Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Väter zwischen Home und Office

Wird von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen, geht es meist um Mütter. Doch was braucht es, damit Väter familienfreundliche Massnahmen ergreifen? Dieser Frage geht eine aktuelle Studie nach. Wir haben mit zwei der Autorinnen gesprochen.

Wer Teilzeit oder im Home Office arbeitet, kann Beruf und Familie besser vereinbaren und ist somit zufriedener. Könnte man meinen. «In unserer Studie haben wir keinen signifikanten Zusammenhang feststellen können», sagt Judith Renevey. Gemeinsam mit drei Kommilitoninnen hat sie untersucht, welchen Einfluss Vorgesetzte und das Team darauf haben, dass Väter familienfreundliche Massnahmen wie Home Office oder Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen.

Co-Autorin Birgit Schmid relativiert die Ergebnisse ein wenig: In Gesprächen mit Vätern habe sich gezeigt, dass sich mit Teilzeitarbeit und Home Office Beruf und Familie durchaus besser unter einen Hut bringen lassen, es komme aber auf die Umstände an. «Wenn der Vater sich im Home Office gleichzeitig um seine kleinen Kinder kümmern muss, reibt er sich auf. Der Stress nimmt dann eher noch zu.» Home Office sei also nicht zwingend eine Lösung, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. «Und es besteht die Gefahr, dass die Männer bei einer Reduktion unter Umständen 80 Prozent Lohn erhalten, aber eigentlich dennoch weiterhin weit mehr arbeiten», ergänzt Judith Renevey.

Wichtige Rolle der Vorgesetzten

Teilzeitarbeit und Home Office seien daher erst dann wirklich gewinnbringend, wenn der Vorgesetzte und das Team als unterstützend wahrgenommen werden: Wenn diese Verständnis haben für den Vater, der früher gehen muss, um das Kind aus der Krippe abzuholen oder mal spontan zu Hause bleibt, weil das Kind krank ist, lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren. «Ein Feierabendbier liegt für Familienväter aus zeitlichen Gründen oft nicht drin. Wird das informelle Treffen stattdessen auf den Mittag verlegt, gibt das dem Mitarbeiter das Gefühl, dass er trotzdem ins soziale Gefüge der Firma integriert ist», erklärt Birgit Schmid.

Viele Väter würden gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, erzählt Birgit Schmid. Und doch machen sie es nicht. Ein Hinderungsgrund ist oft der Vorgesetzte: Auch für Chefs ist es oft schwierig, die Balance zwischen Beruf und Familie zu finden. Es fehlt an Vorbildern. Und nicht jeder Vorgesetzte sieht es gern, wenn sein Mitarbeiter die Angebote nutzt – obwohl er theoretisch dürfte. Oft ist die Vereinbarkeit auch zu wenig in der Unternehmenskultur verankert. Das bringt die betroffenen Männer in einen Clinch.

Zur Person

Birgit Schmid (51) ist Coach bei Neomentum und berät Personen, die Probleme im Umgang mit Stress haben.

Judith Renevey (27) arbeitet als Projektmitarbeiterin im Diversity Management bei der SBB. Beide absolvieren einen Master in Arbeits- und Organisationspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

«In vielen Organisationen gibt es einen Graben: Die Frauen können problemlos ihr Pensum reduzieren, die Männer müssen mehr dafür kämpfen», sagt Birgit Schmid. Väter befürchten, dass ihnen bei einem Teilzeitpensum weniger grosse Projekte anvertraut werden. Wenn zudem ihr Vorgesetzter nicht dahintersteht, fühlen sich Männer schnell nicht mehr als vollwertiges Teammitglied und haben Angst, auf dem beruflichen Abstellgleis zu landen. Damit Teilzeit für alle Seiten gewinnbringend ist, braucht es die Sensibilisierung der Führungskräfte und eine Schulung der Teammitglieder.

«Väter schätzen es sehr, wenn ihr Arbeitgeber eine hausinterne Kinderbetreuung anbietet, wenn sie die Möglichkeit haben, im Home Office oder Teilzeit zu arbeiten und wenn sie einen verständnisvollen Chef haben, der ihnen Rückendeckung gibt», fasst Birgit Schmid zusammen. «Übrigens ist es nicht so, dass weibliche Vorgesetzte von den Vätern als verständnisvoller für ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden», wirft Judith Renevey ein. Es spiele hingegen gemäss ihrer Studie eine grössere Rolle, ob die Führungskräfte selber Kinder haben – diese sind gemäss den befragten Vätern verständnisvoller.

Auch wenn ein Vater vom Geschäft aus problemlos Teilzeit arbeiten kann, heisst das nicht, dass er deswegen Familie und Beruf problemlos unter einen Hut bringt. Zudem würden Teilzeitmänner oft auch an ihren freien Tagen Dinge fürs Büro erledigen oder sind gestresst, weil sie gewisse Arbeiten nicht fertig machen können.

Familie oder Karriere

«Heute braucht es leider noch zu oft eine Entscheidung zwischen Karriere und Familie», sagt Birgit Schmid. Allen gerecht zu werden, vor allem wenn die Kinder noch klein seien, sei schwierig. «Frauen haben das gleiche Problem.» Die Gesellschaft erwarte immer noch, dass die Mutter mehr zu den Kindern schaue, ergänzt Judith Renevey. «Und in der externen Kinderbetreuung hinkt die Schweiz hintennach.»

Um den so genannten Work-Family-Conflict zu entschärfen, brauche es Entlastung in Krisensituationen – etwa, wenn das Kind krank ist. Hilfreich sind auch verbindliche Richtlinien in Organisationen, wo klar geregelt ist, wer wann Teilzeit arbeiten darf, so dass ein unwilliger Vorgesetzter ein Gesuch nicht einfach unbegründet ablehnen darf. Und es brauche mehr Vorbilder: Gerade Männer in hohen Positionen müssten vorleben, dass es möglich ist, das Pensum um 10 oder 20 Prozent zu reduzieren und trotzdem gute Führungsarbeit zu leisten.

HR-Aufgabe

Doch nicht nur die Vorgesetzten, auch die HR-Abteilung sehen Judith Renevey und Birgit Schmid in der Pflicht, als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen, auf die verschiedenen Möglichkeiten hinzuweisen und allenfalls die Väter miteinander zu vernetzen zwecks Erfahrungsaustausch.

Es braucht aber auch einen gesellschaftlichen Wandel: «Es sollte zur Normalität werden, tagsüber unter der Woche auch Väter mit Kinderwagen zu sehen», sagt Judith Renevey.

Was den Studienautorinnen positiv aufgefallen ist: Die Väter sehen durchaus einen Profit in der eigenen Betreuung der Kinder, der ihnen im Berufsalltag zugute kommt: Sie nehmen sich selber als verständnisvoller für die Bedürfnisse anderer wahr, sind geduldiger, gelassener und werden zum Organisationstalent. Zudem schätzen sie den Ausgleich zur Arbeit.

Zur Studie

Die Fachhochschule Nordwestschweiz gibt unter der Leitung von Brigitte Liebig ein Handbuch für Organisationen heraus, das beschreibt, was es braucht, damit Väter Beruf und Familie vereinbaren können. Birgit Schmid, Judith Renevey, Sabine Preisig und Seraina Rissi haben im Rahmen dieses Projekts den Einfluss von Vorgesetzten und Team untersucht. Dazu haben sie 754 Väter aus 9 Unternehmen schriftlich befragt und 32 qualitative Interviews geführt.

 

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