Die Zukunft des HRM

«Plötzlich ist das HR nicht 
mehr in der Geschäftsleitung»

Aus der Sicht der Berater sollte das HR weiter an Profil zulegen. Damit ist nicht nur die – sehr wichtige – Rolle des 
HR Business Partner gemeint. Sondern auch der Mut, Standpunkte konsequent zu vertreten. Zum Beispiel wenn es 
darum geht, gegen eine milliardenschwere Akquisition einzutreten, weil der Kraftakt fürs Unternehmen zu gross wäre.

People Consulting

Spaltung der 
Profession nicht 
mehr aufzuhalten

Martin Claßen: «Die Zukunft des HR? Nun, bahnbrechend neue Trends sind nicht in Sicht. Die Herausforderungen, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen, sind die grundsätzlichen Fragestellungen der letzten Jahre. In der Regel geht es morgen darum, das, was heute schon da ist, zu optimieren und zu integrieren. So beobachte ich tatsächlich eine zunehmende Professionalisierung im HR. Gleichzeitig gibt es allerdings viele, die nicht begreifen, dass sie besser werden müssen – manche wollen nicht, andere können nicht. Jene, die auf dem Professionalisierungsweg sind, tragen als HR Business Partner zur Wertschöpfung im Business bei, auf Augenhöhe. Sie werden in wichtigen Diskussionen früh dabei sein und kritische Aspekte lösen helfen. Oder auch mal Nein sagen. Ein Beispiel: Einer meiner Kunden plante eine grosse Akquisition in Milliardenhöhe. Der Personaler trieb die Diskussion pro oder contra stark mit. Schliesslich wurde die Akquisition abgeblasen, da offensichtlich wurde, dass der Kraftakt für das Unternehmen zu gross gewesen wäre.

Ich prophezeie eine Spaltung der Profession. Das transaktionale und das transformale HR werden noch unter einem Dach ausgeübt. Bald aber werden Verwaltung und Gestaltung auseinanderfallen. Dies kann unterschiedliche Formen annehmen: Das Transaktionale wird in Shared Service Centers organisiert. Oder es wird sogar outgesourct. Letztlich ist es nicht nur eine sachliche, sondern eine politische Frage. Wobei die Ausdifferenzierung von Rollen natürlich erst ab einer gewissen Grösse sinnvoll ist, also ab etwa 2000 Personen beziehungsweise 20 Personalern. Bei KMU sieht es anders aus, da ist alles miteinander verwoben.

Der HR Business Partner kann zur Wertschöpfung beitragen, indem er mithilft, eine Transformation zum Gelingen zu bringen. Indem er Innovationen erfolgreich begleitet und in rauen Zeiten Effizienz- und Kostenthemen realisiert. Indem er im Sinne des Talentmanagements dafür sorgt, dass das Unternehmen die richtigen Leute gewinnt, entwickelt und bindet, diesbezüglich ein Gesamtkonzept erarbeitet und umsetzt. Der HR Business Partner muss ein Verständnis haben, was seine Firma erfolgreich macht, um es morgen noch besser zu machen. Genau daran hapert es oft: am Wissen um die Business-Erfordernisse.

Vom Typus her ist der HR Business Partner weder renitent noch duckmäuserisch. Er weiss, wann er den Mund aufmachen und wann er sich zurückhalten muss, wo er Nutzen stiften kann und wo nicht. Einbringen sollte er sich dort, wo die Effizienzschraube zu stark angezogen wurde, wo Leistungsdruck zu Krankheit und Ausfällen führen. Denn dort wird es früher oder später zu Problemen auf der Marktseite kommen.

Der Umfang der HR-Funktion wird grösser werden, denn man muss sich nicht nur überlegen, wie man zur Wertschöpfung beitragen kann, sondern muss diese Strategien auch verkaufen – und dann umsetzen. Es macht richtig Spass, wenn man als Partner des Business viel erreicht, wenn man sich einen persönlichen Brand und Wertschätzung schafft. Es ist aber auch ein potenzieller Burnout-Job, insbesondere, wenn man für internationale Konzerne ständig auf Achse ist.»

momaSwiss-Team GmbH

Der Wunsch nach Analysetools 
verstärkt sich

Barbara Moser: «Ausgelöst durch Globalisierung, digitale Medien und Mobilität verstärkt sich die  Dynamisierung in der Arbeitswelt. Anforderungen verändern sich, Aufgaben werden anspruchsvoller,  der Druck nimmt zu. Das gilt allgemein, aber speziell auch fürs HR, das doppelt gefordert ist, einerseits durch den Kostendruck, andererseits durch seine Aufgaben: Fachkräftemangel, Innovationsdruck, weniger Leute für gleichbleibende Aufgaben, Burnouts / Case Management etc.

