HR Today Nr. 9/2019: Debatte

«Geschäftlich First Class ist out»

Flugscham ist das Wort der Stunde, spätestens seit den Klimaprotesten. Und doch wird vor allem im Geschäftsbereich nach wie vor emsig geflogen – gar First Class, obwohl hier zweieinhalbmal so viel Emissionen entstehen wie bei Economy. Soll First Class deshalb abgeschafft oder im Gegenteil als Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden aufrechterhalten werden?

Bernhard Piller: «Nichts gegen First Class generell, aber nicht beim Fliegen. Wie wäre es zum Beispiel mit First-Class-Reisen im Zug?»

Zugegeben, Fliegen kann schön sein – vor allem ist es einfach praktisch. Und die Zahlen zeigen: Trotz Klimaschutzdebatte wird Fliegen immer beliebter und Flugreisen nehmen Jahr für Jahr zu. Speziell Schweizerinnen und Schweizer sind extreme Vielflieger, und es werden immer mehr. Der Flugpassagierzuwachs liegt in der Schweiz bei jährlich gut drei Prozent. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern besteigen wir somit doppelt so häufig ein Flugzeug.

Aber Fliegen ist vor allem auch das klimaschädlichste Massenverkehrsmittel: Weltweit trägt es rund fünf Prozent zur Erderwärmung bei, in der Schweiz sind es gar 18 Prozent. Geht diese Entwicklung ungebremst weiter, wird der Luftverkehr in der Schweiz bis im Jahr 2030 zum grössten Treiber des Klimaeffekts. Fortschritt bedeutet deshalb heute, intelligent zu reisen, statt Vielfliegerei zu betreiben.

Nichts gegen First Class generell, aber nicht beim Fliegen. Wie wäre es zum Beispiel mit First-Class-Reisen im Zug? Wer schon mal im komfortablen Nachtzug in einem Schlafwagenabteil inklusive Dusche von Zürich nach Berlin gefahren ist, weiss wovon ich spreche. Sollte es dennoch nicht anders gehen, empfehle ich folgende Regeln:

  • Economy fliegen: Je mehr Menschen in einem Flieger sitzen, desto umweltfreundlicher ist er. Gemäss Emissionsrechner von www.atmosfair.de entstehen bei einem Flug in der Business Class zweimal so viel respektive in der First Class fast zweieinhalbmal so viel Emissionen wie bei der Economy Class.
  • Direktflüge buchen: Sie sind aus zwei Gründen klimafreundlicher als Umsteigeverbindungen: Es wird nur einmal gestartet und es gibt keinen «Umwegflug».
  • Auf moderne und neuere Flugzeuge achten: Sie sind üblicherweise effizienter und zumindest etwas umweltschonender.
  • Charterflüge wählen: Sie haben eine geringfügig bessere Bilanz als Linienflüge.

Und was ist generell zu tun? Sie könnten sich für die Einführung einer progressiven Flug­ticket-Abgabe einsetzen, denn insbesondere Zwischenlandungen müssten hoch besteuert werden. Vermeiden Sie ausserdem Flüge unter 1000 Kilometern Distanz. Diese müssten mittels intelligentem Mix aus ökonomischen Massnahmen und Verboten unterbunden werden. Beispielsweise, dass solche Flüge nur alle paar Jahre erlaubt sind.

Und zu guter Letzt: Überlegen Sie sich bei jedem Flug, ob er wirklich notwendig ist. Gerade bei Geschäftsreisen gibt es häufig die fantastische Alternative namens Videokon­ferenz.

Mirco Biasi: «First Class ist ein Zeichen von Wertschätzung für die eigenen Arbeitnehmenden.»

Es stimmt, First Class wird auf vielen Flügen immer seltener angeboten. Allerdings kommt das auch von daher, dass es neue Angebote wie die Premium Economy Class gibt und sich dadurch die altbewährten Beförderungsklassen verändern. Dennoch bin ich der Meinung, dass auch die First Class ihre Daseinsberechtigung hat und weiterhin bei Geschäftsreisen eingesetzt werden sollte. Denn es ist ein klares Zeichen von Wertschätzung gegenüber den Arbeitnehmenden, wenn diese auch hin und wieder einmal First Class reisen dürfen.

Natürlich ist das nicht pauschal möglich. Allein die hohen Ticketpreise schrecken viele Unternehmen ab, diese Klasse überhaupt zu erlauben. Deshalb ist es wichtig, genau darauf zu achten, wann eine First-Class-Buchung möglich ist. Auf Kurz- und meist auch auf Mittelstreckenflügen macht es weniger Sinn, die teure Option zu wählen.

Doch bei Langstreckenflügen kommt ein wichtiger Faktor ins Spiel: der Reisestress. Wer schon mal einen Zehnstundenflug in der Economy Class hinter sich gebracht hat und danach noch einen Geschäftstermin im Kalender hatte, weiss, wie negativ sich die lange Flugzeit auf engstem Raum auswirken kann. Zumindest die Business Class sollte hier Pflicht sein. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass der Geschäftstermin nicht zum gewünschten Erfolg führt. Oder aber der Mitarbeitende durch die beschwerlichen Reiseumstände so gestresst ist, dass er nach der Geschäftsreise krank wird und ausfällt. Auch das kann nicht im Sinne des Unternehmens sein.

Aber warum gleich auf die First Class zurückgreifen, wenn es doch die Business Class gibt? Wie Anfangs erwähnt: Weil es ein Zeichen von Wertschätzung ist, wenn man ab und an «gehoben» reisen darf. Die Angebote der Airlines haben hier einiges zu bieten und Unternehmen können dieses Upgrade immer dann einsetzen, wenn der Mitarbeitende es sich verdient hat: Beispielsweise ein besonders schwieriger Abschluss wurde erfolgreich unter Dach und Fach gebracht? Wenn hier gezielt ein Upgrade erlaubt wird, steigt die Motivation des Mitarbeitenden sofort, weil er weiss, dass seine Arbeit und sein Verhalten geschätzt werden. Natürlich kann diese Gratifikation nicht mittels Giesskannenprinzip verteilt werden, aber punktuell eingesetzt, ist sie ein wertvoller Faktor der Mitarbeiteranerkennung.

Nur in die Chef-Falle sollten Unternehmen nicht tappen: First Class als Standard einzig und allein den CEOs vorzubehalten, ist schon lange nicht mehr zeitgemäss. Das vermittelt einzig ein Bild der Mehr-Klassen-Gesellschaft und wirkt sich negativ aus. Deshalb sollte die First Class immer mit Bedacht gebucht werden.

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Bernhard Piller hat Soziologie, Politologie und Sozialpädagogik studiert und ist seit 2018 Leiter des Gemeinschaftszentrums Roos in Regensdorf. Piller ist langjähriges Mitglied der «Grüne Stadt Zürich» und vertrat die Partei von 2004 bis 2014 im Gemeinderat.

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Mirco Biasi ist seit 21 Jahren bei Carlson Wagonlit Travel (CWT) tätig und heute Head of Program Management Switzerland. Davor war Biasi für Galileo International als Customer Service Agent sowie für die Swissair Transport Co. Limited unter anderem als Trainer tätig.

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