Ethik

Der Code of Conduct:
 Schmuckstück oder Sinnstifter?

Ein Code of Conduct soll als «Unternehmensverfassung» den ersten Schritt zu einem wirksamen und nachhaltigen 
Ethikmanagement bilden. Die Frage nach seinem Sinn stellt sich nach Ansicht der Autorin nicht: Denn schaden kann ein Code of Conduct auf keinen Fall, wohl aber einen wichtigen Beitrag zur Kommunikation der Unternehmenswerte leisten.

Compliance umschreibt die Einhaltung geltenden Rechts sowie von weiteren Normen der Selbstregulierung oder von Branchenstandards. Als umfassendes Verhaltenskonzept beinhaltet Compliance nicht nur das Recht, sondern allgemeine Prinzipien der Ethik und der Moral, welche in der praktischen Umsetzung im Unternehmensalltag einfliessen in konkreten Verhaltensanweisungen an Mitarbeitende. Es geht um einen integritätsbezogenen Ansatz; dieser ist proaktiv und von Werten 
sowie von Respekt für den Kontext geprägt.

Compliance ist ein Moment des Risk Management. Im Vordergrund stehen Rechts- und Reputationsrisiken. Reputation soll im Folgenden verstanden werden als das öffentliche Ansehen, das eine Person, Institution, Organisation oder allgemeiner ein (Kollektiv-)Subjekt mittel- oder langfristig geniesst und das aus der Verteilung von Prestigeinformation an unbekannte Dritte über den Geltungsbereich persönlicher Sozialnetze hinaus resultiert. Der Aufbau (und Erhalt) eines guten Rufes folgt heute einer Logik, welche sich aus zwei elementaren Reputationstypen ableitet: aus der funktionalen Reputation, die Personen und Organisationen an Leistungszielen misst, und aus der Sozialreputation. Letztere fokussiert sich auf die Frage, inwieweit Akteure moralisch integer sind und entsprechend handeln.

Gründe für einen Code of Conduct

Die Umsetzung eines Compliance-Konzepts bedarf im ersten Schritt der Festlegung des rechtlichen und ethischen Rahmens, in welchem sich das Unternehmen bewegt. Der Code of Conduct eines Unternehmens kann definiert werden als für alle Mitarbeitenden verbindliche Darlegung seiner Werte und des Bezugsrahmens, in welchem dieses seine 
Geschäfte führen will.

Die Frage, ob es in einem Unternehmen einen Code of Conduct überhaupt braucht, weil es doch selbstverständlich ist, dass man sich an gewisse Werte hält, lässt sich zunächst aus praktischer Sicht so beantworten: Wenn es so selbstverständlich ist, dann ist es gut und schadet nicht, diese Prinzipien und Werte zu dokumentieren. Ist es aber nicht selbstverständlich, so ist es umso bedeutsamer und nötig, einen Code of Conduct zu schaffen. So oder so stellt dieses Dokument eine Form der persuasiven und argumentativen Kommunikation dar; es bildet Ausdruck einer gemeinsamen Unternehmenskultur und der Werte, welche gelten und Beachtung beanspruchen.

Untersuchungen haben ergeben, dass weltweit drei Hauptfaktoren massgebend dafür sind, dass solche Codes verfasst werden: erstens das Bestreben, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, zweitens der Wille, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die von möglichst vielen geteilt wird, und schliesslich drittens der Wunsch, den Ruf des Unternehmens zu schützen oder zu verbessern.

Aus rechtlicher Sicht kann gesagt werden, dass es keine ausdrückliche Verpflichtung gibt, einen Code of Conduct zu schaffen. Allerdings kann mit Blick auf die strafrechtliche Haftung von Unternehmen und ihrer Pflicht, organisatorische Massnahmen zur Verhinderung von Straftaten zu treffen, dieser Verhaltenskodex als ein sehr geeignetes Mittel 
betrachtet werden (man denke etwa an die Bekämpfung von Korruption).

