Skill Management

Warum Skill Management 
so nicht funktioniert

Die Idee scheint einfach und lohnenswert: Man erfasst Mitarbeiterkompetenzen und auch Stellenanforderungen, kann so Lücken identifizieren und sie durch Ausbildungen schliessen. Genauso findet man die richtigen Personen für Projekte oder vakante Stellen. Objektivierbar sind damit auch Auswahlverfahren oder Beförderungen. Am Ende richtet man das gesamte Unternehmen auf die künftigen strategischen Skills aus.* Funktioniert es wirklich so einfach?

Betrachtet man das Skill Management in Unternehmen fallen zwei Dinge auf:
1.) Die Grossprojekte der Personalabteilungen sind gescheitert. Es blieben in den besten Fällen unbrauchbare Datenfriedhöfe. In den weniger guten Fällen beschäftigen sie weiterhin Personalabteilung und Linie ohne wirklichen Nutzen. 2.) In der Linie allein funktioniert das Skill Management durchaus und seit jeher. Linienvorgesetzte, Mitarbeiter oder auch Kollegen bemerken Schwächen und arbeiten daran.

Gute Vorgesetzte definieren Laufbahnpfade und Entwicklungspläne – ohne grosse Datenbanken und Kompetenzkataloge. Blickt man gar über die Unternehmensgrenzen, so wird die Sachlage noch erstaunlicher: Aktuelle und vollständige Kompetenzprofile von Mitarbeitern findet man in Business-Netzwerken wie Xing oder Linked-in, die aktivsten Wissensbeiträge in Blogs, auf Twitter oder in sozialen Netzwerken wie Facebook. Und das meistens trotz des Widerstands der Arbeitgeber. Was also ist falsch gelaufen? Und vor allem: Was können wir daraus lernen?

Ein Hauptunterschied zwischen den Lösungen der Personalabteilungen und des Internet besteht in der Absicht. Personalabteilungen fragten häufig nur nach dem Unternehmensnutzen und entwickelten ein theoretisches Konzept. In den erfolgreichen Web-Angeboten gilt die erste Frage dem Wunsch des Users. Für was wäre er sogar bereit zu zahlen? Daraus ergeben sich Angebote, Funktionalitäten und vor allem Nutzen.

HR-Abteilungen investierten viel Zeit und Energie in Kompetenz-Definitionen, die Beschreibung von Verhaltensankern für das «Messen» von Kompetenzen, die Verhinderung von Falscheingaben und die Daten-Objektivierung. Entstanden sind unübersichtliche Kompetenzbäume, zeitraubende Prozesse sowie überstrukturierte Massnahmen. Und das Ernüchternde ist: Mitarbeiterprofilen in strukturierten Kompetenzkatalogen fehlt die Aussagekraft. Wenn man ferner weiss, dass meist nur die weniger gefragten Mitarbeiter gut ausgefüllte Profile erarbeiten, dann verliert solches Skill Management schnell an Glaubwürdigkeit und Nutzen.

Lieber suchen als verschlagworten

Im Web lief das alles viel pragmatischer: Ein grosses Freitextfeld mit «Was ich biete» genügt für die Definition von Kompetenzen. Keine Skala, kein Katalog, keine Mehrsprachigkeit. Dafür jedoch die bewusste Möglichkeit von Tippfehlern, Falscheingaben, Übertreibungen. Wir leben heute im Google-Zeitalter. Wir verschlagworten Informationen nicht mehr. Wir investieren lieber dann etwas mehr Zeit, wenn wir nach etwas suchen – mit heutiger Technologie geht das ja auch deutlich schneller und einfacher.

So sparen wir viel Zeit bei der Datenpflege – und können etwas davon für eine intelligente Suche investieren. Eigentlich eine erfreuliche Nachricht: Sparen wir uns den grossen Aufwand – sowohl in der Personalabteilung als auch in der Linie. Nutzen wir einfache Konzepte und effiziente Techniken. Am Ende haben alle mehr davon und wir erreichen unsere Ziele. Nicht, weil wir die User in aufwändigen internen Marketingkampagnen vom Nutzen überzeugen müssen und alle viel Energie und Zeit investieren. Sondern weil die Anwender den Nutzen sehen und durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiten. Die grösste Hürde ist heute immer noch der fehlende Mut zur Einfachheit. Wir müssen im Skill Management umdenken.

System mit vielen Freiheitsgraden

Wie sieht nun ein erfolgreiches Skill Management aus? Es gibt zwei Unternehmensprozesse des Skill Management, die sich gegenseitig ergänzen und befruchten. Einmal die Beschäftigung mit den notwendigen Kompetenzen für den aktuellen oder den zukünftigen Job («Führungszusammenarbeit»). Und andererseits die Teamarbeit mit sich ergänzenden Fähigkeiten – auch über Hierarchie-, Organisations- und regionale Grenzen hinweg («Fachzusammenarbeit»). Für die Führungszusammenarbeit ist es wichtig, dass Mitarbeiter und Vorgesetzte gründlich über die Anforderungen der Stelle nachdenken. Vordefinierte Kompetenzen sind als Arbeitsunterstützung zu verstehen – und auf keinen Fall als Ersatz für konsequentes Durchdenken.

