Porträt

Disziplin gepaart mit Risikofreude:«Ich habe das noch nie gemacht, also let’s do it!»

Nach einer Ausbildung im Aussenhandel in ihrer Heimat, der damals sozialistischen Tschechoslowakei, hat Marcela Cechová jede sich bietende Chance genutzt. Damit, ihre Ziele stets etwas höher zu stecken, ist die frühere Leistungssportlerin bestens vertraut. Kaum erstaunlich, ist sie heute bei Lonza für das weltweite Personalmanagement zuständig.

Wie darf man sich eine Personalverantwortliche vorstellen, deren persönliches Lebensmotto «Sei diszipliniert!» heisst? Als eine Mischung aus Streberin, Stechuhr und Tugendvorbild? Nicht in diesem Fall. Marcela Cechová scheint nichts dergleichen. Zwar zeugt ihre bemerkenswert klare Ausdrucksweise davon, dass die Form ihrer Gedanken bewusst gewählt ist – ein sicheres Zeichen für Disziplin. Auch ihre Körpersprache beschränkt sich auf sparsame, wohldosierte Bewegungen. Die Frage, ob sie sich denn kein bisschen verführen lasse, nicht einmal mit einem Stückchen Schokolade, provoziert indes ein kurzes Aufblitzen in ihren Augen, einen Moment lang ist zu befürchten, sie sei empört über so viel Unverstand der Fragenden.

Disziplin definiert sich nicht in den Details, sondern im grossen Ganzen

Zum ersten, aber nicht zum letzten Mal in diesem Gespräch zeigt Marcela Cechová, was sie auszeichnet und was auch andere an ihr mögen: Klartext – direkt, aber durchaus freundlich und respektvoll geäussert – gepaart mit einem echten Interesse am Gegenüber. «Stoppen Sie mich, wenn ich zu viele Fragen stelle», bittet sie die verdutzte Journalistin, noch bevor diese ihre erste Frage gestellt hat. Und die Disziplinfrage klärt sie schliesslich so: «Sie verstehen Disziplin falsch!» Sie möge Schokolade und auch ein gutes Glas Wein, ja, sie sei sogar ein ausgesprochener Gourmet. Die Forderung nach Disziplin beziehe sich nicht so sehr auf Details, sondern auf die Lebensführung im Grossen und Ganzen: «Be consistent and persistent in what you’re doing.»

Ihre Karriere hat ihr einiges an Durchhaltewillen abverlangt und war alles andere als ein ungestörtes Aufwärtsklettern, das bereits auf hohem Niveau beginnt. Weil sie damals in der Tschechoslowakei nicht über das «richtige politische Profil» verfügte, wie sie ihre Abneigung gegenüber der Partei diplomatisch umschreibt, musste sie auch im Beruf anwenden, was sie als Leistungssportlerin vom Sportplatz her kannte: beharrlich in kleinen Schritten vorwärts, nach Niederlagen wieder aufstehen und weiterüben. Nachdem zwei Anträge auf ihr Wunschstudium Aussenhandel abgelehnt worden waren, entschied sie sich für den längeren, härteren Weg. Sie begann zu arbeiten und bewarb sich – diesmal erfolgreich – um einen Platz im Fernstudium. Was bedeutete, dass da abends nach der Arbeit neben dem Familienleben mit anfänglich einem kleinen Kind auch eine Menge Schulstoff zu bewältigen war. «So etwas zieht man vielleicht ein Jahr lang durch ohne Disziplin», erklärt sie, «aber nicht während fünfeinhalb Jahren.» So lange dauerte es, bis sie ihr Diplom in der Tasche hatte.

Neben ihrer Zielstrebigkeit scheint eine weitere Eigenschaft Marcela Cechová auszuzeichnen: eine ordentliche Portion Risikofreude. Ihre Reaktion auf Jobangebote – ob es sich dabei um eine Position im Immobilienhandel, bei einem internationalen Headhunter oder einer Biotech-Firma wie Lonza handelt – scheint jedes Mal ähnlich ausgefallen zu sein: «Ich habe das noch nie gemacht.» Gefolgt von einem: «Let’s do it!» Gänzlich überraschend sei allerdings keiner ihrer Karriereschritte gewesen: «Ich hatte jeweils gespürt, dass ich bereit dafür war.»  Dieses Wissen – oder vielmehr: dieses Vertrauen in die eigene Leistungskraft – habe seine Wurzeln in ihrem Fall in der Unterstützung durch die Familie. Insbesondere ihr Mann, den sie als ihren 
grössten Mentor bezeichnet, habe sie stets unterstützt und auch in der Kinderbetreuung entlastet. «Wer könnte es, wenn nicht du?», lautete jeweils sein Kommentar, wenn 
Marcela Cechová sich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert sah und sich fragte, ob sie ihr gewachsen wäre.

Eigentlich habe sie aber ohnehin nie Angst davor gehabt, ihr Leben zu verändern, sagt sie, denn «neue Erfahrungen führen einen aus der persönlichen Komfortzone hinaus und stärken das Selbstbewusstsein.» Erfahrung in unterschiedlichen Gebieten bilde eine sehr gute Basis für ein tieferes Verständnis komplexer Führungsfragen. «Wer zu schnell oder zu einseitig Karriere gemacht hat, tendiert eher dazu, die Dinge eindimensional zu sehen.» Marcela Cechová ist überzeugt, dass ihre Empathie durch ihre Arbeit in unterschiedlichsten Bereichen und in vielen verschiedenen Teams gestärkt worden ist. Sie habe ein Gespür dafür entwickelt, wie viel Anstrengung nötig sei, um eine Aufgabe gut zu erfüllen. «Wir sollten Ziele setzen, die erreichbar sind», glaubt sie deshalb. «Allzu ehrgeizige Ziele bergen die Gefahr, Menschen zu lähmen statt zu motivieren.»

