Personal Swiss 2014

Game Changer – wie sich Spielregeln neu definieren lassen

Die Arbeitswelt verändert sich nachhaltig. HR und Personalentwicklung werden sich in den kommenden Jahren völlig anders präsentieren, als wir es aus der Vergangenheit kennen. Eine Neudefinition der Spielregeln drängt sich auf.

Wissen ist die zentrale Schlüsselressource unserer modernen Ökonomie und Kreativität, Kollabora­tion und Kommunikation die wichtigsten Schlüsselkompetenzen der Mitarbeiter. Nahezu alle Studien und Experten belegen dies. Bei den Top-Entscheidern und den Personalverantwortlichen herrscht hierzu ein breit abgestützter Konsens. Dennoch präsentieren sich in vielen Unternehmen die Rahmenbedingungen und Spielregeln noch oft nach altem Strickmuster. Traditionelle Vorstellungen und Modelle aus der Industrieökonomie sind allgegenwärtig. Unternehmen sind klassisch in einer pyramidalen Hierarchie aufgebaut, in der unten Angestellte und oben Manager stehen und unten Arbeit ausgeführt und oben Arbeit geplant wird. Der ideale Bewerber hat eine makellose und gradlinige Karriere vorzuweisen, sowie einen ungezügelten Willen, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Die Arbeit wird als anstrengende Gegenwelt zur erholsamen Freizeit gesehen und mittels «Work-Life-Balance»-Faktor bewertet.(1)

Auch wenn dies heute in vielen Unternehmen noch Alltag ist, so haben diese Vorstellungen und Modelle ein näher rückendes Verfallsdatum. Die junge Generation der «Digital Natives» und ein allgemeiner, unaufhaltsamer Wertewandel in der Gesellschaft erschüttert die Arbeitswelt immer mehr. Arbeit wird von den Menschen immer mehr als wichtiger Lebens- und Gestaltungsbereich gesehen und immer mehr Unternehmer heben Sinn und Nachhaltigkeit des Unternehmens auf die gleiche Ebene wie Profitabilität und Rendite. Sicherheitsbedürfnisse und Statussymbole bleiben für Mitarbeiter weiterhin wichtige Faktoren, die sich im Charakter allerdings deutlich verändern. Neue, individuelle Faktoren und Werte bestimmen das Verständnis und die Einstellung zur Arbeit.

Nachfolgend werden fünf neue Spielregeln als Beispiele dieser neuen Rahmenbedingungen näher definiert. Das Teilen von Wissen, eine neue Fehlerkultur, die Rolle der Frauen, dauerhafte Motivation und das Selbstverständnis von Managern stehen im Fokus.

Spielregel 1: Wissen muss zirkulieren

Autoritäre Experten und Wissen in den Händen von nur wenigen Privilegierten – das war die bisher massgebende Spielregel der Industrieökonomie. In der Wissens- und Kreativökonomie muss Wissen jedoch frei zugänglich, kollektiv und kollaborativ im Unternehmen und über die Unternehmensgrenzen hinaus zirkulieren. Die Intelligenz eines Unternehmens wird nicht mehr nur an der alleinigen Intelligenz des Managements, sondern an der Intelligenz der kompletten Organisation gemessen.(2)

Die zentrale Frage ist allerdings, wie ein modernes HR und Personalentwicklung die Mitarbeiter und das Management motivieren kann, das vorhandene Wissen im Unternehmen zirkulieren zu lassen und neues Wissen dauerhaft zu generieren. Die Expertenmeinungen dazu sind vielfältig. In Fachartikeln kristallisieren sich immer wieder die sogenannten «4 Fs» der Wissens-Partizipation heraus: Fame (Ruhm), Fortune (Reichtum), Fulfillment (Erfüllung) und Fun (Spass)(3).

Die ungebremste Attraktivität von Castingshows zeigt, dass Menschen vermehrt Ruhm und Status in der Öffentlichkeit suchen. Personalverantwortliche motivieren die Mitarbeiter nicht nur mit monetären Anreizen, sondern auch mit der Chance, ihr Wissen zu teilen und sich so im Unternehmen bekannt zu machen. Finanzielle Anreize sind zwar sehr wichtig und zeigen, dass die Mitarbeiter und deren Arbeit ernst genommen werden. Nur wenige Mitarbeiter ziehen ihre Motivation aber allein aus monetären Anreizen.

