Arbeit und Recht

Nachtzuschlag geschuldet, trotz eigenmächtiger Leistung von Nachtarbeit

Urteil des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2013 (4A_434/2013).

Das Urteil

Der Kläger war seit April 2010 bei der Beklagten tätig. Nach seiner Rückkehr aus den Ferien wurde er mit einem neuen Arbeitsvertrag konfrontiert, mit dem rückwirkend auf den 1. Januar 2010 die Arbeitsbedingungen hätten geändert werden sollen. Nachdem sich der Kläger geweigert hatte, den neuen Vertrag zu unterzeichnen, wurde ihm auf Ende Mai 2010 gekündigt. Der Kläger reichte Klage über rund 43 000 Franken ein. Das Landgericht Uri hiess die Klage allerdings nur im Umfang von 4000 Franken und einer Pönalentschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung von einem halben Monatslohn in der Höhe von 2350 Franken gut. Die Kündigung war deshalb missbräuchlich, weil mit einer Änderungskündigung keine Änderung verlangt werden darf, die noch vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten soll. Die gegen das Urteil erhobene Berufung an das Obergericht wurde abgewiesen und der Kläger erhob Beschwerde an das Bundesgericht.

Das Bundesgericht befasste sich im Wesentlichen nur noch mit der Frage, ob der Kläger Anspruch auf Nacht­zuschlag im Betrag von 1673 Franken hat. Der Kläger hatte nämlich regelmässig freiwillig vor 6.00 Uhr mit der Arbeit begonnen. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern während der Nacht, das heisst von 23.00 bis 6.00 Uhr, setzt gemäss Arbeitsgesetz allerdings eine Bewilligung voraus. Diese wird nur erteilt, wenn die Nachtarbeit aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist. Ausserdem wird das Einverständnis der Arbeitnehmer mit der Nachtarbeit vorausgesetzt. Der Lohnzuschlag für Nachtarbeit ist auch dann geschuldet, wenn keine Bewilligung vorliegt.

Die Arbeitgeberin stellte sich aber auf den Standpunkt, dass sie die Nachtarbeit nicht angeordnet habe, sondern im Gegenteil den Arbeitnehmer im Herbst 2009 deshalb sogar mündlich abgemahnt habe, nicht während der Nacht zu arbeiten. Deshalb sei auch kein Zuschlag geschuldet. Dies genügte dem Bundesgericht jedoch nicht. Es stellte fest, dass die Abmahnung keinen Einfluss auf die vorher bereits geleistete Nacht­arbeit haben kann. Andererseits könne die Arbeitgeberin mit der Abmahnung auch für die Zukunft den Lohnzuschlag nicht umgehen, wenn die Abmahnung lediglich formellen Charakter habe und damit keine ernsthaften Konsequenzen verbunden seien. Dann ist nämlich anzunehmen, dass die Arbeitgeberin die freiwillig erfolgte Nachtarbeit nach wie vor duldet. Das Bundesgericht sprach dem Kläger deshalb den Anspruch auf Lohnzuschlag zu.

Konsequenz für die Praxis

Freiwillig geleistete Nacht- oder Sonntagsarbeit kommt viel häufiger vor, als sich die meisten bewusst sind. Allerdings findet diese weniger am Arbeitsplatz statt, sondern dank moderner Technologie bei den Mitarbeitern zu Hause. Mitarbeiter, die nach Feierabend oder am Sonntag Geschäfts-E-Mails lesen und beantworten, leisten damit Arbeit, für die der Arbeitgeber einerseits eine Bewilligung bräuchte und andererseits ein Lohnzuschlag geleis­tet werden müsste. Sie schaden damit ausserdem ihrer ­Gesundheit. VW schottet deshalb schon seit 2011 seine Mitarbeiter von 18.15 bis 7 Uhr vom E-Mail-Server ab und in Frankreich sollen nun für die ganze Technologie-Branche geschäftliche E-Mails und Anrufe nach 18.00 Uhr verboten werden. Auch in der Schweiz wird dieses Thema die Arbeitgeber in Zukunft noch öfters beschäftigen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

Weitere Artikel von Yvonne Dharshing-Elser