Körpersprache

«Schönen Menschen traut man nichts Schlechtes zu»

Die Körpersprache erzählt viel über eine Person. 
Gerade HR-Fachleute profitieren, wenn sie die Signale 
richtig deuten können, etwa in Vorstellungs
gesprächen. Die Körpersprache-Experten Tatjana 
Strobel und Samy Molcho geben Einblick.

Man kann nicht nicht kommunizieren. Das wusste schon der bekannte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Sobald zwei Personen einander wahrnehmen, kommunizieren sie miteinander, da jedes Verhalten kommunikativen Charakter hat. Allein schon über unsere Körperhaltung drücken wir viel aus. Dabei muss das Gesagte nicht immer mit dem Gemeinten übereinstimmen. Vielleicht wollen wir freundlich sein und sagen Ja, obwohl wir eigentlich gar keine Lust dazu haben. Oder Kandidaten stellen bei einem Vorstellungsgespräch ihre Talente ein bisschen besser dar, als sie sind.

Um Dichtung von Wahrheit zu unterscheiden oder wenigstens zu merken, dass beim Verhalten einer Person etwas nicht schlüssig ist, kann es hilfreich sein, wenn man die Sprache des Körpers versteht (vgl. auch den Test «Menschenkenntnis» am Ende des Artikels). «Der Mensch kommuniziert auf drei Ebenen: über die Mimik, die Körpersprache sowie die Stimme. Wenn diese drei nicht in Übereinstimmung sind, passt etwas nicht», sagt Tatjana Strobel, Expertin für Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». Ein Gefühl zeigt sich binnen Millisekunden zuerst in der Mimik, dann in der Körpersprache und zuletzt in der Stimme. Auch was wir wirklich denken, äussert sich im allerersten Moment ungefiltert in der Mimik. Erst den Bruchteil einer Sekunde später haben wir den Gesichtsausdruck unter Kontrolle.

Das Gegenüber muss dann aber erst noch wissen, was ein kurzes Zucken des Mundwinkels oder das Zusammenziehen der Augenbrauen bedeutet. «Mimik wirklich lesen zu können, ist sehr schwierig», sagt Tatjana Strobel. Dafür brauche es sehr viel Training. Einfacher sind Körpersprache und Stimme. Hat jemand ein feines Gehör, hört er heraus, ob jemand ängstlich ist oder sich gerade freut.

Am längsten bilden sich Emotionen in der Körpersprache ab. «Wir sind gewohnt, auf das Gesicht zu schauen. Dieses ist jedoch kontrollierter als andere Körperteile. Man erhält mehr Informationen, wenn man auf den Körper achtet», sagt Samy Molcho, bekannt als Erforscher und Wegbereiter der Körpersprache-Analyse. «Wenn ich eine Person unangenehm finde, bewegt sich meine Fussspitze in Richtung Tür, weg von der Person», nennt Samy Molcho als Beispiel. Der Oberteil des Körpers bleibe zwar beherrscht, doch die Füsse sprechen eine deutliche Sprache. Bewege ich den Körper zur Seite, will ich ausweichen, zum Beispiel dem Vorschlag des Gegenübers.

Die Frage dabei ist immer: Warum? Warum gefällt meinem Gegenüber mein Vorschlag nicht? Das könne man oft nur durch Nachfragen oder weiteres Beobachten herausfinden. Auch kann eine Geste mehrere Bedeutungen haben: Verschränkte Arme können ein Zeichen von Unsicherheit sein, aber auch von Gemütlichkeit. «Darum muss man Gesten immer in Kombination mit dem ganzen Verhalten in Verbindung bringen und auf den Zusammenhang achten», betont Tatjana Strobel.

Zur Person

Tatjana Strobel (42) wuchs im deutschen Baden-Baden auf. 
Sie ist gelernte Sozialpädagogin, arbeitete nach ihrem Studium zunächst als Verkaufsleiterin und Sales-Managerin in der Parfüm- und Kosmetikbranche. Bereits in dieser Zeit eignete sie sich Wissen zur Physiognomik an. 2008 machte sie sich mit ihrer eigenen Coaching-Firma «TS Head Worx» selbständig. Seitdem gibt sie Seminare und hält Vorträge zum Thema Physiognomik.

www.ts-headworks.de

Samy Molcho (78) ist in Tel Aviv geboren. Er war international 
als Pantomime und Regisseur tätig und gilt als Erforscher und Wegbereiter der Körpersprache-Analyse. Heute hält er Vorträge und Seminare und veröffentlichte diverse Bücher zu Körpersprache. Samy Molcho ist emeritierter Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst am Max-Reinhardt-Seminar 
in Wien.