Das heisst nicht, dass die Firmenleitung keine strategisch wichtigen Kompetenzen definieren und vorgeben soll. Doch sie sollte sich auf wenige wirklich strategische Kompetenzen beschränken. Mitarbeiter und Vorgesetzte sollten diese in ihrer Führungszusammenarbeit mit konkreter Bedeutung belegen. Rein technisch bedeutet dies, dass ein Skill-Management-System viele Freiheitsgrade beinhalten muss. Mitarbeiter und Vorgesetzte müssen selbst Fähigkeiten definieren können, vorgegebene Skills verwenden, selbst ergänzen oder auch abändern dürfen. Es muss ihr Werkzeug sein – und nicht das des HRM. Für die Personalabteilung bietet eine technologische Unterstützung die Transparenz, wie gut einzelne Vorgesetzte diesen Teil der Führungszusammenarbeit betreiben und wo Handlungsbedarf besteht. Letzterer kann niemals mit Tools, Werkzeugen oder Vorgaben gelöst werden. Dazu ist die persönliche Arbeit mit dem Vorgesetzten vonnöten. Hier ist die HR-Abteilung als Coach gefordert.

Plattformen zum Austausch

Für die Fachzusammenarbeit, den zweiten Unternehmensprozess des Skill Managements, braucht es andere Mechanismen. Zur optimalen Unterstützung der Fachzusammenarbeit sind alle Kompetenzen relevant, nicht nur die zentralen. Hier geht es nicht darum, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter sich zu diesen Kompetenzen in einem vorgegebenen Prozess austauschen. Es geht allein darum, dass möglichst alle Mitarbeiter einer Organisation Personen finden können, die eine gewünschte Kompetenz besitzen könnten. Ob diese tatsächlich und in der erforderlichen Ausprägung vorhanden sein kann, ergibt sich meist aus den «umliegenden» Informationen zum Mitarbeiter und schliesslich aus der persönlichen Interaktion.

Durch die technischen Möglichkeiten der Suche, der Kommunikation und der Beurteilung durch Gleichgestellte («Peer Review» oder «Peer Rating») ergibt sich mit der Zeit ein immer effektiveres Skill Management für die Fachzusammenarbeit. Es ist aktuell noch nicht absehbar, ob Plattformen für diese Art von Skill Management in Zukunft rein unternehmensintern betrieben werden – oder in Zusammenarbeit mit Business-Netzwerken. Auf jeden Fall sind unternehmensinterne Plattformen gefordert, von ihrer Konkurrenz jenseits der Firmengrenze zu lernen. Das bedeutet, Mitarbeitern eine Plattform zu bieten, auf der sie sich den Kollegen präsentieren und sich mit ihnen austauschen können. Mitarbeiter pflegen ihr Kompetenzprofil nicht für die HR-Abteilung. Wenn aber das interne Telefonbuch das Profil der Mitarbeiter darstellt, eine 1:n Kommunikation wie bei Facebook bietet und simpel bedienbar ist, dann hat die HR-Abteilung sehr viel für das Skill Management der Fachzusammenarbeit erreicht.

Es kann funktionieren

Unternehmen müssen das Skill Management in zwei Bereiche unterteilen und unterschiedlich handhaben. In der Führungszusammenarbeit beschäftigen sich Vorgesetzte und Mitarbeiter mit zentralen Anforderungen der Stelle, beurteilen die Kompetenzen relativ dazu und arbeiten gemeinsam an der Kompetenzentwicklung. In der Fachzusammenarbeit gibt es keine systematischen Prozesse. Dort präsentieren Mitarbeiter ihre Kompetenzen auf einer Plattform, die auch Kommunikation und Kooperation ermöglicht. Es gibt «nur» Selbstdeklaration. Die Transparenz unter Kollegen führt meist zu «ehrlicheren» Angaben als beispielsweise in Lebensläufen für Bewerbungen.

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Es gibt sinnvolle Unterscheidungen von Skills, Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen. Hier werden sie gleichbedeutend verwendet. Für das technische Skill Management sind die Unterschiede unerheblich. In der inhaltlichen Arbeit (Beurteilung, Ausbildung, Entwicklung) ist die Unterscheidung jedoch umso wichtiger.
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Hermann Arnold ist Mitgründer und Verwaltungsratspräsident der Haufe-umantis AG, eines 
Anbieters von Talent- und Leistungsmanagement-Software.

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