Je grösser der Druck, desto mehr sichert das HR seine Entscheidungen ab. So verstärkt sich bei Rekrutierungen der Wunsch nach Analysetools wie Persönlichkeitsanalysen, Assessments oder wissenschaftlichen Tests. Ein oft geäusserter Wunsch ist jener nach Frauen in der Führung. Inzwischen ist ja allgemein bekannt, dass gemischte Teams produktiver sind. Die Frage ist, wie man an Frauen überhaupt herankommt und mit welchen Argumenten man sie anspricht. Für Männer kann es schwierig sein, Frauen zu rekrutieren, da sie zum Beispiel keinen Zugang zu Frauen-Netzwerken haben. Ich komme ursprünglich aus der Dienstleistungs- und Marketingbranche und bin als Dozentin tätig, seit da pflege ich mein Frauen-Netzwerk. Dieser Beziehungsaufbau ist ein kontinuierlicher, langer Prozess, heute erleichtert durch die sozialen Medien.

Frauen wollen innovative Arbeitsmodelle mit individuellem Gestaltungsspielraum. Wenn sie neu in eine Führungsposition wechseln, ist es für sie selbstverständlicher als für Männer, zu Beginn Begleitung oder Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Oft fehlt die Führungserfahrung, und in diesen Fällen ist es für viele wichtig, zu wissen, dass Instrumente wie zum Beispiel Coaching oder Mentoring zur Verfügung stehen.

Innovative Arbeitsmodelle werden, aufgrund der zunehmenden Individualisierung, auch ganz allgemein verstärkt nachgefragt werden, genauso wie das Home office. Die Konsequenz ist, dass der jeweilige Unternehmensstandort an Bedeutung abnimmt.

An Bedeutung zunehmen werden hingegen die persönlichen Beziehungen. Denn je häufiger die Kommunikation über die elektronischen Medien erfolgt, desto wichtiger wird das Face-to-face-Gespräch. Fürs Executive Search bedeutet das, die Beziehungen sowohl auf Kunden- wie auch auf Kandidatenseite noch stärker zu pflegen und Gelegenheiten für die persönliche Begegnung zu schaffen.

Ebenfalls zulegen muss die Branche beim Wissen um die Bildungslandschaft. Der Ausbildungshype beschert uns eine Unmenge an Titeln und Abschlüssen, und wer deren Stellenwert nicht einschätzen kann, lässt sich allzu leicht von gut klingenden Bezeichnungen beeindrucken.

Märkte entwickeln sich dynamisch; dies verlangt von uns Vermittlern das entsprechende Marktgespür: Wir müssen ein Gefühl für Entwicklungen und Trends haben. So finden wir die Personen, die nicht nur auf die aktuelle Vakanz passen, sondern auch mittelfristig den veränderten Anforderungen gerecht werden.

Oft sucht das HR zuerst selbst. Wenn nicht innert nützlicher Frist die richtige Person gefunden wird, werden externe Spezialisten beigezogen. Dann soll es oft schnell gehen – und dies funktioniert am besten, wenn die Searcher über den entsprechenden Hintergrund und die Erfahrung verfügen. Für die Vermittler bedeutet das, dass ihre Positionierung, das Image und die Beziehungen zu den Kunden noch wichtiger werden.

Kohlberg & Partner GmbH

Employer Branding: Unternehmenswerte outen

Peter Iten: «Ich beobachte momentan bei einigen Firmen, dass das – bisher etablierte – HR plötzlich nicht mehr in der Geschäftsleitung dabei ist. Das ist zwar keine Tendenz, zeigt aber, dass sich das HR sehr anstrengen muss, um seine Rolle im Unternehmen zu finden und zu behaupten. Diese Rolle sollte jene des strategischen Partners sein. Immer vorausgesetzt, der CEO ist bereit, dem HR diesen Stellenwert zuzugestehen.

