Betriebliches Gesundheitsmanagement

«Gesundheitsförderung ist Chefsache»

Die Anforderungen im Berufsleben steigen kontinuierlich und die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben verschwinden immer mehr. Dieser Druck hinterlässt auch gesundheitliche Spuren. Zahlreiche Unternehmen haben die Notwendigkeit für ein gesünderes Erwerbs- und Wirtschaftsleben erkannt. Und das nicht nur aus rein altruistischen Gründen, sondern auch aus betriebswirtschaftlichem Kalkül. Ein Prolog.

Der Einfluss der Wirtschaft auf die Gesundheit wird eindeutig unterschätzt. Unsere Gesundheit hängt weniger von der Qualität des Gesundheitswesens als von unseren täglichen Lebensbedingungen ab. Diese werden massgeblich durch die Wirtschaft geprägt. Umgekehrt macht man sich zu wenig Gedanken über den Zweck des Wirtschaftens. Wer darüber nachdenkt, kommt zum Schluss, dass im Grunde das Wohlbefinden im Zentrum unserer wirtschaftlichen Bemühungen stehen sollte.

Umdenken ist notwendig

Arbeit kann krank machen, wenn sie überfordert und man darin keinen Sinn erkennt. Das ist, was wir heute immer öfter erleben. Die Folgen sind Stress und Burnout. Wer in der Arbeit keine Erfüllung findet, sollte zumindest neben der Arbeit genügend Freiraum haben, um sich zu entfalten. Im Idealfall ist die Arbeit aber selber eine Gesundheitsressource. Dann kann sie sogar unser Wohlbefinden steigern.

Gesundheit ist nicht reine Privatsache der Arbeitnehmenden, sondern der Arbeitgeber muss eine aktive Rolle spielen. Einerseits kann er seine Angestellten in ihren Bemühungen unterstützen, ein gesundes Leben zu führen. Anderseits sollte er seine betrieblichen Strukturen gesundheitsförderlich ausgestalten. Dieses Umdenken hat bereits in zahlreichen Unternehmen stattgefunden. Es erfolgt nicht aus rein altruistischen Gründen, sondern auch aus betriebswirtschaftlichem Kalkül.

Es lohnt sich

Gesunde und leistungsfähige Mitarbeitende sind der Erfolg eines Unternehmens. Umso mehr sollte dieses um die Gesundheit des Personals besorgt sein. Arbeitsaus-fälle und Erkrankungen belasten die Mitarbeitenden und kosten die Wirtschaft jährlich hohe Milliardenbeträge. Ganz zu schweigen von den enormen Folgekosten für die Allgemeinheit.

Zahlreiche Studien belegen, dass der Nutzen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) die Aufwendungen bei weitem übersteigt. Mit Massnahmen, die Mitarbeitende und Führungskräfte auf das Thema Stress sensibilisieren und Möglichkeiten zu einer ausgeglichenen Gestaltung das Arbeitsalltags aufzeigen, reduzieren sich die Absenzen von stressbetroffenen Personen im Durchschnitt um 1,7 Tage pro Jahr. Der finanzielle Nutzen beträgt pro Mitarbeitenden durchschnittlich 195 Franken im Jahr. Diese Ergebnisse stammen aus einer Studie, welche die Gesundheitsförderung Schweiz mit weiteren Partnern durchgeführt hat.

BGM als Teil der Unternehmenskultur

Viele Unternehmen sind – bewusst oder unbewusst – bereits aktiv im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Sei dies durch Sensibilisierung für Gesundheitsfragen oder durch Sportangebote für die Mitarbeitenden. Damit es nicht bei punktuellen Verbesserungen bleibt, sollten Unternehmen integrierte betriebliche Strukturen und Prozesse entwickeln, welche das volle Potenzial der Gesundheitsförderung im Betrieb ausschöpfen. Von einem fortschrittlichen Unternehmen wird erwartet, dass nicht bloss punktuelle Einzelmassnahmen ergriffen werden, sondern dass das Thema «Gesundheit» systematisch angegangen und Teil der Unternehmenskultur wird. Die Unternehmenskultur wird ganz wesentlich durch die Führung geprägt. Darum ist Gesundheitsförderung Chefsache. Führungskräfte müssen zuerst auf ihre eigene Gesundheit achten. Nur dann sind sie glaubwürdig und verfügen auch über die notwendigen Ressourcen, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Aus der Gesundheitsforschung wissen wir, dass Menschen folgende Ansprüche stellen: Sie wollen verstehen, sie wollen handeln können, sie wollen einen Sinn erkennen. Wenn sich die Führungskräfte diese Aspekte im Umgang mit den Mitarbeitenden zu Herzen nehmen, ist schon viel erreicht.

Aktives Altern

Eng verknüpft mit der «gesunden Führung» ist die generationen- und altersgerechte Führung. Der demografische Wandel stellt nicht nur die einzelnen Führungskräfte, sondern die Unternehmen insgesamt vor grosse Herausforderungen. Sie sehen sich mit Themen konfrontiert wie Fachkräftemangel, Pensionierungswellen, Verlust von wertvollem Erfahrungswissen sowie der Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die Arbeitnehmenden müssen länger gesund, leistungsfähig und motiviert im Arbeitsleben stehen und gleichzeitig durch lebenslanges Lernen neue Qualifikationen erwerben.

Entsprechend lohnt es sich für Unternehmen, sich aktiv mit den verschiedenen Aspekten des Generationenmanagements auseinanderzusetzen, um attraktive und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen für jedes Alter zu schaffen.

Healthy Economy

Das sind hohe Ansprüche an die Unternehmen, die ohnehin unter Stress stehen. Sie sind direkt oder indirekt dem Druck des globalisierten Wettbewerbs und dem Diktat der Finanzmärkte ausgesetzt. Auch wenn sich ein Unternehmen für die Gesundheit engagiert, lässt sich nicht vermeiden, dass dieser Druck an die Mitarbeitenden weitergegeben wird. Darum darf die Gesundheitsförderung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ausser Acht lassen.

Wettbewerb ist sinnvoll, wo ein bestimmtes Ziel kompetitiv am besten erreicht wird. Aus gesundheitlicher Sicht gilt es, auf die Schattenseiten des Wettbewerbs aufmerksam zu machen. Ein allgegenwärtiger und ungeregelter Wettbewerb erzeugt Stress und ist verantwortlich für viele psychische und körperliche Erkrankungen. In einer Healthy Economy sollte daher das Wettbewerbsprinzip selber in Konkurrenz mit Prinzipien wie Kooperation und Solidarität stehen.

Gesundheitsförderung Schweiz

Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen monatlichen Beitrag von 20 Rappen zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.

www.gesundheitsfoerderung.ch

 

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Prof. Dr. Thomas Mattig ist seit 2007 Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz. In dieser Funktion engagiert er sich für die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Neben seiner Tätigkeit bei Gesundheitsförderung Schweiz unterrichtet er als Titularprofessor an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf. Er ist Autor mehrerer Werke und publizierte zuletzt das Buch «Healthy Economy – Neue Denkformen für eine gesunde Wirtschaft» im Verlag Neue Zürcher Zeitung.

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