Themen eines Code of Conduct

Ethos als langfristig orientierte Investorin postuliert beispielsweise, dass ein vollständiger Verhaltenskodex mindestens die drei nachstehenden Bereiche abdeckt:

  1. 
Geschäftsethik: Bestechung, Wettbewerb, Interessenkonflikte, Gesetzesbestimmungen etc.
  2. 
Verantwortung für die Umwelt
  3. 
Soziale Verantwortung: Menschenrechte, Mitarbeitende

Erfordernis einer Integritätsstrategie

Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg gehen: Branche, Produkte, Dienstleistungen, spezielle Regulierungen, Anforderungen der prudentiellen Aufsicht, Unternehmensgeschichte sowie Führungspersonen beeinflussen diesen Weg massgeblich. Es gibt indessen allgemeingültige Rahmenbedingungen, damit Corporate-Governance-Themen sowie Compliance direkt in die Wertschöpfung integriert werden. Es braucht eine Integritätsstrategie und eine Integritätsinfrastruktur: 
Es geht beispielsweise nicht an, dass man 
Mitarbeitende unter Druck setzt, unter allen 
Umständen Aufträge zu generieren, und dann – wenn etwas auffliegt – seine Hände in Unschuld wäscht.
Zur Integritätsstrategie zählen insbesondere:

  • 
Die massgeblichen Werte sind sinnvoll und werden klar kommuniziert.
  • 
Das Führungspersonal engagiert sich persönlich, glaubwürdig und setzt selbst um, was es fordert.
  • 
Die Werte sind in die täglichen Entscheide integriert und beziehen sich auf die für das einzelne Unternehmen kritischen Aktivitäten.
  • 
Die unternehmensinternen Systeme und Strukturen unterstützen und verstärken die Umsetzung der Werte.
  • 
Das Management hat die Fähigkeiten, das Wissen und die Kompetenzen, welche erforderlich sind, um in Alltagsgeschäften integer zu entscheiden.
  • 
Selektion und Beförderungen tragen diesen Erfordernissen Rechnung.

Schliesslich gehören eine offene Gesprächskultur, aktive und passive Kritikfähigkeit sowie Charakterstärke dazu. Wer bloss nach Akzeptanz schielt, kann nicht integer handeln. Und: Was integres Verhalten ist, lässt sich festlegen.

Kontrollumfeld (tone at the top)

Das Kontrollumfeld umfasst alle Aspekte eines Unternehmens, die unter dem Stichwort Corporate Governance, Compliance, Organisation und Führung diskutiert werden. Es geht dabei sowohl um die Grundwerte, die beispielsweise in einem Code of Conduct festgeschrieben sind, als auch um das praktische Zusammenspiel der Unternehmensorgane (Verwaltungsrat und Geschäftsleitung). Weiter werden im Rahmen des Kontrollumfelds die Unternehmensorganisation, das Weisungswesen, die Kompetenzverteilung etc. betrachtet. Als Kontrollumfeld, welches das Arbeitsumfeld im weitesten Sinn bildet, wird weiter die Haltung der obersten Organe sowie des Managements im Hinblick auf Kontrollen und Sanktionen bezeichnet.

Integrität und ethische Werte, Kompetenzen und Verantwortlichkeit, Personal- und Beförderungspolitik sowie Fachkompetenzen prägen diese Umgebung. Die obersten Führungsorgane tragen somit eine ganz besonders grosse Verantwortung. Es ist an ihnen, Stärken und Schwächen der Organisation zu beobachten, zu benennen und in einer gesunden Selbstreflexion ihre eigene Rolle in diesem System zu hinterfragen und zu gestalten. Ihrer Signal- und Vorbildfunktion müssen sie nachkommen und dadurch Zeugnis dafür ablegen, dass die auf Papier verankerten Werte tatsächlich gelebt werden. So verstanden sind sie das Gesicht der Werte, die Figuren, die im Unternehmen dafür einstehen.

