Checkliste

Die vier grossen B

Tipps für die erfolgreiche Gestaltung hybrider Arbeitsmodelle, damit «Working from home» nicht zum «Living at work» wird.

Einer im April 2021 vom Statista veröffentlichten Studie nach wünschen sich 37 Prozent der Befragten auch nach der Corona-Pandemie, mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen. 26 Prozent würden gerne nur im Homeoffice arbeiten und lediglich 12 Prozent wieder ausschliesslich ins Büro zurück. 

Viele Unternehmen respektieren diese Wünsche bereits. Doch um Konfliktlinien bei der Frage, wer wann mobil arbeiten kann, zu verhindern, sind Richtlinien innerhalb eines Unternehmens, die das flexible Arbeiten für alle Mitarbeitenden verbindlich festlegen, elementar. Der Brüsseler Think Tank Bruegel schreibt dazu in einem kürzlich veröffentlichten Policy Paper, dass für Remote-Arbeitende in vielen Arbeitsumgebungen vor der Pandemie ein hohes Risiko bestand, aus den organisatorischen Arbeitsabläufen der Unternehmen regelrecht herauszufallen bzw. verdrängt zu werden. Um das zu verhindern, müssen Unternehmen vier Bereiche beachten:

  • Bricks: Das Büro als physischer Raum muss neu gedacht werden.
  • Bytes: Teams müssen die richtigen Tools zur Hand haben, um auch virtuell gut zusammenarbeiten zu können.
  • Behaviour: Die Unternehmenskultur muss auf Vertrauen basieren und inklusiv sein.
  • Blueprint: Unternehmensweite Richtlinien regeln das «Wie» der Zusammenarbeit unterschiedlicher Teams.

1. Bricks: Das Büro als einen sozialen Raum denken

Solange Wissensarbeit auf physischen Medien wie Papier beruhte, war es sinnvoll, zentrale Orte für Arbeit in Form von (Grossraum-)Büros zu schaffen, die jedoch nicht selten an «geistige Legebatterien» erinnerten. Das Internet hat das Büro als Ort der industriellen Wissensarbeit erfolgreich verdrängt und ihm stattdessen die Bedeutung eines sozialen Raums verliehen. Denn diverse Studien und Befragungen belegen, dass es sich im Homeoffice mindestens so konzentriert arbeiten lässt wie in einem Büro im Firmengebäude. Denkt man also Büro als sozialen Raum, kann man in den (Zusammen-)Arbeitsräumen des New Normal durchaus auf Schreibtische verzichten und Mitarbeitenden stattdessen Cafés, Sitzgelegenheiten, natürlich auch Konferenzräume und Whiteboards mit Möglichkeiten für hybride Videokonferenzen oder eigene Videokonferenzräume für vollständig verteilte Teams anbieten – bei Bedarf in Coworking-Spaces mit flexibler Einrichtung.

2. Bytes: Die richtigen Tools — und wie man sie nutzt

Keine Frage: Wir alle haben die Vorteile virtueller Meetings in den letzten Monaten schätzen gelernt. Aber haben wir diese Tools auch richtig genutzt? Viele Unternehmen haben während der Lockdowns synchrone, persönliche Kommunikation wie etwa Besprechungen einfach durch synchrone digitale Kommunikation ersetzt – mit dem Ergebnis, dass fast der ganze Tag mit Videokonferenzen gefüllt war.

Eine einfache Möglichkeit, die Zahl der – virtuellen und realen – Meetings zu reduzieren, ist der «Drei D»-Test: Ein Meeting ist dann sinnvoll, wenn es um «decisions» (Entscheidungen), «debates» (strategische Fragen) und «discussions» geht (etwa Brainstormings, Feedbackgespräche etc.). Alle anderen Meetings wie zum Beispiel Status-Updates könnten asynchron stattfinden.

3. Behaviour: Die Unternehmenskultur digital erlebbar machen

Der Think Tank Bruegel beschreibt die Kultur eines Unternehmens in der oben bereits zitierten Studie als einen Eisberg: Manche Elemente sind sichtbar, viele jedoch unsichtbar. Sie werden erst durch das Beobachten und die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen deutlich. In einem digitalen Umfeld sind diese impliziten Regeln und Normen noch schwieriger zu erkennen. Flexible Arbeit braucht deswegen ein anderes Management-Verständnis, das auf Vertrauen und Autonomie aufbaut und Mitarbeitende im Homeoffice explizit einschliesst. Studien zeigen, dass Mitarbeitende im Homeoffice seltener befördert werden als ihre Kolleg*innen im Büro.

4. Blueprint: Flexibles Arbeiten nach klaren Richtlinien

Die entscheidendste Regel betrifft vermutlich die Erwartungen an Erreichbarkeit und Reaktionszeit von Mitarbeitenden in Remote-Phasen. Denn die Vorteile flexibler Arbeit können erst dann ausgeschöpft werden, wenn Unternehmen proaktiv Zeit für «deep work» schaffen – also ungestörtes, konzentriertes Arbeiten. Eine Idee zur Realisierung tiefer Konzentrationszeiten ist die Trennung der Tagesarbeitszeit in Phasen für fokussierte Einzelarbeit und andere Phasen für die konzentrierte Zusammenarbeit in Teams.

Schaffen Sie bewusste Zeiten für Nicht-Erreichbarkeit. Denn genau da, wo Arbeit und Privatleben komplett miteinander verschmelzen, besteht die Gefahr von Erschöpfung und Burnout. In Frankreich beispielsweise gibt es bereits seit 2017 ein «Recht auf Nichterreichbarkeit» für Angestellte.

Präsenz, hybrid oder virtuell: ein erstes Fazit

Trotz der Veränderungen, die die Arbeitswelt durch die Erfahrungen mit der Pandemie vollzogen hat, scheint es noch zu früh, um tatsächlich fundierte Prognosen abgeben zu können, welche Arbeitsformen sich durchsetzen werden. Ein paar Regeln lassen sich allerdings schon festhalten: Hybride Arbeit, bei der ein Teil der Mitarbeitenden im Büro arbeitet und ein Teil im Homeoffice oder einem Coworking-Space, birgt das Risiko einer unbeabsichtigten Benachteiligung der Mitarbeitenden, die nicht ständig präsent sind. Unternehmen müssen systematische Voreingenommenheit zu Ungunsten von Homeoffice-Mitarbeitenden unterbinden und ihre Arbeitsprozesse idealerweise so gestalten, dass sie grundsätzlich von überall aus erledigt werden können.

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Andrea Trapp (LinkedIn-Profil) ist Vice President of Business International bei Dropbox. Die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Change-Management war 22 Jahre lang in europaweiten Führungs- oder Vorstandspositionen internationaler Tech- und PropTech-Unternehmen tätig.

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