftägigen Anti-Stress-Seminar. Eine Woche ohne Handy, dafür mit literweise Fastentee. Doch nicht alle sind freiwillig in diesem Seminar. 

Am Ende der Woche ist jedoch keiner mehr der, den er zu Beginn des Seminars vorgegeben hat zu sein. Und in einem Fall führt die Aufdeckung der wahren Identität eines Kursteilnehmers beinahe zu einem Nervenzusammenbruch des Anti-Stress-Coaches. Langsam beginnt man zu verstehen, dass es mit dem «Abefahre!» eben nur dann klappt, wenn man zuerst einmal das Ausrufezeichen hinter dem Wort entfernt. www.theatergurten.ch

 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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