Die Rolle des HR, das auf Geschäftsstrategien Einfluss nimmt, wird immer anspruchsvoller. Denn um mitreden zu können, muss es immer näher am Geschehen sein. Optimal wäre es natürlich, wenn die HR-Leute aus dem Business kommen, etwa aus dem Verkauf, Marketing, Operation oder Finance. Von dort kommen in der Regel auch jene, die es später auf den CEO-Posten schaffen. Reine HR-Verantwortliche erreichen den Chefposten ja bekanntlich eher nicht. Doch auch sie können die Geschäftsstrategie beeinflussen, wenn es ihnen gelingt, neben der HR-Fachkompetenz nahe am Marktgeschehen zu stehen und sich so Gehör zu verschaffen.

Ich habe das bei Ericsson erlebt: In der GL-Sitzung wurden immer zuerst die ‹wichtigen› Dinge besprochen, für HR-Themen blieb meist keine Zeit mehr. Einmal ging es um ein Geschäftsthema, bei dem ich mitreden konnte und es auch tat, und ab dem Moment wurde ich von den GL-Mitgliedern anders wahrgenommen. Dies half mir anschliessend bei meiner täglichen HR-Arbeit. Je näher also die Leute am Business sind und darüber mitreden können, desto eher werden sie als gleichberechtigt angeschaut. Wenn das HR in diesem Sinne seinen strategischen Beitrag leistet, verdient es sich auch am ehesten einen Platz in der Geschäftsleitung. Gleichzeitig braucht das HR mehr Persönlichkeit, mehr Mut. Viele HR-Verantwortliche trauen sich nicht, ihren Standpunkt konsequent zu vertreten.

Eine weitere Aufgabe des HR ist verstärk-tes Arbeiten am Employer Branding, um zum Beispiel beim «War for Talents» bestehen zu können. Unternehmen müssen sich outen, für welche Werte sie einstehen. Junge Leute schauen darauf, ob eine Unternehmung sympathisch auftritt oder den Zeitgeist trifft. Sie sind interessiert, ob Sport oder Kultur unterstützt wird oder in welchem Rahmen eine Unternehmung die allgemeine soziale Verantwortung wahrnimmt oder den eigenen Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringt. Bezüglich «War for Talents» gibt es einige Firmen mit sehr guten Ansätzen. Weniger weit ist man mit Strategien, wie man die Menschen über 50/55 im Arbeitsprozess behalten will respektive weiter integriert.  

Wichtig ist aus meiner Sicht auch das HR-Risikomanagement im HR-Controlling: Das HR muss das Personalrisiko abschätzen können, es muss wissen, wo die Menschen des Unternehmens ausbildungsmässig stehen, wo Lücken bestehen und was getan werden muss, um diese zu füllen, damit man am Markt weiter konkurrenzfähig bleibt.

Die Frage der HR-Organisationsstruktur wird in nächster Zeit ebenfalls ein wichtiges Thema sein. Es gibt einerseits die Struktur, in der die HR-Manager vollumfänglich für die HR-Aufgaben ihres Bereichs zuständig sind. Der Job ist breit und daher interessant. Andererseits gibt es in grossen Unternehmen die Organisationsstruktur, in der das HR in Abteilungen unterteilt ist, in der jede nur ein Thema bearbeitet: nur Rekrutierung, nur Ausbildung, nur Sozialdienst oder nur Compensation & Benefits etc. Für das HR existiert hier weniger eine gesamtheitliche Übersicht. Kündigt zum Beispiel jemand, so fehlt öfters das Wissen, ob es diese Position noch braucht, ob man sie verändern respektive anpassen sollte, oder bietet sich intern jemand zur Weiterentwicklung an? Das HR hat mit dieser Organisationsstruktur erschwerte Durchschlagskraft und kann wahrscheinlich weniger mitdiskutieren im Sinne eines strategischen Partners. Auf dem Markt sind gewisse Tendenzen auszumachen, dass die Entwicklung in manchen Unternehmen wieder in Richtung Bereichsverantwortung geht.»

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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