Selbstreflexion ist wesentlich für 
eine Führungsrolle

Mit der Kunst, die richtige Person an den richtigen Platz zu bringen, setzt sich Marcela Cechová besonders gerne auseinander. Ihr Engagement bei Korn Ferry habe sie diesbezüglich zu einer wichtigen Erkenntnis gebracht: «Wer in einem Unternehmen Erfolg hat, muss nicht zwingend in einem anderen ebenfalls erfolgreich sein.» Abgesehen von Berufskenntnissen sei vor allem der Charakter ausschlaggebend. Wie kann man Charakter prüfen? «Sehr schwierig», räumt Cechová ein. «Ich weiss, dass Charakter nicht einfach aus Kenntnissen oder Kompetenzen besteht. Es ist eine Mischung aus Hintergrund, Erfahrung, emotionaler Intelligenz und der Art und Weise, wie jemand seine bisherigen Erfahrungen zugunsten seiner Rolle einsetzt.»

Sie versuche, sich jeweils über ganz konkrete Fragen anzunähern: Wie würde jemand in einer konkreten und im Konzern wahrscheinlichen Situation handeln? Kann er oder sie glaubwürdig erzählen, auf welche Weise er ein Team erfolgreich geführt hat? Gerade deshalb sei die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen  wesentlich für eine Führungsrolle, sagt sie. Darum animiert sie andere ebenso gerne zur Selbstreflexion, wie sie sich selbst darin übt. Coaching ist eines ihrer Steckenpferde, und hätte sie Zeit, würde sie gerne ein Psychologiestudium in Angriff nehmen, um menschliche Denk- und Handlungsweisen noch besser zu verstehen.

In ihre gegenwärtige Position hat Marcela Cechová allerdings ihre ausgewiesene Erfahrung im Change Management geführt. Eine Qualität, die im Konzern willkommen ist, geriet Lonza doch um die Jahrtausendwende herum in eine Phase der Unsicherheit. Seit 2004 – mit dem Antritt von Stefan Borgas als CEO – prosperiert der Konzern wieder, doch die Anforderungen an die Belegschaft seien und blieben hoch. Die 8400 Mitarbeitenden hätten ehrgeizige Ziele zu erfüllen und, vor allem, immer schneller auf wechselnde Rahmenbedingungen und Veränderungen zu reagieren.

Was ist Marcela Cechovás Hauptaufgabe in dieser Situation? Die Antwort kommt prompt: «Talente liefern, die Wachstum bringen.» An Instrumenten stehen im Konzern eine Talent-Pipeline, die eng mit der Nachfolgeplanung verzahnt ist, und ein umfassendes Performance-Management zur Verfügung. Die Kritik, dass sie als Personalchefin nicht Deutsch – also die Sprache der Mehrheit der Schweizer Lonza-Belegschaft – spreche, kontert sie mit der Routine einer geübten Tennisspielerin: «Ich spreche auch kein Chinesisch – und wir haben auch Mitarbeitende in China.» Gute Gründe, um Englisch zu lernen, gebe es unzählige, und überdies arbeite sie an ihrem Deutsch, denn «je mehr Sprachen jemand kann, desto besser!» Für ihre eigene Integration in Basel hat sie ihre eigene Strategie gefunden. Offiziellen Netzwerken, Events und Partys zieht sie den Tennisklub vor, dem sie und ihr Mann gleich nach dem Zuzug nach Basel beigetreten seien: «Spass haben zusammen macht alles viel einfacher.»

In einem Interview sagte Marcela Cechová einmal, sie bewundere Menschen, die ihre Träume wahr machten. Was ist ihr eigener Traum? Sie braucht nicht lange nachzudenken. Sie habe zwei Söhne, die ihr jeden Grund geben, stolz zu sein; auch lebe sie seit über dreissig Jahren mit ihrem Mann zusammen – «and we still love to be together» –, und zu guter Letzt habe sie einen äusserst spannenden Job. «Einen schöneren Traum kann man kaum finden, meinen Sie nicht?», sagt sie und strahlt. Das Gespräch mit ihr hat zweierlei vermittelt: Es gibt wahrscheinlich nichts geschenkt im Leben. Aber das Leben kann ein wunderbares Geschenk sein. Ein Widerspruch? Eher ein Schlüssel zum Glück.

Marcela Cechová

Geboren 1955 in der sozialistischen Tschechoslowakei, seit August 2007 Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Global Human Resources des Life-Science-Konzerns Lonza. Nach einem Aussenhandel-Studium in Prag war sie 16 Jahre lang für die Handelsgesellschaft Pragexport tätig. Danach hatte sie verschiedene Managementstellen bei Beratungs-, Dienstleistungs- und Investmentfirmen in Prag inne, unter anderem beim Personaldienstleister Korn Ferry. 2002 stiess sie als HR-Managerin zu Lonza Biotec in Kourim, Tschechien, deren Leitung sie 2005 übernahm. Cechová ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihre Freizeit verbringt sie gerne mit Musik oder Literatur, am liebsten jedoch in Bewegung: Die frühere Leistungssportlerin schwimmt und wandert gerne, fährt Rad, Ski und spielt Tennis.

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