Die Bereitschaft, Wissen zu teilen, beruht zu einem grossen Teil auf der Möglichkeit, persönliche Erfüllung zu finden. Diese Bereitschaft kann sich zum Beispiel durch die Mithilfe bei einer zentralen Problemlösung ausdrücken. Aber auch der Kontakt zu interessanten Menschen im Unternehmen und auch ausserhalb oder das Ausleben der persönlichen Eigenheiten tragen dazu bei, diese Bereitschaft zu erhöhen. Der wichtigste Beweggrund ist und bleibt die Freude am gemeinsamen, spielerischen Arbeiten im Team.

Spielregel 2: Fehler sind gut, wenn das Unternehmen daraus lernt

Pinguine sind kluge Tiere. Bei der Fischjagd springt zuerst nur ein Pinguin in das kalte Wasser, während seine Artgenossen auf der Eisscholle geduldig warten, ob kein Fressfeind im Wasser ist. Sobald klar ist, dass die Situation sicher ist, folgen ihm alle anderen Tiere. So wird die Gemeinschaft geschützt und sich gegenseitig geholfen. Unternehmen können viel von den Pinguinen lernen.

In sich schnell wandelnden Zeiten werden meist viele Projekte gleichzeitig angegangen. Aus den begangenen Fehlern in erfolglosen Projekten wird meist wenig gelernt. Deren Verursacher verheimlichen die Fehler meist aus Angst vor Nachteilen. Die Folgen sind letztlich fatal für die jeweilige Organisation. Die immer gleichen Fehler wiederholen sich auch bei künftigen Projekten immer wieder. Eine lernende Organisation ist somit nicht möglich.

Unternehmen wie Google wollen diese Fehlerdynamik durchbrechen und haben vor einigen Jahren einen ungewöhnlichen Preis, den sogenannten «Pinguin Award», ausgeschrieben. Jeder Mitarbeiter kann ein Projekt vorstellen, das so richtig Schiffbruch erlitten hat. Kritik und Spott dürfen dabei keinen Platz haben. Aus Fehlern soll gelernt und der Mut zur offenen Kommunikation von Fehlern prämiert werden. Eine Methode und Kultur, von der andere Unternehmen ebenfalls lernen können. Vorausgesetzt, mutige Führungskräfte gehen voran und schaffen eine positive Fehlerkultur. Grundlage dafür ist eine angstfreie Umgebung, in der nicht nur nach Erfolgsfaktoren gesucht wird und erfolgreiche Projekte eine Bühne bekommen. Fehler sollen ganz bewusst offen kommuniziert, analysiert und zum Lernen genutzt werden. Getreu dem Motto: Aus Fehlern kann man lernen!

Spielregel 3: Männerquote statt Frauenquote

Der Anteil an weiblichen Führungskräften, gerade im Top-Management, ist noch immer gering. Karriere macht man (oder frau), wenn man «männlichen» Verhaltensmus­tern entspricht und in den Männerbastionen seinen Mann steht.

Eine gesetzlich verankerte Frauen-Quote im Management könnte eine mögliche Lösung sein, um die Vormachtstellung der Männer zu brechen. In vielen Ländern wurde diese bereits mit Erfolg eingeführt. Schade ist nur, dass alle Frauen damit als Quotenfrauen stigmatisiert werden, welche vor allem aufgrund ihres Geschlechts und weniger aufgrund ihrer Leistungen Karriere gemacht haben.Viele Frauen lehnen die Quote daher strikt ab.

Sollen einfach nur mehr Frauen ins Management oder geht es generell um eine bessere Balance zwischen Familien- und Erwerbsarbeit? Oder geht es nicht vielmehr um familienorientiertere Manager, gleich welchen Geschlechts? Diese Fragen müssen gestellt werden.

Nötig ist eine Familienquote, eine Kultur, die die Arbeit in der Familie und in den Unternehmen gleich stellt und keine Unterschiede macht. Es herrscht ein Bedarf an Männern, die sich nicht im Beruf vor ihrer Familie verstecken, sondern Top-Leistungen an beiden Arbeitsplätzen, Familie und Unternehmen, bringen. Es braucht mehr Frauen, die über Quotenregelungen nur müde lächeln können und mit ihren weiblichen Stärken und Kompetenzen die Arbeitswelt nachhaltig verändern.