Verantwortung der Mitarbeitenden

Die Verantwortung dafür, dass die Regeln und Werte umgesetzt werden, liegt bei jedem Einzelnen, bei ihm entsteht eine integere Kultur. Ein Code of Conduct ist so verstanden lediglich ein Teil des Prozesses, um Werte bewusst zu verankern, mitzuteilen und deren Verwirklichung zu erleichtern. Er bildet ein Instrument unternehmensethischer Selbstbindung und einen Teil der Umsetzung einer Good Corporate Governance. (Siehe Artikel Seite 24)

Werte und Risiken

Werthaltungen beeinflussen beispielsweise die Wahrnehmungen und Einschätzungen von Risiken. Sie sensibilisieren und geben Orientierungspunkte. Dies betrifft sowohl Rechts- als auch Reputationsrisiken.
Führungspersonen müssen die primären Ansprechpersonen bei konkreten Fragen zur Umsetzung eines Code of Conduct sein. Sie verkörpern und leben die festgelegten Werte und beraten ihre Mitarbeitenden kompetent. Es kommt ihnen eine wichtige Funktion zu in der moralischen und motivierenden Unterstützung der Mitarbeitenden bei der Umsetzung aller institutionellen Regelungen und 
in der Einschätzung und Gewichtung von 
Risiken.

Um die Bedeutung des richtigen Verhaltens nicht nur gegenüber den Mitarbeitenden zu verdeutlichen, wird heute der Code of Conduct meist öffentlich zugänglich gemacht. Über die Website des Unternehmens können sich interessierte Kreise wie zum Beispiel nachhaltig orientierte Investoren, Kunden, Konkurrenten oder Medien über die im Unternehmen geltenden Regeln informieren. Diese Öffentlichkeit im Umgang mit Regeln und Normen ist ein Wesensmerkmal von Compliance. Es geht dabei nicht nur um die Sicherstellung regelkonformen Verhaltens, sondern auch um die Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung. Compliance hat für das Unternehmen neben dem rechtlichen Aspekt der Haftungsbeschränkung die wichtige Aufgabe der Förderung bzw. des Erhalts eines 
verdienten guten Rufes. Das Konzept der verdienten Reputation besagt, dass ein Unternehmen (oder eine Person) positiv bewertet wird, weil es dies verdient, und nicht, weil dem Publikum die tatsächliche Unternehmenspraxis nicht bekannt ist.

Die Rolle der HR-Verantwortlichen ist in diesem Zusammenhang wichtig, weil sie unter dem Motto «Know Your Employee» das Management beraten, wenn es um die Auswahl, die Qualifikation und die Förderung der Mitarbeitenden geht.

Quellen und weiterführende Hinweise

  • Mark Eisenegger: Reputation in der Mediengesellschaft, Wiesbaden 2005.
  • ETHOS Studie: Verhaltenskodexe, Best Practice der grössten in der Schweiz kotierten Unternehmen, Genf 2009.
  • Ben W. Heineman: High Performance with High Integrity, Boston 2008.
  • Monika Roth: Compliance, Integrität und Regulierung, Ein wirtschaftsethischer Ansatz in 10 Thesen, Zürich 2005.
  • Dieselbe: Regulation und Reputation, Der Finanzplatz Schweiz und die Compliance seiner Unternehmen, Zürich 2008.
  • Dieselbe: Good Corporate Governance, Compliance als 
Bestandteil des internen Kontrollsystems. Ein Handbuch für die Praxis, Zürich 2007.
  • Dieselbe (Hrsg.): Close up on Compliance, Recht, Moral und Risiken – Nahaufnahmen zu Compliance Management und Governance-Fragen, Zürich 2009.
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Monika Roth, Prof. Dr. iur., Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin, ist Partnerin der Kanzlei roth schwarz roth und der Beratungsfirma Roth The Match­makers in Binningen (Schweiz). Sie ist Professorin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern und Studienleiterin des Diploma of Advanced Studies Compliance Management. Monika Roth ist Verwaltungsratspräsidentin der Adnovis AG in Basel, Verwaltungsrätin der Ethos 
Services AG in Genf sowie von kmu online AG in Oberwil. Sie ist als Straf- und Steuerrichterin tätig.

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