Unternehmenskultur

Massagen, Pausenäpfel und Coaching: Was alles hilft, sich abzugrenzen

Wenn die Mitarbeitenden dank technischen Möglichkeiten wie Laptop und Handy jederzeit und überall arbeiten können, besteht auch die Gefahr, dass die Arbeitszeiten überschritten werden und die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben verwischt. Was können Unternehmen tun, damit die effektiv geleisteten Arbeitsstunden auch wirklich erfasst werden?

Je verantwortungsvoller die Position, desto eher verwischen die Grenzen zwischen der Arbeit und der freien Zeit. Durch die ständige Erreichbarkeit steigt die Gefahr, dass sich die Mitarbeitenden zu wenig von der Arbeit abgrenzen und ihre Gesundheit gefährden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es wird von den Mitarbeitenden erwartet, sie wollen sich profilieren, sie arbeiten gerne oder es hindert sie schlicht niemand daran. Da sind Selbstverantwortung und Selbstdisziplin gefragt oder das Einschreiten der Vorgesetzten.

Zwar nehmen Homeoffice, Desk-Sharing-Modelle und projektbezogenes Arbeiten zu, doch die Mehrheit der Angestellten in der Schweiz arbeitet an einem fest definierten Arbeitsplatz. Zum Beispiel beim Krankenversicherer Helsana. «Die ausgeübten Tätigkeiten bei Helsana sind meist mit einer Präsenz vor Ort verbunden. Somit besteht wenig Notwendigkeit, ausserhalb des Betriebes zu arbeiten», erklärt Heidi Widmer, HR Business Partner. Durch eine elektronische Zeiterfassung bei den Mitarbeitenden bis zum mittleren Kader werden die Überstunden auf dem Zeitkonto gutgeschrieben – diese sollten durch Freizeit von gleicher Dauer kompensiert werden.

Bei den einen gilt das gesetzliche 
Minimum, andere bieten Ruheräume

«Zu den Präsenzzeiten der Mitarbeitenden gehören auch geplante Pausen», so Heidi 
Widmer. «Die Helsana-Mitarbeitenden werden durch verschiedene Massnahmen ermutigt, ihre Pausen einzuhalten.» Etwa mit der Möglichkeit, sich am Hauptsitz in zwei Personalrestaurants und einem Café zu verpflegen. Dort gibt es neben zahlreichen Pausenräumen auch einen Fitnessraum inklusive Duschmöglichkeiten. Entspannen können sich die Mitarbeitenden auch in separaten Ruheräumen oder mit Hilfe von inhouse angebotenen Massagemöglichkeiten – diese gehen allerdings auf Kosten der betreffenden Mitarbeitenden.

Wie weit die Arbeitgeber die Mitarbeitenden zu Arbeitspausen ermutigen, hängt stark vom jeweiligen Unternehmen und der Branche ab. Der Discounter Denner reagierte auf die entsprechende Anfrage von HR Today einsilbig. «Denner hält sich an die gesetzlich vorgeschriebenen Vorschriften», erklärte Grazia Grassi, stellvertretende Leiterin Unternehmenskommunikation von Denner. Auf mehr Eigenverantwortung setzt Swisscom, die ihren Mitarbeitenden verschiedene Arbeitszeitmodelle anbietet, die eine selbständig strukturierte Arbeitszeit und eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen. Obwohl neue Kommunikationsmittel die Bearbeitung beruflicher E-Mails und Dokumente zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglichen, werde aber keinesfalls erwartet, dass die Mitarbeitenden in ihrer Freizeit arbeiten, wie Lisa 
Lamanna, Leiterin Employment Relations bei Swisscom, festhält.

Gerät das Pensum ausser Balance, müssen die Vorgesetzten eingreifen

«Im Rahmen der gleitenden Arbeitszeit gilt die Eigenverantwortung. Wir führen eine Vertrauenskultur und streben daher nicht an, das Freizeitverhalten unserer Mitarbeitenden zu kontrollieren», so Lamanna. Im Gesamtarbeitsvertrag und im Arbeitsreglement festgelegt ist hingegen die Pausenregelung: Darin sind angemessene Pausen während der Arbeitszeit sowie geplante Pausen bei fixen 
Arbeitszeiten und im ununterbrochenen 
Betrieb, beispielsweise in Call-Centern, vorgeschrieben.

«Wenn der Arbeitsumfang und das vereinbarte Zeitbudget nicht in der Balance sind, stehen die Vorgesetzten in der Verantwortung, die erforderlichen Massnahmen einzuleiten, um eine Überbelastung der Mitarbeitenden zu vermeiden», erklärt Lisa Lamanna. In vom Arbeitgeber angebotenen Kursen können Vorgesetzte lernen, wie sie die Belastungsreaktionen von Teammitgliedern frühzeitig erkennen können. Auch Swisscom stellt ihren Mitarbeitenden an den grösseren Standorten zahlreiche Räumlichkeiten für die Pausen zur Verfügung. Neben Personalrestaurants sind dies Cafeterias, Pausenzonen mit Verpflegungsautomaten sowie spezielle Ruhe- und Fitnessräume.

Die Belegschaft der Firma Emmi wird ebenfalls durch Pausenräume und je nach Bereich mit unterschiedlichen Verpflegungsmöglichkeiten – von Wasserspendern bis zu Personalrestaurants – zum Einhalten der Arbeitspausen ermuntert. An einzelnen Standorten werden gemäss Bruno Pfister, stellver-tretender HR-Leiter der Emmi-Gruppe, Produkte kostenlos oder verbilligt abgegeben. Andere Mitarbeitende können von Angeboten in der Mittagspause profitieren, wie etwa einer Walkinggruppe am Standort Suhr. «Bei den Mitarbeitern mit systemgestützter Zeiterfassung gibt es kaum Probleme, da Unregelmässigkeiten zum Vorschein kommen und Massnahmen eingeleitet werden können», so Bruno Pfister. Beispielsweise um die Mehrarbeit, die während eines Projektes angefallen ist, abzubauen. Die Kontrolle dieser Mitarbeiter finde auch durch kantonale Wirtschaftsämter statt.

Das Thema spitzt sich mit der 
technikgewohnten «Generation Y» zu

Bei Kadermitgliedern und Mitarbeitenden, die häufig extern repräsentieren müssen, fällt das Einhalten der Pausen in die Eigenverantwortung. Wo Vorgesetzte Probleme im Arbeitsverhalten des Mitarbeitenden erkennen, erfolgen Gespräche mit der HR-Abteilung. Bruno Pfister: «Darauf sind ganz unterschiedliche Massnahmen möglich. Die Zeiterfassung kann wieder vereinbart werden. Oder es wird ein jobnahes Coaching angeboten, damit man das eigene Verhalten reflektieren und nachhaltig verändern kann.»

Im Rahmen der neuen Führungsausbildung wird Emmi dem Thema Selbstmanagement mehr Gewicht beimessen. Mit gutem Grund: Bruno Pfister erwartet, dass sich das Thema mit zunehmendem Eintreten der technikgewohnten «Generation Y» in die Arbeitswelt in den nächsten Jahren zuspitzen wird.

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Susanne Wagner ist freie Journalistin.

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