Wenn schon unbedingt Quoten, dann wenigstens solche für Mitarbeiter mit Kindern, für männliche Erzieher in den Kindergärten und männliche Lehrpersonen in Grundschulen.

Spielregel 4: Hoher Freiheitsgrad sichert dauerhafte Motivation

In einer Wissens- und Kreativökonomie setzen sich Unternehmer immer öfter mit der Frage auseinander, wie sie ihre Mitarbeiter dauerhaft motivieren können. Klassische Bonuszahlungen und finanzielle Anreize sind weiterhin beliebt, bewirken allerdings immer weniger die erwünschten Motivationsschübe. Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Gallup(4) zeigt sogar, dass rund jeder fünfte Mitarbeiter innerlich gekündigt hat.

Die Selbstmotivation durch Selbstbestimmung scheint ein vielversprechender Lösungsansatz für diese Dilemmata zu sein. Die Mitarbeiter entscheiden hierbei selbst über das Wie, Wann, Was und Wo ihrer Arbeit. Einzige Voraussetzung: Die Arbeitsergebnisse müssen stimmen. Diese Prozesse  könnten noch produktiver und reibungsloser gestaltet werden durch die Abschaffung der Anwesenheitspflicht im Büro und bei Besprechungen. Der Schritt zu mehr Freiheiten für Mitarbeiter erfordert jedoch Mut und Gelassenheit bei möglichen Rückschlägen. Beim erfolgreichen Unternehmen von morgen ist ein hoher Freiheitsgrad der Schlüssel für Motivation, Kreativität und Innovation.

Spielregel 5: Ideen und Effizienz

Gute Ideen und Innovationen fallen nicht täglich vom Himmel. Dennoch wird von Mitarbeitern genau das erwartet. Während in den vergangenen Jahren vor allem Effektivität und Effizienz gefordert wurden, müssen Mitarbeitende heute vermehrt ansteckend kreativ und stimulierend inspiriert sein. Sie sollen frische Impulse setzen. Das überfordert manchen guten Mitarbeiter und löst oft Stress aus, wenn das Personal die geforderte Kreativität und Innovation als aufgesetzt und als zusätzliches Druckmittel versteht. Kreativität und Innovation sind leichter zu fördern, wenn intern entsprechende Strukturen aufgebaut werden. Arbeitnehmer sollen sich abteilungs- und unternehmensübergreifend austauschen können, die Kunden und auch Partner bei der Ideenentwickelung einbinden. Genügend Freiräume im Büroalltag schaffen Platz, um quer zu denken und zu tüfteln. Routinen im privaten und geschäftlichen Alltag sollen verändert werden dürfen. Kleine, kreative Störungen bei der Büroeinrichtung, zu Beginn von Meetings oder in der Projektarbeit setzen zusätzliches Poten­zial frei, wie auch das Ausprobieren von immer wieder neuen Kreativitätstechniken und die Vernetzung mit Hochschulen, Forschungsinstituten und Fachverbänden.

Fazit: Bisherige Spielregeln in Frage stellen

Diese fünf Spielregeln verkörpern keine neue Weltanschauung. Sie zeigen die aktuell stattfindenden Machtverschiebungen und Veränderungen in der Gesellschaft auf. Sie sollen anregen, sich Gedanken über künftige Spielregeln in HR und PE zu machen und das Bisherige in Frage zu stellen.

Axel Liebetrau live

An der Personal Swiss referiert er als Keynote-Speaker zum Thema «Game Changer: Wie die Spielregeln in HR und PE neu definiert werden»
Mittwoch, 9. April 16.10 –16.40 Uhr, Forum 4 – Halle 6

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Axel Liebetrau gilt als Grenzgänger und Vermittler zwischen Management und Wissenschaft. Neben über 25 Jahren Praxis­erfahrung als Managementberater, Kolumnist und Unternehmer verfügt er über eine Ausbildung als Dipl. Betriebswirt (FH) und MBA.

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