Mitarbeiterumfragen

Employer Branding: Praktikanten 
befragen und deren Eindrücke nutzen

Praktikanten sind Multiplikatoren. Nahezu jedes Unternehmen nutzt diese Beschäftigungsform mehr oder weniger 
effizient. Nicht überall wird ihnen jedoch als Employer-Brand-Multiplikatoren auf dem Campus die nötige Aufmerksamkeit 
geschenkt. Mit gezielten Befragungen könnten Unternehmen dies aber ändern.

Jeden Monat verlässt ein Heer von Ex-Praktikanten Schweizer Unternehmen, durch Einblicke und Eindrücke aus dem Arbeitsleben um einige Erfahrungen bereichert. Genau diese Erfahrungen behalten die zukünftigen Absolventen in der Regel jedoch keinesfalls für sich. Sie werden brühwarm auf dem Campus und neuerdings auch in Online Communities sowie auf speziellen Websites ausgetauscht und weitergegeben. Untersuchungen zeigen, dass Praktikanten in der Regel gut in der Studenten-Community vernetzt sind und darüber hinaus auch der Erfahrungsbericht von Kommilitonen sehr ernst genommen wird und damit hochgradig das Image eines Unternehmens prägt. Erfahre ich also von meiner Kommilitonin, dass es in einem Unternehmen langweilig bzw. unfair zugeht, werte ich diese Information nahezu wie eine eigene Erfahrung.

Aktive Suche nach Informationen über Unternehmen im Internet

Für das reine Recruiting wird die auf der 
Hand liegende Bedeutung der Praktikanten bereits hinreichend erkannt. Die Mühe mit den Praktikanten dient ja nicht nur der Markenbildung: Aus Unternehmenssicht ist ein Praktikum auch eine Art mehrmonatiges 
Assessment Center, aus dem häufig gute Mitarbeiter hervorgehen. Nie ist die Auswahl so sicher wie bei ehemaligen Praktikanten, die sich bereits im Job bewährt haben und das Unternehmen schon kennen.

Bei Employer Branding-Verantwortlichen wird jedoch häufig die Bedeutung von Praktikanten unterschätzt: Studenten suchen äusserst aktiv nach Informationen über potenzielle Arbeitgeber. Blogs und Internetseiten werden genauso durchforstet wie das eigene Kontaktnetzwerk und in letzter Zeit immer häufiger auch Online-Bewertungsforen für Arbeitgeber. Nur selten geht es den Studierenden dabei um die Produkte des Unternehmens, vielmehr interessiert es sie, wie es eigentlich beim Unternehmen X intern so zugeht. Informationen über weiche Faktoren, wie der Umgang mit Mitarbeitern oder die Stimmung im Büro, sind viel wichtiger für Absolventen und damit imageprägender, als vielen Verantwortlichen bewusst ist.

Methodisch sinnvoll sind Eingangs- sowie Endbefragungen der Praktikanten, welche die Einstellung zur Arbeitgebermarke am Anfang sowie deren Veränderung im Verlauf des Praktikums dokumentieren können. Welche Faktoren verändern sich in welche Richtung? Welche Erwartungen wurden erfüllt, wo kann das Unternehmen bessere Betreuungsleistungen erbringen?

Praktikanten helfen somit dem Unternehmen herauszufinden, in welchen Abteilungen die Betreuungsleistung besonders gut ist; Best-Practice-Beispiele, die prägend sein sollen, werden so leicht gefunden. Es fällt auf, dass gewisse Faktoren immer wieder im Zusammenhang mit einer guten Praktikumserfahrung genannt werden. Dazu zählen der persönliche Austausch mit hochrangigen Unternehmensvertretern, die Einbindung in als wichtig empfundene Prozesse sowie die persönliche und jobbezogene Bekundung von Wertschätzung des Praktikanten.

Wertgeschätzte Praktikanten 
ermuntern andere zur Bewerbung

Viele Verantwortliche sind nach Präsentation der Untersuchungsergebnisse verwundert, dass die Kerntreiber einer positiven Markenerfahrung häufig Dinge sind, die «ganz nebenbei» und häufig ohne finanziellen Mehraufwand anwendbar sind. Wenn Praktikanten selbst Dinge erfinden, neue Arbeitsabläufe entwickeln und diese im Unternehmen umgesetzt werden, dann sollte diese Leistung nicht nur gelobt, sondern auch innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden. Derartig wertgeschätzte Praktikanten belegen ihre Multiplikatorwirkung nicht zuletzt dadurch, dass sie überdurchschnittlich häufig selbst ihre Nachfolger rekrutieren oder zur Bewerbung ermuntern. Oftmals erzählen ehemalige Praktikanten noch Jahre später vom Gespräch mit dem Abteilungsleiter beim gemeinsamen Barbecue oder von der Möglichkeit, auf einer Party dem Geschäftsführer eine knifflige Frage gestellt zu haben. Diese Begegnungen sind häufig langfristig prägend und sollten gezielt eingesetzt werden. Da Praktikanten generell auch mehr aus guten Praktikumserfahrungen lernen, entsteht bei Erfolg der Massnahmen für beide Seiten ein Gewinn.

Abteilungsbezogene Auswertung zeigt Best-Practice-Beispiele auf

Praktikantenbefragungen müssen selbstverständlich individuell auf die Bedürfnisse eines jeden Unternehmens beziehungsweise auf seine Abläufe abgestimmt sein und neuralgische Punkte aufdecken können, an denen angesetzt werden kann, um die Markenerfahrung zu verbessern. Eingangs steht hierzu der Entwurf eines Fragebogens, der 
dynamisch sein sollte, um sich über die Zeit zu entwickeln. Die erhobenen Daten sollten abteilungsbezogen ausgewertet werden, um ein direktes Feedback zu ermöglichen. Wichtig ist eine Partizipation aller Beteiligten, so dass Erkenntnisse umgehend in den Prozess zurückgebracht werden können.

In einer ersten Phase werden sich durch die Befragungen gute Praktikantenbetreuer herausstellen, deren Vorgehensweise als Best Practice an andere weitergegeben werden kann. Des Weiteren werden häufige Lücken, wie die Unzufriedenheit der Praktikanten in bestimmten Abteilungen, erkannt. Schlechte Performer unter den Praktikantenbetreuern können so diplomatisch angeregt werden, 
ihren Umgang mit den Hospitanten zu überdenken und ihr Verhalten zu ändern. Die 
Ergebnisse von Praktikantenbefragungen sollten jedoch auch zu positiven Erlebnissituationen wie den bereits genannten Events mit höheren Hierarchiestufen verdichtet werden. Hier können ganz konkrete Programme entwickelt, durch regelmässige Befragungen gemessen und gegebenenfalls modifiziert werden. Durch diese «Pulsnahme» können Unternehmen den Praktikantennutzen – vor allem unter Markengesichtspunkten – voll ausschöpfen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Oliver Viel ist Director of Customer Relations, Trendence Institut Berlin.
www.trendence.ch

Weitere Artikel von Oliver Viel