www.samy-molcho.at

Blinzeln als Zeichen für Aufgeregtheit

Ebenfalls auf den Zusammenhang achten muss, wer herausfinden will, ob eine Person authentisch ist. Denken, Fühlen und Handeln müssen in Einklang sein, um authentisch zu sein. «Was ich denke, muss ins Gefühl übertragen werden und danach in eine Handlung», erläutert Tatjana Strobel. Ob sich jemand verstellt, ist vor allem bei unbekannten Menschen sehr schwierig festzustellen. Bei Freunden sieht man eher, ob sie sich verstellen. «Je länger ich jemanden kenne, umso einfacher ist es natürlich, ihn zu lesen», sagt die Expertin. Doch auch bei eher Unbekannten gebe es Hinweise: Verschränkt eine Person Arme und Beine und lehnt sie sich nach hinten, ist der Mund geschlossen und die Augen schmal gezogen, so signalisiert sie Verschlossenheit. Interessierte Menschen lehnen sich vor oder strecken ihre Beine in unsere Richtung aus. Normalerweise blinzeln wir zehn bis zwölf Mal pro Minute. Erhöht sich diese Frequenz, ist das ein Zeichen, dass die Person aufgeregt, hektisch oder unsicher ist.

Wenn zwei Menschen sich mögen, spiegeln sie sich, sie kopieren die Bewegung des Gegenübers. «Wir können das auch provozieren», sagt Tatjana Strobel, «und schauen, ob der andere mitmacht.» Macht er tatsächlich mit, so ist das ein gutes Zeichen, ein Zeichen für Harmonie zwischen den beiden. Das ist vor allem wichtig, wenn wir mit dieser Person zusammenarbeiten müssen. Geben wir dagegen etwas vor, das wir nicht sind, oder wenn wir sogar lügen, erwärmt sich die Region um Nase und Augen. In der Folge greifen wir uns an die Nase oder in den Augenbereich. «Wie bei Pinocchio, dessen Nase bei jeder Lüge länger wurde», sagt Tatjana Strobel schmunzelnd. Allerdings könne ein Griff an die Nase auch einfach bedeuten, dass jemand überlegt oder verlegen ist, wirft Samy Molcho ein. Jemand wolle zum Beispiel etwas feinfühlig kommunizieren, statt direkte Kritik zu üben – und greift sich an die Nase. Der Körper lüge zwar nie, betont Samy Molcho, doch seine Sprache genau zu verstehen, brauche sehr viel Übung. Hinter einer Geste können viele Gründe stehen, sagt auch Tatjana Strobel. «Daher ist es wichtig, nach dem Hintergrund, nach der Geschichte zu fragen.»

Ob jemand lüge oder nicht, sei sehr schwer zu sehen, sagt Samy Molcho. Es gebe kleine, akzeptable Lügen. Lächelt jemand, einfach weil er höflich sein will, könne man das schon als Lüge deuten, gibt der emeritierte Professor zu bedenken. Grundsätzlich lassen sich Lügen anhand von zwei Elementen erkennen: Es zeigt sich ein Widerspruch im Körper, und die Person hat ein schlechtes Gewissen. «Aber die gleichen Signale können auch etwas anderes als eine Lüge bedeuten», sagt der 78-Jährige. Eine Person wirkt zum Beispiel wie erstarrt, weil sie keine Gefühle durchlässt. Deswegen sei sie aber noch lange keine Lügnerin.

Buchtipp

Es sind die Menschen, die einen mit ihrer umwerfenden Rhetorik sprachlos machen und immer in der ersten Reihe stehen. Damit wir uns in ihrer Gegenwart nicht mehr so unsicher 
und klein fühlen, nimmt Tatjana Strobel in ihrem neuen Buch «Die hohe Kunst der Selbstdarstellung» Selbstdarsteller unter die Lupe und bringt ihre Geheimnisse ans Licht.

Tatjana Strobel: Die hohe Kunst 
der Selbstdarstellung. Goldmann 2014. 
Erhältlich ab 17. März 2014.

Von Profilügnern und Hochstaplern

Ganz wichtig ist auch das Bauchgefühl. Das hätten aber viele verloren, bedauert Tatjana Strobel. Dabei sollten wir dem Bauchgefühl mehr vertrauen und dann weiter beobachten. Gerade durch Beobachten lasse sich viel herausfinden, zum Beispiel während eines Vorstellungsgesprächs: Am Anfang ist der Kandidat nervös, unsicher. Das sollte der Recruiter nicht bewerten, sondern einfach abwarten. Nach einer Viertelstunde müsste sich der Kandidat entspannen. Bleibt er extrem steif, stimmt etwas nicht, er fühlt sich unwohl, ist angespannt oder schwindelt vielleicht. Hier der Ursache auf den Grund zu gehen, ist eine Herausforderung, die sich mit Fragen, etwa nach dem letzten Arbeitgeber, Referenzen oder der Ambition zum vakanten Job, lösen lässt. Dann gilt es die Reaktion genau zu beobachten.

