HR Today Nr. 4/2018: Recruiting

Ungefragt zugestellte Bewerberdossiers: Swissstaffing nimmt Stellung

Swissstaffing nimmt Stellung zur Thematik der ungefragt zugestellten Bewerberdossiers. Die Erfahrung des Verbands der Schweizer Personaldienstleister: Die meisten Personalvermittler verhalten sich in der Praxis korrekt.

Aus rechtlicher Sicht stellt die Personalvermittlung eine Mäklertätigkeit dar. Wenn eine Stellenvermittlung zur Diskussion steht, bildet deshalb der Mäklervertrag gemäss Art. 412 ff. OR die vertragliche Grundlage zwischen dem Personalvermittler und dem Kunden. Dieser Vertrag wird in der Praxis mündlich oder konkludent abgeschlossen. Schriftform ist nicht erforderlich.

Eine Bestätigung seitens des Kunden ist aber notwendig, um zu beweisen, dass der Personalvermittler mit der Rekrutierung beauftragt worden ist, der Vertrag somit zustande gekommen ist und die Stelle aufgrund der erfolgreichen Vermittlung seinerseits besetzt werden konnte.

Nur im Einverständnis

Aus Erfahrung von swissstaffing verhalten sich die meisten Personalvermittler in der Praxis korrekt, nämlich: Der Personalvermittler holt zuerst das Einverständnis des Mitarbeiters ein, bevor er sein Bewerberdossier bei einer Firma (Kunde) einreicht. Der Personalvermittler ist an die Bestimmungen des Arbeitsvermittlungsgesetzes zum Datenschutz (Art. 7 AVG und Art. 19 AVV) gebunden.

Einige Personalvermittler sehen sogar eine Klausel im Anmeldungsformular vor, wonach der Kandidat sie informieren soll, falls er sich direkt für eine Stelle bewirbt. Nur im vorgängigen Einverständnis mit dem Kandidaten wird der Personalvermittler dem Kunden seine Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) zusenden, mit dem Hinweis, dass er einen geeigneten Kandidaten zur Verfügung stellt. Erst wenn der Kunde sein Interesse am Erhalt der Offerte bekundet, wird ihm der Personalvermittler die Angaben des Kandidaten (inkl. Bewerberdossier) weitergeben.

Diese Vorgehensweise ist sogar von swissstaffing empfohlen, damit sich der Personalvermittler vor einem allfälligen Kandidatenklau schützen kann.

Obwohl swissstaffing Einzelfälle nicht ausschliessen kann, muss die Häufigkeit von sogenannten missbräuchlichen Verhalten der Personalvermittler stark relativiert werden: Die Einreichung von ungefragten Bewerberdossiers steht grundsätzlich nicht im Interesse eines Personalvermittlers.

Der Fall am Kantonsgericht St. Gallen

Dies wurde vom Kantonsgericht St. Gallen bestätigt. In einem Urteil vom 28. Juni 2011 (BZ.2010.54) hatte eine Personalvermittlungs-agentur per E-Mail die Bewerbungsunterlagen von zwei Kandidaten sowie die AVB für die Vermittlungstätigkeit versendet. Später trat einer der Kandidaten die Stelle an und die Personalvermittlerin klagte auf Bezahlung ihres Vermittlerhonorars. Die Firma stellte sich auf den Standpunkt, sie habe die E-Mails der Personalvermittlerin damals gelöscht. Die Personalvermittlerin wiederum behauptete, dass mit der Firma ein Mäklervertrag abgeschlossen worden sei und dadurch ein Anspruch auf das Honorar gegeben sei. Das Kantonsgericht wies die Klage der Personalvermittlerin ab, da diese weder den Abschluss noch den Inhalt oder den Kausalzusammenhang zwischen Mäklertätigkeit und Vertragsschluss nachweisen konnte.

Dieses Urteil zeigt eindeutig, dass der Nachweis eines abgeschlossenen Mäklervertrags grundsätzlich vom Personalvermittlungsunternehmen erbracht werden muss. Insoweit befinden sich die Personalvermittler, die ungefragt Bewerberdossiers einreichen, rechtlich per se in einer schwierigen Situation.

Absicherung für Personalvermittler

Mit dem ungefragten Versand von Kandidatendossiers fehlt insbesondere die Bestätigung seitens des Kunden, dass er mit dem Mäklervertrag einverstanden ist. Mit der blossen Einreichung des Dossiers ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kunde den Kandidatenvorschlag von einem anderen Personalvermittler beziehungsweise direkt vom Kandidaten erhalten hat.

swissstaffing sind aus der Praxis Fälle von missbräuchlichem Verhalten von Seiten der Firmen bekannt. Es haben sich zum Beispiel die Fälle gehäuft, bei denen Kunden die Zahlung des bei der Anstellung fälligen Honorars bestreiten, obwohl der Vermittler sich aus rechtlicher Sicht korrekt verhalten hat. Mit der Begründung, dass sie die Personalvermittlungsagentur nicht beauftragt hätten. Andere Firmen verlangen sogar vom Kandidaten, den Personalvermittler zu informieren, dass er sich bereits zuvor direkt beworben habe – mit der Drohung, ihn sonst nicht einzustellen. Das mit dem einzigen Ziel, schluss-endlich Vermittlungshonorare zu vermeiden.

Die Aussage, dass man in der Schweiz keine Beweise braucht, um jemanden zu betreiben, ist zwar korrekt, aber dieser Tatbestand gilt allgemein und nicht spezifisch für die Vermittlung. Wie richtigerweise erwähnt, sind die Prozess-chancen für solche Personalvermittler aufgrund der fehlenden Beweise schlecht.

Aus diesem Grund kann sich swissstaffing nicht vorstellen, dass Firmen bei kleineren Provisionssummen einfach zahlen, um rechtliche Komplikationen zu vermeiden.

Zudem hat swissstaffing keine Kenntnis davon, dass Firmen im Falle von doppelten Bewerberdossiers aus Angst vor Rechtsstreitigkeiten auf Einstellungen verzichten, und erachtet einen solchen systematischen Verzicht somit als unwahrscheinlich und insbesondere nicht zielführend.

Die swissstaffing-Qualitätsstandards

swissstaffing legt grossen Wert auf Qualität und Professionalität in der Branche. Jedes Mitglied durchläuft vor Aufnahme in den Verband das swissstaffing-Qualitätsaudit und wird danach alle drei Jahre rezertifiziert.

Das swissstaffing-Qualitätslabel und die verbandseigenen Qualitätsstandards stehen für hohe professionelle Branchenstandards und ethisch korrekte Geschäftsausübung. Die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS) führt im Auftrag von swissstaffing die Audits gemäss den Bestimmungen durch. Im Qualitätsaudit werden ebenfalls die Abläufe im Kontakt mit Kunden und Kandidaten kontrolliert.   

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Boris Eicher ist Leiter des Rechtsdiensts bei swissstaffing, dem Verband der Personaldienstleister der Schweiz.

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