Sommerserie 2021 «Vereinbarkeit neu gedacht»: Beitrag 2 – Cover-up-Syndrom

Warum wir mit dem Cover-up-Syndrom Vereinbarkeit selbst sabotieren

Aufgrund bestimmter Verhaltensmuster¹, behindern zirka 70 Prozent der Frauen die eigene Vereinbarkeit von Job und Familie – ohne es zu merken. Das so genannte «Cover-up-Syndrom» ist ein Phänomen, dass uns Job und Familienleben komplett trennen lässt und wir bei der Arbeit so tun als wären wir nicht Mutter.

Wenn Mütter zurück in den Job kommen, verhalten sich viele bisweilen so, als wären sie nie schwanger gewesen. Sie lassen sich nicht anmerken, dass sie seit Monaten nicht mehr durchgeschlafen haben, erzählen nicht stolz von den Entwicklungsfortschritten ihres kleinen Sonnenscheins und arbeiten genauso weiter wie zuvor. Und das, obwohl es im Hintergrund eine Mammut-Organisation bedeutet. Einer meiner Coachees hat mir beispielsweise erzählt, dass sie, um an einem Workshop dabei zu sein, extra ihre Mutter hat einfliegen lassen, um auf ihr Kind aufzupassen.

Warum Frauen das machen und wohin es führt

Auf den ersten Blick mag das für viele – insbesondere Männer oder kinderlose Chefs und Kollegen – absurd klingen. Was sind also die Gründe für ein solches Verhalten?

  • Der Hauptgrund ist oftmals die Angst von Kollegen, Kunden oder Chefs als weniger wertvoll gesehen zu werden und dann beispielsweise nicht in der Beförderung berücksichtigt zu werden oder weniger spannende Aufgaben zu erhalten.
  • Viele Frauen fühlen sich auch von anderen in ihrem Arbeitsumfeld bewertet und haben das Gefühl, das sie jetzt erst recht zeigen müssen wie gut sie alles hinbekommen und keinerlei Schwäche zeigen dürfen. Denn das wäre nur ein Beweis dafür, dass sie vielleicht doch das falsche Arbeitspensum gewählt hat oder vielleicht zu früh respektive zu spät zurück im Job sind.
  • Ein weiterer Grund ist, dass viele Frauen genau dieses Bild im Kopf haben, wenn sie an Mütter denken, die erfolgreich im Job sind. Die Schlussfolgerung ist dann: möchte ich auch so erfolgreich sein, muss ich das genauso handhaben (siehe hierzu auch Beitrag Rollenbild Mutter).

Am Ende lässt es sich meist auf eine Form von Unsicherheit oder Angst zurückführen. Dieses Verhalten führt dazu, dass die betroffenen Mütter…

  • viel Energie dafür ver(sch)wenden ihr «Mama-Sein» zu verheimlichen. Damit verleugnen sie indes auch einen Teil von sich selbst, denn sie sind nun mal Mama.
  • automatisch Situationen für sich verkomplizieren und aufwendiger machen. Anstelle einfach zu sagen «Dann arbeite ich nicht. Lass uns das nächste Woche anschauen.» (so wie es übrigens in der Regel die Väter handhaben), suchen sie kurzfristig eine Kinderbetreuung und setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um es irgendwie möglich zu machen.
  • genau dieses Bild unterstützten, dass erfolgreich sein im Job automatisch heisst, das Mama sein zu verstecken.

Was kannst du als Mutter tun, um das Cover-up-Syndrom zu vermeiden/los zu werden?

Gerade wenn die Ursache dafür Angst vor den Konsequenzen ist, erfordert es etwas Mut diese zu überwinden und gewisse Dinge bewusst anders zu handhaben. Ein gutes Beispiel, an dem wir uns orientieren können, sind die Väter, die meistens völlig selbstverständlich sagen, dass etwas aus familiären Gründen nicht machbar ist.

Das hängt in erster Linie nicht damit zusammen, dass die Männer/Väter mutiger sind, sondern viel mehr, dass sie keine oder weniger Angst vor irgendwelchen Konsequenzen haben.

1. Wie wäre es also beim nächsten Mal einfach zu sagen:

  • «Lass uns das verschieben. Ich arbeite an diesem Tag nicht sondern verbringe Zeit mit meinen Kindern.» oder
  • «Ich muss jetzt los, meinen Sohn/Tochter abholen.» oder
  • «Lass uns das Ganze mit etwas mehr Puffer planen, damit wir mögliche unerwartete Dinge einfacher abfangen können.»

2. Hör auf, dir ein schlechtes Gewissen zu machen, dass du etwas weniger leisten könntest. Meine Erfahrung ist, dass man gerade als Mutter um Längen effektiver ist, unabhängig davon wieviel man arbeitet. Ganz einfach, weil man darauf bedacht ist, alles in der zur Verfügung stehenden Zeit hinzubekommen.

3. Kommuniziere offen was dir wichtig ist für die Arbeit. Beispielsweise, dass Dokumente zum vereinbarten Termin geliefert werden, damit du zeitgerecht deine Sachen erledigen kannst.

Mit diesem Verhalten hilfst du nicht nur dir selbst, sondern schaffst gleichzeitig mehr Verständnis für deine Bedürfnisse als Mutter bei deinen Kollegen und veränderst so Schritt für Schritt das Bild einer erfolgreichen arbeitenden Mutter.

Was kann HR, bzw. können Führungsverantwortliche tun?

Im Grunde hilft alles, was den Müttern das Gefühl vermittelt, dass sie in ihrem Job sicher und erwünscht sind und ihre Leistung geschätzt wird. Denn der Hauptgrund warum viele Mütter überhaupt ihr Mutter-Sein im Job verstecken, ist die Angst, dass sie als weniger wertvoll erachtet werden.

Um es arbeitenden Müttern zu erleichtern ihre Bedürfnisse anzusprechen, hilft es, sie offen nach familiäre Verpflichtungen (z.B. Kinder aus der KiTa abholen) zu fragen, um dann beispielsweise bei der Meeting-Planung darauf Rücksicht nehmen zu können.

Quelle:

  • ¹ Yoshino, Kenji. «The Pressure to Cover», The New York Times, January 15, 2006.

Anm. d. Red.: Der nächste Beitrag erschein am 19. Juli 2021.

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Nach über 10 Jahren in der Unternehmensberatung ist Elisabeth Thiessen heute Coach und Trainerin für Persönlichkeitsentwicklung. In ihrem Podcast «Power On», sowie Kursen und Coaching-Programmen begleitet sie Eltern dabei Job und Familie besser zu vereinbaren.

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