Es gibt aber auch Menschen, etwa Profilügner und Hochstapler, bei denen nicht mehr erkennbar ist, ob sie die Wahrheit sagen. Sie geben sich zum Teil so sehr in ihre erfundene Geschichte hinein, dass sie selber daran glauben. «Wir sind leider zu gutgläubig, wir wollen nicht wahrhaben, dass es solche Menschen gibt», sagt Tatjana Strobel. Noch schwieriger wird es, eine Verstellung zu durchschauen, wenn eine Person sehr schön oder attraktiv ist. «Schönheit hat gewaltige Auswirkungen», betont Tatjana Strobel. Schönheit werde im Gehirn mit gut verknüpft. Deshalb traue man schönen Menschen nichts Schlechtes zu.

Die Verstellung perfektioniert haben auch Schauspieler: Auch sie müssen ihre Rolle leben, um authentisch zu wirken. Wenig hilfreich ist dabei zu viel Botox, sagt Tatjana Strobel und erzählt, dass sich Nicole Kidman eine Zeit lang so viel Botox spritzte, dass sie ihre Rollen nicht mehr spielen konnte und in Hollywood nicht mehr gecastet wurde. Ihre Gefühle waren nicht mehr sichtbar, somit wirkte sie nicht echt, nicht überzeugend.

Nicht nur Hochstapler und Schauspieler müssen an das glauben, was sie machen, sondern auch Führungskräfte müssen von ihrem Tun überzeugt sein. «Dann können sie sich dem Gegenüber öffnen, was zu einer besseren Kommunikation führt», ist Samy Molcho überzeugt. Ganz wichtig auch: Eine Führungskraft müsse ihre Mitarbeiter als ganzen Menschen und nicht nur in seiner Funktion respektieren. Das gelte auch für das HR: Kernaufgabe sei, die Mitarbeiter zu verstehen. Wenn diese merken, dass sie verstanden werden, sei es auch nicht so schlimm, eine negative Antwort zu bekommen.

In allen Situationen hilfreich

Sein Gegenüber «lesen» zu können, ist in vielen Situationen hilfreich, insbesondere auch in Verhandlungen. «Man sieht sofort, ob noch etwas möglich ist, zum Beispiel in Bezug auf Gehaltserhöhungen», sagt Tatjana Strobel. Bei der Partnersuche sehen Singles, ob der andere an etwas Ernsthaftem oder nur an einem Flirt interessiert ist. Auf dem Markt erkennt die Kundin, ob es sich lohnt, noch weiter zu feilschen. Und natürlich nützt Körpersprache auch HR-Fachleuten. «Es gibt eigentlich keine Lebenssituation, in der das Lesen der Körpersprache nicht hilfreich ist.»

Allerdings bestehe in vielen Situationen die Gefahr der Projektion: Die eigenen Vorurteile und Glaubenssätze werden auf die andere Person übertragen. Projektionen seien schwierig zu verhindern. Auch hier gelte es, die andere Person genau zu beobachten, um herauszufinden, wie sie ist und wie sie eben nicht ist. Um Projektionen zu erkennen, sei es zudem hilfreich, sich mit anderen Menschen auszutauschen, ob sie das Gleiche beobachten. Darum empfiehlt die Körpersprache-Expertin, für Vorstellungsgespräche immer Kollegen beizuziehen. «Zudem bin ich ein Fan von Probearbeiten, da erkennt man schnell, wie jemand wirklich ist.» Sie empfiehlt HR-Leuten, sich vermehrt mit nonverbaler Kommunikation auseinanderzusetzen. «Ich bin immer wieder erschrocken, wie wenig Kenntnisse das HR diesbezüglich hat und sich dementsprechend blind auf Zahlen und äussere Eindrücke verlässt.»

Viele Gespräche laufen ins Leere, weil sich die Leute unwohl und attackiert fühlen, sagt auch Samy Molcho. Kenne man die Bedeutung der Körpersprache, lasse sich dies vermeiden. Deshalb bietet er Seminare an (vgl. Kasten), in denen die Teilnehmer lernen, was sie eigentlich mit ihrem Körper aussagen; sie werden mit sich selber konfrontiert. «Körpersprache ist am Anfang ungewohnt. Sie ist wie eine neue Sprache, deren Vokabular ich erst lernen muss.» Habe man sie aber gelernt, könne man alte Gewohnheiten ändern – was zur Folge habe, dass auch die Umwelt anders reagiere. «Plötzlich ergeben sich manche Dinge vollkommen leicht und die Kommunikation verbessert sich.»

Veranstaltung

HR-Fachleute und andere Interessierte haben die Möglichkeit, Samy Molchos Methoden persönlich kennenzulernen. Die ZfU International Business School organisiert im März und Juni Seminare mit dem Experten. In «Körpersprache I» werden die Teilnehmenden in das theoretische Verständnis von Körpersprache eingeführt und lernen ihre Wirkung auf unser Leben kennen. In «Körpersprache II» sind Körperübungen für mehr Selbstbewusstsein und überzeugteres Auftreten vorgesehen.

Körpersprache I: 
26. März und 3. Juni 2014
Körpersprache II: 27. März 2014
www.zfu.ch/pdf/sam.pdf

 

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